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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 121. 30 April 1828.

Nubien.

[1]

Ansicht von Nubien. Die Barâbra. Der Nilfall von Uâdy-Halfa

Asuan, das alte Syene, am Fuß des ersten Nilfalls, ist Egyptens Grenzstadt gegen Nubien.

Hier nimmt die Landschaft einen ganz neuen eigenthümlichen Charakter an. Sie wird wild, unfruchtbar, gebirgig. Die Ansicht des Flusses ist imposant und phantastisch. Eine Menge Granitblöcke, schwarz und wie Metall glänzend, zwischen denen der Nil schäumend sich durchwindet, ragen aus dem hellen Wasserspiegel empor. Man sieht sich mitten unter jene gewaltigen Massen versetzt, aus welchen die alt-egyptische Kunst ihre Tempel und Obelisken, ihre Sarkophage und Pyramiden schuf.

Den Weg bis Asuan hatten wir auf dem Nil gemacht; von hier setzten wir die Reise auf Kameelen fort, weil wir Eile hatten, um den in Dongola vordringenden Ismaëel Pasche, dessen Expedition wir uns anschließen wollten, noch zu erreichen. Sonst hat die etwas langsamere Wasserfahrt in mancherlei Hinsicht entschiedene Vorzüge, wenn man die kleine Unterbrechung durch den Katarakt abrechnet, bei welchem man die Barken (die denselben hinunter übrigens ohne Gefahr paßiren) ausladen muß, damit sie leichter hinaufgezogen werden können.

Um nicht, dem mäandrischen Laufe des Flusses folgend, die Reise über Gebühr zu verlängern, schlugen wir den Weg durchs Gebirg ein. Im Hinaufsteigen nahmen wir mit einem Blicke links auf die herrlichen Denkmale der Insel Philä von Egypten Abschied. In einer Stunde waren wir oben, und nach dreistündiger Wanderung über den mit weißlichem zartkörnigem Sandstein bedeckten Bergrücken, dem die zerstreut umherliegenden sonnverbrannten Felsen ein vulkanisches Aussehen geben, standen wir auf der südlichen Abdachung der öden Höhen, von wo wir bald in das Thal hinabgelangten. Man darf sich aber nicht vorstellen, daß es nun den Nil entlang behaglich im Thal fortging. Denn da der Fluß an vielen Orten, selbst außer der Zeit der großen Ueberschwemmung, die ganze Niederung einnimmt, so war unsre Reise ein immerwährendes Bergauf- und Bergabsteigen, das die schwerbeladenen Kameele sehr ermüdete.

Nur ein schmaler Strich Landes an beiden Ufern des Nils ist urbar. Die Einwohner dieses Theils von Nubien sind so arm, daß sie es nicht verschmähen, auch ein Stück Feld von vier bis fünf Fuß im Quadrat, das mitten unter Felsen liegt, anzubauen. Das Hauptprodukt, das sie ihrem unergiebigen Boden abgewinnen, ist der Mais; doch pflanzen sie auch Hirse, Gerste, Taback, Baumwolle, Bohnen; aus den Samenkörnern des Wunderbaums (palma Christi) bereiten sie sich ein Oel; aus dem Holz der Akazie und des Maulbeerfeigenbaums machen sie sich große Flöße, auf welchen sie bisweilen ihre trefflichen Datteln, den einzigen Gegenstand, womit sie Handel treiben, bis nach Kairo verschiffen. Wie in Egypten bedienen sie sich zur Bewässerung ihrer Felder des Sakyehs [2], einer Maschine, deren Räder, aus so vielen Stücken sie auch bestehen, durch keine Nägel, sondern bloß durch lederne Riemen zusammen gehalten werden, ein Umstand, den die Seltenheit des Eisens begreiflich macht.

Die Lebensweise der Barâbra ist sehr einfach. Ihre Weiber nehmen Mais oder Hirse, zerreiben die Frucht in der Hand, und machen einen Teig daraus, den sie ungesäuert auf eine eiserne Platte legen und backen. Dieß ist ihr Brod, wozu sie gewöhnlich saure Milch, Datteln oder Bohnen essen. Sie halten Ochsen, Schafe und Ziegen, besonders letztere zahlreich, und auch Kameele; doch Fleisch genießen sie wenig; mit Kameelfleisch und fetten Heuschrecken, die sie im Feuer oder auf Kohlen braten, machen sie zuweilen eine Ausnahme. Tabak rauchen sie nicht, aber sie kauen Tabak, indem sie ihm einen Zusatz von Natrum geben, ein Stück Wolle oder Tuch darum wickeln und ihn so in den Mund stecken.

Eben so einfach ist die Tracht der Barâbra. Bei den Weibern besteht sie in leinenen Schürzen, welche auf beiden Seiten der Länge nach offen sind, nebst großen Beinkleidern von blauem oder weißem Zeug; oft hüllen sie das Gesicht noch in einen Mantel. Die Männer dagegen gehen den größten Theil des Jahrs nackt. Ihre Haare tragen sie kurz und gelockt oder geflochten, ölen sie

  1. Voyage à Méroé, au fleuve blanc, au-delà de Fâzoql dans le midi du royaume de Sennâr à Syouah et dans cinq autres Oasis fait dans les années 1819–1822 par Frédéric Cailliaud etc. Accompagné de cartes géographiques, de planches représentant les momumens, de ces contrées, avec des détails relatifs à l’état moderne et à l’histoire naturelle. Tomes IV. Paris 1824–1827.
  2. Dieß ist der Maßstab für die Besteuerung. Ein Sakyeh zahlt zwölf spanische Piaster.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 481. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_499.jpg&oldid=- (Version vom 7.7.2023)