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Das Ausland. 1,2.1828

Am Abend dieses Tags, so wie in der Folge noch oft, wurden wir durch die gewaltige Musik [1] der Gellongs, womit sie ihre tongud’schen Litaneyen begleiten, bis in die Nacht unterhalten, da wir diese Musik aus beiden Hoflagern deutlich hören konnten, wobei besonders die Trommeln, eine Art Schalmeyen und ihre großen, kupfernen Hörner lärmten.

Am folgenden Tag besuchten wir eben den Bazar, als in einiger Entfernung in der Richtung nach den Bergen ein dick aufsteigender Rauch bemerkt wurde. Man besorgte sogleich einen Steppenbrand und vermuthete, daß die Dörböden denselben angelegt haben möchten, um den Turguden Schaden zu thun. Dergleichen Steppenbrände wüthen öfters mit unwiderstehlicher Gewalt, und verheeren große Landstrecken mit einer Schnelligkeit, der kaum ein gut Berittener zu entfliehen im Stande ist. Bei der Besorgniß vor der Annäherung des Feuers hörte sogleich aller Handel auf, und jeder spähte von seiner Hütte oder einem andern erhöhten Gegenstande nach der Gegend des Brandes und beobachtete die Richtung des Windes. Mittlerweile war ein Aufgebot des Fürsten zur Dämpfung des Feuers ergangen, worauf Schaaren von Gellongs und von Schwarzen d. h. Nichtgeistlichen mit Hüttenstäben in den Händen zum Löschen hinauseilten. Nach einiger Zeit aber kehrten diese unverrichteter Sache mit der Nachricht zurück, daß der Brand in dem benachbarten Schilf eines ausgetrockneten Sees, der zur Sarpa gehört, wüthe, wo an kein Löschen zu denken sey. Sie erzählten nun den Daheimgebliebenen von der unglaublichen Menge von Wesen, von zahllosen Vögeln, die in dem Schilf nisteten, Schlangen, Fröschen, Eidechsen und Insekten, welche durch das Feuer getödtet würden, und malten die Qualen derselben mit den lebhaftesten Farben der Einbildungskraft aus. Dabei war die innigste Theilnahme an dem Schicksale dieser Creaturen um so unverkennbarer wahrzunehmen, je näher die Kalmücken zu Folge ihres Glaubens an die Seelenwanderung mit denselben verwandt zu seyn meinten. Ihr eigener Verlust wurde bei dieser Gelegenheit von ihnen ganz unbeachtet gelassen, obgleich der Brand dem Vieh eines Theils der Horde, welche seit den dörbödischen Unruhen hier zu überwintern pflegte, seine Nahrung raubte. Glücklicher Weise verbreitete sich das Feuer nicht über die See hinaus, wüthete aber in demselben mit größter Heftigkeit. Als wir an einem der folgenden Tage die Gegend in Augenschein nahmen, waren weite Strecken, so weit das Auge reichte, in öde Aschenfelder mit einzelnen grünen Inselchen verwandelt und als wir sechs Tage später die Gegend verließen, hatte sich der Brand immer noch nicht vermindert.

Nach unsrer Zurückkunft vom Bazar schickten wir uns zu einem zweiten Besuch bei dem Fürsten an, um die für ihn und seine Gemahlin bestimmten Geschenke, bestehend in einigen sareptischen Tüchern, Rauchtaback und Pfefferkuchen, zu überreichen. Der Fürst und seine Gemahlin waren darüber sehr erfreut, und beide rauchten sogleich eine Pfeife von dem erhaltenen Taback. Dem Lama schickte der Fürst die Hälfte der Pfefferkuchen und allen Anwesenden theilte er davon mit; denn nach ihren Begriffen von Gastfreundschaft darf der Empfänger solche Geschenke nicht allein behalten.

Der Fürst war nun zwar unserem Auftrag so wenig geneigt, als überhaupt alle kalmück’schen Fürsten, wie wir auf mehr oder weniger auffallende Art uns nachmals oft überzeugen konnten, aber er beehrte uns wenigstens äußerlich mit seinem persönlichen Wohlwollen [2] Da dieß die Kalmücken, die sich bisher fast gar nicht um uns bekümmert hatten, bemerkten, drängten sie sich zu uns und suchten unsere Freundschaft. Der Charakter dieser Nomaden ist so, daß sie ihr Betragen gegen Fremde, gegen die sie sehr mißtrauisch sind, völlig von der Miene ihres Fürsten abhängig machen. Ihre Ergebenheit gegen ihre Obern ist unbedingt: nicht leicht werden sie etwas zum Nachtheil derselben äußern oder etwas schlechtes von ihnen verrathen. Eben so treu sind sie im gemeinen Leben gegen einander, besonders wenn es gilt, den Diebstahl eines Landsmanns vor Fremden zu verheimlichen; ja, wenn sie allzusehr in die Enge getrieben werden, ersetzen sie lieber den Schaden, als daß sie den Thäter angeben, und finden sich nachmals, so gut sie können, mit diesem ab. Unter andern kamen jetzt auch die Inhaber der uns zunächst stehenden Zelte, lauter fürstliche Beamte, der Tschigaitschi (Stutenmelker), der Temähtschi (Kameelaufseher) und andere, wobei sie erklärten, daß wir mit ihnen ein Chottun (eine Gemeinde) ausmachen sollten.

Uns’re häufigen Besuche bei Aerdäni gaben uns Gelegenheit, seine beiden Damen genauer kennen zu lernen. Als der Fürst der Prinzessin Mingmer unsere Namen nannte und sie den meinigen hörte (welchen die Kalmücken, denen es schwerhält, zwei Consonanten in einer Silbe folgen zu lassen, statt Zweick, Zebik oder Zebek auszusprechen pflegten), so rief sie aus: „das ist ja der Name meiner Mutter.“ Damit belustigte man sich eine Weile; dann mußten unsere Kleider, Mützen, Halsbinden etc. die Musterung passiren. Von einigen dieser Stücke nahmen sie sich Papiermodelle, wobei jede sich beeiferte, ihre Sache am geschicktesten zu machen, während der Fürst das Amt des Kunstrichters versah. Ein ander Mal trafen wir nur die Fürstin mit ihrer Dienerschaft zu Hause, da der Fürst selbst sich mit einer zahlreichen Gesellschaft von Gellongs und Saißangs in der Gerichtshütte mit Kartenspielen unterhielt, wobei reichlich Tschigan getrunken wurde, der, im Uebermaße genossen, einen leichten Rausch verursacht. (F. f.)


  1. Am 8, 15 und 30 des Monats haben sie Fasttage, an welchen man am meisten Musik hört.
  2. Die Gegengeschenke des Fürsten bestanden in einem Zelt, in Tschigan (bei dessen Empfang drei Schalen zu Ehren des Gebers geleert werden mußten, wollte man nicht grob seyn) und in einem Schaf. Die beiden letztern Geschenke wiederholten sich beinahe täglich.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_477.jpg&oldid=- (Version vom 26.4.2023)