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Das Ausland. 1,2.1828

Signore Barone, io sto in pericolo di morte (lieber Herr Baron, ich bin in Lebensgefahr.) Bei diesem schönen Eingange bedurfte S. aufs neue Fassung, und fragte ob er deutsch oder italienisch schreiben solle? Was deutsch? Italienisch schreibt! Hätte der gute S. gewußt, daß keiner dieser Waldfürsten weder schreiben noch lesen könne; er hätte wahrscheinlich deutsch und Manches geschrieben, was er jetzt unterlassen mußte. Es wurde weiter diktirt: für den Sohn des Hauswirths, müssen längstens in 6 Stunden 3000 Scudi, und für den Maler 1000 bezahlt werden. Hier hielt S. an, bat um einige Entfernung der Mordgewehre, weil er sonst nicht schreiben könne, und fuhr fort, indem er trotz seiner kläglichen Lage verwundert lächelte: 1000 Scudi sollen für mich bezahlt werden? Nicht 1000 Bajocci habe ich sammt allen meinen Angehörigen; dem Baron bin ich gar nicht weiter bekannt, und befand mich blos zufällig bei ihm; ich bin ärmer als ihr, verdiene mühsam im Winter zu Rom so viel, um im Sommer zu meinem Studium auf dem Lande nach der Natur malen zu können. Dieses mein ganzes Vermögen habt ihr bereits und (sich in die Höhe richtend) schrecken werdet ihr mich nicht: ich war Soldat, habe Gefechte und Belagerungen mitgemacht, und fürchte den Tod nicht. Darum ist es unnöthig, daß ich meinethalben an den Baron schreibe. Die Räuber stutzten, und etwas milder forderten sie: es thue nichts, er solle nur schreiben. Weiter mußte er von des Barons Leuten ein Lägel Wein, Brod, Pulver und Blei verlangen, und hinzufügen, wenn nur einige Stunden über die Zeit verstrichen, müßten sie beide unter Qualen sterben. Kaum hatte er seine Depesche geendet, als trotz dem heftigen Regen, ein junger Ziegenhirte, vermuthlich einer der Helfershelfer der Banditen, wie sie deren überall viele in Sold haben, ganz langsam, das Wams über die Schultern hängend, als wäre das schönste Wetter, des Weges kam. Er wurde angehalten und scheinbar mit schrecklichen Drohungen gezwungen, das Blatt nach Olevano zum Baron oder ins elterliche Haus des Mitgefangenen zu tragen. Nachdem S. wieder gefesselt worden, brach die Horde auf, und langte nach einer Stunde auf dem Gipfel des Berges an. Man lagerte unter einer großen Eiche, von wo aus die ganze Gegend zu übersehen war. Es ward schnell ein Feuer gemacht, Wachen ausgestellt, und Einer beordnet, aus der nächsten Heerde ein fettes Schaf zu stehlen. Nach kurzer Zeit brachte dieser das Schaf, und schnell waren alle Dolche blank, es zu schlachten, auszuweiden, und in Stücke zu schneiden, die sogleich in der glühenden Asche gebraten wurden.

(Fortsetzung folgt.)


Die Kalmücken.


(Fortsetzung.)

Am 4 Juli konnten wir endlich das ärdänische Hoflager verlassen, nachdem wir das langerwartete Schreiben [1] und nach vielfachen Unterhandlungen auch noch einen Boten zu der in der Nähe stehenden torgud’schen Horde der Brüder Setter, Dschirgal und Otschir erhalten hatten. Das Schreiben empfahl den Kalmücken, uns überall freundschaftlich zu behandeln, stellte es aber dem Gutdünken eines Jeden anheim, Bücher von uns anzunehmen oder nicht. Aerdäni nahm zwei Exemplare, eins für sich und eins für die Geistlichkeit, aus Neugierde, wie er sagte, und um unsere Sendung zu ehren, aber keiner von seinen Unterthanen, so oft wir auch hin und wieder einen derselben trafen, war zu bewegen, eines von uns anzunehmen.

Es war kühle stürmische Witterung mit abwechselnden Regenschauern, als wir abreisten. Fürst Otschir, sagte man uns, baue eine neue Zaza, und, um den dabei beschäftigten Gellongs [2] eine Erleichterung bei ihrer Arbeit zu verschaffen, habe er von einem geschickten Surchaidschi (Astrologen) aus der Erkedenhorde, mittelst einer Opfergabe von zwölf Pferden, kühle Witterung machen lassen.

Die Horde, zu der wir jetzt reisten, besteht aus ungefähr vierhundert Zelten, und die drei Brüder hatten sie von ihrem Vater gemeinschaftlich geerbt. Da aber der jüngste von ihnen, Setter, blödsinnig ist, so zog Otschir, der zweite Bruder, den jenem zugefallenen Antheil an sich. Die Zurückhaltung, welche die Kalmücken in Bezug auf die Persönlichkeit ihrer Fürsten beobachten, ließ uns diesen Umstand erst erfahren, als wir unsern zwecklosen Besuch bei Setter machten. Denn da die Horde selbst in einer andern Gegend stand, so hatten wir dann nichts Besseres zu thun, als weiter zu ziehen.

Unterwegs gelangten wir zu einem Sandhügel von einigen Wersten im Umfang, in welchem sich ein tiefer, etwa eine Werst im Durchmesser haltender Kessel befand, worin eine Menge zwei Klafter tiefe Brunnen gegraben waren, die den gemeinschaftlichen Namen Nirma-Arschin-Chuduk, d. h. die Brunnen des Vorstehers und Lehrers führten. Sonderbar, daß alle Brunnenplätze der innern Steppe aus solchen Sandkesseln bestehen, die mitten in der lettigen Steppe liegen und sich durch ihren erhöhten Rand von Weitem bemerklich machen. Sie sind ziemlich häufig und haben die Gestalt eines veralteten Kraters.

Am 6 Abends gelangten wir zu der Niederung am Itelgin-Chuduk (Falkenbrunnen), wo Fürst Dschirgal seinen Aufenthalt hatte.

Dschirgal, ein lediger Mann von dreißig Jahren, einäugig, lag, als wir bei ihm eintraten, in schmutziger Kleidung auf seinem nicht minder unreinlichen Lager in einem Zelt, das gar nichts Fürstliches andeutete. Das ihm überreichte Schreiben des Ministers behandelte er gleichgültig und verächtlich und nach einigen barschen Fragen an uns beendigte er den unangenehmen Besuch. Ganz unerwartet kam es uns nun, als er sich Abends durch einen Diener bei uns als Gast anmelden ließ. Bald erschien er selbst, begleitet von zwei Edelknaben. Sogleich verlangte er Thee, und zuerst in Güte, dann mit drohenden Worten, Branntwein. Wie viel wir dessen besäßen, hatte


  1. Wir sahen den Fürsten einmal schreiben. Er saß auf einem Polster an dem offenen Gitter seines Zeltes neben der Thür, das Schreiben lag auf seinem rechten Bein, und von Zeit zu Zeit tränkte er die Feder an einem in der linken Hand gehaltenen mit Tusch gefüllten Pinsel.
  2. Alle heiligen Gebäude müssen von Gellongs einzig und allein aufgeführt werden.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 470. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_488.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2023)