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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 111. 20 April 1828.

Tunis.

Aus den ungedruckten Memoiren eines italienischen Reisenden.

[1]


Die Regentschaft von Tunis eröffnet der Wißbegierde des Philosophen und des Archäologen ein weites Feld: aber die natürliche Beschaffenheit des Landes und das unruhige Mißtrauen des Bey’s machen die Reisen im Innern sehr schwierig und gefährlich. Der ganze Raum zwischen Tunis und dem Vorgebirge von Carthago ist mit merkwürdigen Resten des Alterthums bedeckt. Die Ruinen der ungeheuern Wasserleitung, die das Wasser von den Zaduanischen Bergen nach Carthago führte, gehen von dem Behälter, in welchen das Wasser geleitet wurde, bis zu dem Ort, wo es herkam, in einer Weite von sechzig ital. Miglien ununterbrochen fort. Noch bestehen die Cisternen; diejenigen, welche ihr Wasser aus dem Aquaduct empfingen, dienen jetzt den elenden Beduinen, welche die einzige Bevölkerung jener Gegenden sind, zum Aufenthaltsort. Die ganze Fläche, auf welcher Carthago sich erhob, ist über und unter der Erde mit Trümmern angefüllt. Bei den untern Cisternen hat der Bey eine Redoute, welche bei den Franken den Namen des heil. Ludwig (S. Luigi) trägt. In dem Dorfe Sidi-bu-Said, auf dem Gipfel des Berges von Cap Carthago (Capo Cartagine) sieht man das Grabmal, in welchem der heil. Fürst beigesetzt wurde; gegenwärtig dient dasselbe zu einem Signalthurme. Auf dem Gebirge von Zauan erheben sich die Ruinen eines alten Tempels, und zu Porto-Farina (dem alten Utica), die eines Gebäudes, welches für das Haus gilt, in welchem Cato wohnte. Nicht selten findet man Medaillen und Cameen, besonders aus der Römerzeit, mit denen die in Tunis ansäßigen Christen einen so lebhaften Handel treiben, daß man auch die gemeinern nicht anders als zu sehr hohen Preisen erhalten kann. Tunis liegt sechs Miglien von dem Golf entfernt, dem es gleich dem großen See, durch dessen Ufer es vom Meere getrennt wird, den Namen gibt. Diese Stadt ist von einem elenden Wall von Erde und Steinen umgeben, der ihr weder zur Zierde, noch zu besonderem Nutzen gereichen kann. Die Häuser sind von Stein, aber in schlechtem Geschmack gebaut. Der Bey ließ vor einigen Jahren einen Palast bauen, der sich nicht übel ausnehmen würde, wenn er nicht in einer engen und schmutzigen Gasse versteckt läge und sein Erdgeschoß durch eine Menge Buden verunstaltet würde. Die Bazar’s, die gleich den Läden nur schlecht mit Waaren versehen sind, gewähren keinen bessern Anblick, als die übrigen Gebäude. Die Einwohner, die sich in diesem Labyrinth von krummen, unreinlichen und ungepflasterten Gäßchen umher winden, geben einen Begriff von dem allgemeinen Elend und der tiefen Unterdrückung des Landes. Die Bevölkerung von Tunis wird auf mehr als 150,000 Seelen geschätzt, und soll sich vor der letzten Pest auf 300,000 belaufen haben.

Der gegenwärtig herrschende Bey wollte der Stadt wenigstens das Ansehen eines haltbaren Platzes geben; er ließ unter der Leitung eines holländischen Ingenieurs mehrer Thore und andere Befestigungswerke anlegen, die indeß im Fall eines Angriffes keinen ernsthaften Widerstand zu bieten im Stande wären. Die Citadelle oder Kazba, im obern Theile der Stadt, ist ein Werk der Spanier, die zur Zeit Carls V hier die Herren spielten. Dieß Castell, welches die ganze Stadt beherrscht, kann sie nöthigenfalls im Zaume halten; zur Vertheidigung derselben möchten indeß die kleinen Redouten, die in der Nähe von Tunis errichtet worden sind, zweckmäßiger seyn.

Der Hafen von der Goletta dient zur Erhaltung der Verbindung zwischen der Rhede und dem See von Tunis. Da dieser in seinem ganzen Umfang keinen einzigen Fluß oder Bach aufnimmt, so muß seine Ausdünstung durch Meer-Wasser ersetzt werden, welches aus dem Golf hineindringt. Goletta wird von zwei starken Forts vertheidigt, welche die Spanier zur Zeit Carls V errichteten und die leidlich erhalten sind. Sie sind mit schönem Geschütz besetzt, und ein Stück desselben, das Steinkugeln schießt, ist von ungeheuerm Kaliber. Da der Hafen von Tunis für schwere Fahrzeuge zu seicht ist, so liegen die Kriegsschiffe des Bey in Porto-Farina; und die Kauffahrer, die Ladungen in Tunis einzunehmen oder auszuladen haben, halten sich auf der Rhede, wo sie einen guten Ankergrund von 5 bis 7 Ellen Tiefe finden, und bedienen sich zum Transport ihrer Frachten großer Boote mit lateinischen Segeln und Rudern, Sandalen genannt, die wenig Wasser brauchen, und daher den See befahren können.

Das Clima ist das vortrefflichste der Welt, und der Boden würde den größten Theil der Colonialproducte hervorbringen können, welche Europa aus so entlegenen Gegenden bezieht. Die ganze Küste der Barbarei ist für

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 441. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_459.jpg&oldid=- (Version vom 2.3.2023)
  1. Appendice criticco-letterario della Gazzetta di Milano, Marzo 24, 25 del a. c.