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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 120. 29 April 1828.

Briefe aus Persien.


(Fortsetzung.)

Mittwoch den 31ten. General Paskewitsch und sein Stab kamen gestern mit einem Detaschement der Hauptarmee in Suhillan an. Neugierig, die Truppen zu sehen, ging ich diesen Morgen zu der Aschi-Brücke. Der General war, umgeben von seinen vornehmsten Offizieren, an der Spitze der Colonne. Ungefähr drei Stunden von der Stadt empfing ihn eine Deputation der vornehmsten Einwohner, Aga Mir Fatha an der Spitze; die Unterhaltung mit ihnen dauerte nur kurze Zeit. Die Colonne der Truppen wurde eröffnet durch drei Bataillons Infanterie; denen folgte ein Regiment Dragoner, zwei Regimenter Uhlanen, drei Batterien Artillerie, ein Regiment donischer Kosacken und ein anderes vom schwarzen Meere. Das ganze Corps marschirte auf das Lager der Cavallerie, auf der Höhe zwischen der Stadt und dem Aschi, wo die Division des General Arristaff aufgestellt war, um den Oberfeldherrn zu empfangen, vor welchem darauf die ganze Armee Revue passirte. Alle Bewegungen wurden mit der größten Regelmäßigkeit vollzogen. Das Aeußere der Truppen war, wenn auch nicht glänzend, doch vortrefflich zum Dienst geeignet. Die Infanterie-Bataillons waren jedes ungefähr 700 Bayonette stark, die Leute frisch und gesund, ihr Marsch fest, gleichmäßig und in der besten Ordnung. Die Cavallerie zeigte in ihren Bewegungen dieselbe Präcision; die Pferde waren etwas abgemagert, aber im Ganzen noch so wohl bei Kräften, daß sie es mit einer bei weitem überlegenen Zahl der besten persischen Reiter aufgenomnmen haben würden. Die donischen Kosacken gewähren in ihrer vollen Uniform immer einen prächtigen Anblick; die vom schwarzen Meer, obwohl von rauherem Aeußerem, werden für die thätigsten und tapfersten Soldaten geachtet. Die Pferde von beiden sind kleine unansehnliche Thiere, die aber große Anstrengungen aushalten. Die Artillerie marschirte in Brigaden vorüber; die Zwölfpfünder von sechs Pferden gezogen, die von geringerem Caliber von vier. Jedem Stück Geschütz folgten zwei leichte zweiräderige Munitionskarren, mit zwei oder drei Pferden bespannt. Das Ganze muß sich auf dreißig Stück Geschütz belaufen haben. – Als die verschiedenen Corps vorüber marschirt waren, setzte sich General Paskewitsch in Bewegung gegen die Stadt, wo er von den Kanonen der Thürme und Bastionen mit einer doppelten Salve begrüßt wurde. Seine Division war von Eriwan dreizehn Tage marschirt, ohne zu rasten; die Entfernung beträgt 180 engl. Meilen. Bei Einbruch der Nacht waren die Thürme und der Giebel des alten Schlosses mit Fackeln erleuchtet.

Donnerstag den 1ten November. Der Cayim Mukum kam diesen Abend in dem Dorfe Kallamull, vier Meilen von der Stadt an. Es wurde ihm nicht erlaubt, dieselbe zu betreten, weil sein Ansehen bei den Einwohnern sehr groß ist und die Russen daher von seiner Gegenwart einen nachtheiligen Einfluß befürchteten. Man sagt, daß er zu Friedensunterhandlungen beauftragt sey.

Freitag den 2ten. Die russischen Kriegsgefangenen, meist Offiziere, die zu Maragha aufbewahrt wurden, sind frei gelassen und von den Einwohnern dieser Stadt zum Zeichen ihrer friedlichen Gesinnung an General Paskewitsch gesandt worden. Beinahe alle Districte der Provinz Aserbeidschan sind dem Beispiele von Tauris gefolgt. Die Einwohner von Khoi haben eine Deputation an General Paskewitsch gesandt, um zu bitten, daß keine Truppen gegen ihre Stadt marschiren möchten, da sie willig wären, dieselbe zu übergeben, wenn die Provinz unter russischer Herrschaft bliebe. Der District von Caradagd hat sich unterworfen und Mahommed Kuli Bey, der von dessen früheren Häuptlingen abstammt, ist zum Gouverneur ernannt worden. Die Schah-Sawaner und Schaggangrier sind größtentheils unter den Waffen gegen den Prinzen Deschehan Gir Khan; der erbliche Fürst des letzteren Namens hat sich offen mit den Russen vereinigt und ihre Oberherrschaft anerkannt. Es ist ein Sohn des berüchtigten Asad Khans, der dem gegenwärtigen Schah den Thron streitig machte. Die Einwohner von Maragha sind in ihrem Benehmen am gewaltthätigsten gewesen. Fath Ali Khan, ein älterer Bruder des Assuf, dessen Schwester die vornehmste Frau des Prinzen ist, war seit einigen Jahren ihr Gouverneur, und eine von Abbas Mirzas Töchtern, seine Schwester und die Frau von Mahommed Mirza suchten daher, als sie Tauris verlassen mußten, eine Zuflucht bei ihnen. Aber sie waren nicht lange in der Stadt, als der Pöbel in das Haus des Gouverneurs brach und dasselbe zu plündern anfing. Die jüngeren Söhne Achmed Khan’s, des früheren Häuptling’s von Maragha, werden als die Hauptanstifter dieser Unruhen angegeben; zum Glück nahm Dschaffer Kuli Khan, ein älterer Bruder, sich der Frauen an, die indessen – wie es heißt – alle ihre Juwelen und andere Kostbarkeiten verloren. Am nächsten Morgen führte er sie nach Miendah, einem zwanzig Meilen von der Stadt entfernten Ort; aber selbst bis dahin verfolgte sie die Wuth des

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 477. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_495.jpg&oldid=- (Version vom 26.6.2023)