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Das Ausland. 1,2.1828


Da waren die Klosternonnen,
Die lasen in ihrem Buch:
Es war gewiß ein Engel,
Der fort die Schwester trug.
Doch Herr Carl er schläft alleine.

Und alle Klosternonnen,
Die sangen nun für sich:
Christ, gieb, daß solcher Engel
Komm, hole mich und dich!
Doch Herr Carl er schläft alleine.


(Fortsetzung folgt.)


Des Bischof Heber’s Reisen durch das nördliche Indien.


(Beschluß.)


Auch ein Zigeunerlager finden wir geschildert; bei welcher Gelegenheit der Verfasser einige Bemerkungen über die ursprüngliche Sprache dieses sonderbaren Volkes macht. „Am andern Ende des Flußes war ein großes Lager von kleinen Wagen, Kleppern, Ziegen etc. zu sehen, das dem einer europäischen Zigeunerhorde so ähnlich war, daß ich nicht sehr überrascht wurde, auf meine Frage von Abdullah zu hören, daß es wirklich Zigeuner seyen. Sie sind, nach seiner Behauptung in den obern Provinzen sehr zahlreich, und führen dieselbe Lebensart wie die Zigeuner in England; er hatte denselben Volksstamm in Persien und Rußland getroffen, und gefunden, daß sie in Persien so gut wie hier die Hindusprache reden. In Rußland hatte er nicht Gelegenheit, sich hierüber Gewißheit zu verschaffen. In Persien aber sprach er auf Sir Gore Ousleye’s Bitte mit einigen dieser wandernden Stämme, und fand, daß sie ihn verstanden und ihm antworteten. Ich erzählte ihm von Lord Teignmouths hindustanischer Unterredung mit einem alten Zigeuner in Northwood; worauf er mir sagte, daß in Persien nicht jeder Zigeuner, sondern nur die alten noch hindustanisch reden. Auch bemerkte er, sie gleichen in allen Ländern, wo er sie noch gesehen, einander so sehr, daß man sich nicht an ihnen irren könne; obgleich sie in Persien von einer viel bessern Kaste, und viel reicher, als hier, in England oder Rußland seyen. „In Rußland,” fuhr er fort, ,‚hatte vor Peter dem Großen das gesammte Volk sehr viel mit den Zigeunern gemein." Diese Mittheilung ließ mich manche nicht unwichtige Folgerung ziehen: zuförderst über die Identität der Zigeunerrace in Europa und Indien. Ihr Zusammenhang schien durch einen beobachtungsfähigen, und gewiß von keiner Theorie befangenen Zeugen begründet. Zweitens erfuhr ich bei weiterer Nachfrage, daß der Volksstamm in Persien, den ich mit unsern Zigeunern identifizirte, die wandernden Stämme von Curdistan seyen, die er mir, als aus einer guten Kaste stammend, und als tapfer und wohlhabend bezeichnete. Diese Stämme, deren Existenz in Persien, wie es scheint, bis auf die Zeiten vor Cyrus hinauf verfolgt werden kann, und deren Sprache bekanntlich von der in den Ebenen und den Städten gesprochenen abweicht, gleichen an Gesichtsbildung und Gestalt den Zigeunern; während ihre alte Sprache eine Mundart der hindustanischen ist. Es ist also wahrscheinlich, daß Persien der ursprüngliche Mittelpunkt dieser nomadischen Völkerschaft war." -

„Eine der größten Plagen auf dieser Reise waren die geflügelten Wanzen. An Gestalt, Größe und Geruch gleichen sie dem genus grabbaticum, das in England uns nur zu wohl bekannt ist. Die Nacht, welche wir auf der Höhe von Barrackpur zubrachten, fielen sie uns schon sehr beschwerlich; als wir aber auf den Palast des Rajah zukamen, flogen sie uns wie die Geister der Heere seines Ahnherrn zu Hunderten und Tausenden aus jedem Busch, jedem Schutthaufen der Ruinen entgegen, und fanden sich so zahlreich in unsern Kabinetten ein, daß es kaum darin auszuhalten war. Diese unglücklichen Thiere umflogen unsre Lichter in dichten Schwärmen, verbrannten sich Füße und Flügel an dem Rande der Glasdecken derselben, und fielen herab; andere stürzten sich kühner gerade in den Feuerkrater und fanden dort ihren Tod. Diese unmittelbaren Anfechtungen ließen uns gar nicht bemerken, daß sich an den neuübertünchten Zimmerbecken ein mächtiges Heer in schwarzen Haufen niedergelassen und von da seine Wohlgerüche verbreitete, bis es von den Ameisen aufgefressen wurde. Diese durchzogen in Schaaren meine Pinasse und hatten mir einen großen Theil meiner Vorräthe aufgezehrt, auch eine ganze Büchse blauer Pillen zu sich genommen, die hoffentich gute Wirkung thaten; da sie aber kein anderes Ungeziefer aufkommen lassen, so kann ich ihnen nicht so ganz abhold seyn.”

Die Ebenen Bengalens, von dem Ganges überflutet, müssen nach Hebers Beschreibung einen äußerst interessanten Anblick gewähren:

„Ich nahm nicht die gerade Richtung nach Norden über die Jils (Sumpfgegenden) sondern fuhr über den Fluß Delasserry und eine Strecke überfluteten Landes hin, das ein seltsames, trauriges Schauspiel bot. Die unansehnlichen Dörfer, auf kleine Erddämme zusammengedrängt, ragten noch gerade hoch genug über der Oberfläche des ausgetretenen Wassers hervor, während das übrige Erdreich fünf bis sechs Fuß tief unter Wasser stand. Mir fiel Gray's egyptisches Delta bei, dessen Bewohner

Das schwache Bot zu nahen Städten bringt,
Die schimmernd, hoch, die wilde Fluth umschlingt.

Bei diesen Dörfern aber war an kein Schimmern zu denken. Endlich waren wir an allen vorüber, und in eine Art Schilfmeer gekommen — eine unabsehbare Sumpffläche, wo sich hohe Binsen über die Oberfläche des Wassers erheben, das die ansehnlichsten Fahrzeuge tragen würde. Wir steuerten rasch voran. An einer Stelle, wo die Binsen am dichtesten standen, sondirte ich mit dem Ruder und fand das Wasser wenigstens zehn Fuß tief, den tiefen, weichen Schlammboden nicht mit eingerechnet.


Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 428. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_446.jpg&oldid=- (Version vom 20.2.2023)