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Das Ausland. 1,2.1828

Mensch zwischen sehr entgegengesetzten Einflüssen des Bodens wechselt, und befällt selbst den Indianer im spanischen Guiana, sobald derselbe aus dem freien Leben in seinen Wäldern in die Missionen verpflanzt wird, ja sogar häufig den Bewohner ungesunder Gegenden, wenn er seinen bisherigen Aufenthalt mit dem in gesundern vertauscht.

Darf man annehmen, daß bei dieser Krankheit immer die Drüsen des Unterleibs leiden, besonders die Milz, eine Drüse ohne Ausführungsgang, so steht derselben auf dem nämlichen Verbreitungsbezirk ein anderes Uebel gegenüber, das weniger die Ankömmlinge, als die Neugebornen und das früheste Lebensalter, aber fast unter denselben äußern Umständen, befällt und auch wieder seinen Sitz in einer Drüse ohne Ausführungs-Gang hat, die, wie die Milz für das Blutsystem der Brust Bedeutung zu haben scheint – nämlich der Kropf und Cretinismus, welcher hier nicht zum erstenmale dem intermittirenden Fieber gegenüber gestellt wird. Im nördlichen Amerika wie im südlichen entspricht dem intermittirenden Fieber in den mit üppiger Vegetation bedeckten Uferländern, in den engen Thälern höher gelegener Gegenden der Kropf und Cretinismus, und in Europa läßt sich von Estremadur und Asturien an über die Pyrenäen und Abruzzen, durch die Schweiz und Tyrol, über die Kärnth’schen und Steyer’schen Alpen, bis in die Carpathen der Kropf nachweisen; nur in dem Caucasus wurde er noch von keinem Reisenden angetroffen. Dieselbe Erscheinung bietet sich auch in Asien überall dar, wo man darauf achtet, besonders in den Gebirgsthälern zwischen dem Ganges und Brahmaputra und im nordöstlichen China wie an der Lena und Kirenza in Sibirien. Sonst scheint das intermittirende Fieber auch noch andere eben so unerwartete Gegensätze zu haben. In manchen Gegenden entstehen da, wo zu gewissen Jahreszeiten die intermittirenden Fieber allgemein sind, in der entgegengesetzten Jahreszeit Fußgeschwüre, in einzelnen Gegenden Hypertrophie des Scrotum und der Füße; endlich Race gegen Race gehalten, scheint bei den Negern, die wie die Urbewohner Amerikas übrigens auch Kröpfe bekommen, in Gegenden, die bei den Europäern intermittirende und emittirende Fieber hervorrufen, der Starrkrampf häufig zu seyn.

Einige ihren Erscheinungen nach sehr bestimmte Krankheiten haben weit kleinere Verbreitungsbezirke: so kommt die Gangräne des Mastdarms nur auf einer Linie vor, welche von Peru nach Angola gezogen wird. Nur wenig über den nördlichen Wendekreis verbreitet sich auch der Fadenwurm.

Andere Krankheiten dagegen, welche der Tropenwelt allein eigenthümlich zu seyn scheinen, wie die Berry Berry und Borbiers, Rheumatismen, die bald in Lähmung der Glieder oder der Athmungsorgane übergehen, mögen nicht so ganz zu trennen seyn von der in den vorigen Jahrhunderten viel häufigeren Kolik, die gewiß mehr der Gicht anzureihen als von Bleivergiftung herzuleiten ist, und die durch die dry belly ach, eine in Westindien seltener gewordene Krankheit, noch deutlicher mit diesen Uebeln zusammenhängt.

Für die Geisteskrankheiten verdient es gewiß beachtet zu werden, daß, wo unter fremden Himmelsstrichen und bei andern Racen solche vorkommen, sie jedesmal entweder in Blödsinn oder Melancholie bestehen.

Von der Lustseuche läßt es sich kaum sagen, ob sie über die ganze Erde verbreitet sey oder nicht, da dieses Uebel so ungemein vielfach sich gestaltet, und bald an die Haws, bald an den Aussatz, und hie und da wieder, besonders im indischen Archipel, sogar an die Pocken sich anzureihen scheint.

Unter den von Fieber begleiteten und schnell verlaufenden ansteckenden Krankheiten läßt sich nur von den Menschen- und Kuhpocken behaupten, daß sie in den verschiedensten Theilen der Erde wenigstens künstlich fortgepflanzt werden können; weit weniger gilt dieß von dem Scharlach, den Masern und dem Typhus, von welchen der letztere eigentlich nur in Europa bei dessen Klima denkbar ist, so fern letzteres zu diesen Kleidern, Betten und geheizten Wohnungen nöthigt, und bald verschwindet, wo das Klima so beschaffen ist, daß der Kranke keinen Schutz gegen dasselbe bedarf. Scharlach und Masern, oder der gemeinschaftliche Ausdruck für beide, die Influenza, scheint nach der Beschreibung von Dobrizhofer und Azara im südlichen Amerika da wieder hervorzutreten, wo sich das Klima wieder mehr dem europäischen nähert.

Vor allen übrigen Krankheiten ziehen aber jene, in einzelnen Perioden über große Erdflächen sich verbreitenden Epidemien die Aufmerksamkeit auf sich; ebenso wegen ihrer großen Folgen für das Menschengeschlecht, als wegen des Unerklärlichen, also Wunderbaren, ihrer Natur.

Es sind dieß im neunzehnten Jahrhundert die Cholera, die Pest und das gelbe Fieber. Von der Cholera hat Moreau de Jonnès, und von dem gelben Fieber Matthäi eine Verbreitungscharte gegeben, aber die Verbreitungsbezirke der drei großen Krankheiten müssen (am besten illuminirt) neben einandergestellt werden, wenn man ihre Beziehungen, ihre relative Ausdehnung und die Fläche, auf welcher sie sich durch Zeugung fortzupflanzen vermögen, näher beurtheilen will.

Die Pest, die vor zwei Jahrhunderten bis an den Indus, und nach Villalba, auch nach dem spanischen Amerika sich verbreitete, und im vorletzten Jahrhundert noch mehrmals in England gesehen wurde, ist unterdessen nur mehrere Länge- und Breite-Grade aus Ländern, die sich mit Quarantäne-Anstalten zu schützen glaubten, und aus solchen, in denen man keine Anstalten dieser Art kannte, freiwillig zurückgewichen; dagegen hat die Cholera in der kürzesten Zeit bis an den eigentlichen Heerd der Pest, doch mit erschöpfender Gewalt, sich im Jahr 1823 ausgedehnt, wie dieß schon einmal im Jahr 1031 nach Deguignes, und, für jene Gegenden wenigstens, auch in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts der Fall gewesen seyn mag. In demselben Jahr 1823 hat aber auch das gelbe Fieber, darf man den Angaben vollkommen trauen, sich an der nördlichen Seeküste Spaniens und auf der Insel Ascension gezeigt; übrigens war der Jahrgang durch physische Ereignisse nicht ausgezeichnet, und, was noch merkwürdiger seyn dürfte, zeigten beide, die Cholera und das gelbe Fieber, an der Stätte ihres Ursprungs keine bedeutende Zunahme oder

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 358. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_374.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)