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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 103. 12 April 1828.

Der religiöse Zwiespalt unter den Armeniern.


(Fortsetzung.)

Die Stadt Tuin, von den Arabern und den jesuitischen Missionarien Devin oder Thevin genannt, lag nördlich von Ardaschd an dem Flusse Miesamor in einer gesunden und angenehmen Gegend. Sie ward vom König Kosru II gegen 350 gegründet, und nicht allein Hauptstadt des Reiches, sondern auch seit 452 Sitz des Patriarchats. Die verschiedenen Synoden, die seit 432 hier und an andern Orten gehalten wurden, sind von der größten Wichtigkeit zur Kenntniß der innern Verhältnisse Armeniens und des religiösen Systems der Magier; die Könige Persiens mutheten mehrmalen den unterjochten Armeniern zu, vom Christenthume abzufallen und sich zur Lichtlehre Zoroasters zu bekennen. Standhaft bewahrten sie aber auf den zusammengerufenen Synoden, – im Einzelnen traten viele zum Parsismus über – den Glauben ihrer Vöter gegen die Anmuthungen der Magier und gegen die ihnen neudünkenden Beschlüsse der ökumenischen Synode von Chalcedon. Unter dem Patriarchen Katholikos Babgen verwarfen sie einstimmig auf einer, in der Geschichte der armenitschen Kirch Epoche machenden Synode zu Edschmiadsin bei Warschabad, im Jahre 491, die Beschlüsse und Satzungen, die Verordnungen und das Glaubensbekenntniß der vierten ökumenischen Synode und faßten ihre Willensmeinung in folgender, die Trennung von der abendländischen Kirche mit bestimmtenWorten aussprechenden Schlußsatzung:

„Wir Haiks und Romaier, wir Georgianer und Albanier sind einmüthigen Sinnes, aufrecht zu erhalten den wahrhaften Glauben zum Guten hieselbst, den wahrhaften Glauben, welchen uns gelehrt haben die heiligen Väter auf der dritten Versammlung; nicht nehmen wir an Worte der Lästerung, sonder wir verfluchen einstimmig die Anhänger derselben.“

Die Armenier waren demnach die ersten unter den morgenländischen Christen, die sich von der allgemeinen Kirche getrennt haben. Alle andern Gegner der Synode von Chalcedon, alle zerstreuten monphysitischen Gemeinden vereinigte der Syrer Jacob Baradai, Zanzalus und Fasselita genannt, setzte ihnen Priester und Diakone und weihete, auf seinen verschiedenen Reisen im Morgenlande, allenthalben monophysitische Bischöfe, wo dergleichen früher gewesen waren. Jacob wird ein Schüler genannt des von der katholischen Partei so gehaßten Patriarchen von Antiochien Severus und soll 37 Jahre zu Edessa Bischof gewesen seyn († 578). Sicherlich wirkte Jacob Baradai, den die Seinigen als einen Heiligen verehren, und sich selbst nach ihm Jacobiten nennen, auch in Armenien auf die Aufrechthaltung und Befestigung des Schisma; doch hatte diese Trennung, wie wir oben aus der armenischen Geschichte des Michael Tschamtschean gesehen haben, in Armenien bei weitem früher Fuß gefaßt, als Galanus, Pagi und alle andere abendländischen Schriftsteller wissen wollten oder konnten. Nicht erst auf einer Synode zu Tuzin unter dem Patriarchen Zacharias, im Jahre 536, ward die Synode von Chalcedon mit dem Anathema belegt, und in Christo nur Eine Natur erkannt, nicht erst hier ward der Zusatz des Gärbers Peter: der du für uns gekreuzigt, in das dreimalheilig aufgenommen, und den Armeniern verboten, nach Jerusalem zu reisen, sondern, wie wir oben gesehen haben, bereits im Jahre 491. Wenn in diesem Jahre eine Synode statt gefunden hat, (in unsern armenischen Quellen haben wir keine Spuren davon auffinden können), so betraf sie sicherlich bloß die Vereinigung mit den syrischen Jacobiten, wovon Barhebräus einigemal in seiner syrischen Chronik spricht. Eine Synode im Jahre 527 unter dem Patriarchen Nierses beschäftigte sich bloß mit der Abstellung mehrerer Mißbräuche, die sich in die armenische Kirche eingeschlichen hatten; von einer folgenden im Jahre 551 beginnt die besondere armenische Aera, und auf einer andern, gehalten zu Tuin, im Jahre 596, unter dem Patriarchen Katholikos Abraham, wurden alle Beschlüsse der Versammlung von Edschmiadsin (491) bestätigt und nochmals alle Anhänger der Synode von Chalcedon mit dem Banne belegt; unter diesen waren auch die bis jetzo mit den Armeniern immer vereinigten Georgier begriffen (armenisch Wirk, Genit. Wraz genannt), die sich unter ihrem Patriarchen Kyrion mit der griechischen, oder was damals noch dasselbe war, mit der katholischen Kirche vereinigt hatten. Den freurigen Patriarchen der Monophysiten trieb ein höchst verdammlicher Sekteneifer; er verbot alle Gemeinschaft mit den benachbarten Georgiern, untersagte das gegenseitig Heirathen und allen Verkehr, so daß seit der Zeit dieses Conciliums zwischen beiden sonst befreundeten Nationen ein Haß und Widerwillen Wurzel faßte, der sich bis auf den heutigen Tag fortgepflanzt hat.

Vergebens suchten seit dieser Zeit die griechischen Kaiser, wenn sie überwiegenden politischen Einfluß in Armenien hatten, vergebens suchten die, abendländischer Hülfe


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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 409. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_427.jpg&oldid=- (Version vom 21.2.2023)