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Das Ausland. 1,2.1828

Goldbänder warf er ihr in den Schooß,
     O bleibe etc.
Schön Jungfrau werde mein Ehgenoß,
     Da noch etc. [1]

Und was soll ich der Pflegmutter sagen,
Wenn sie mich sieht das Goldband tragen?

Sage, du warest am Meeresstrand,
Und fandest im Sande das güldne Band.

„Und was soll ich der Pflegmutter sagen,
Wenn sie sieht bleiche Wangen mich tragen?

„Sage, du warest am östlichen Meer –
Da kam dir vom Tode der Eltern die Mähr’.

Sprich, willst du dich nicht verloben mir?
Komm, setze dich nieder und rede mit mir!

„Vor dem Hahnenruf mich die Welt empfing,
Meine Mutter war todt, eh die Sonn’ aufging.

„Sie legten die Mutter in die Erd’ hinein,
Da läuteten sie für den Vater mein.

Sie legten den Vater in’s Grab hinein,
Da läuteten sie für den Bruder mein.

Sie legten den Bruder in die Erd’ hinein,
Da läuteten sie für die Schwester mein.

So sah ich sie alle verscheiden,
Die mich nähren konnten und kleiden.

Es blieb nur mein jüngester Bruder,
Er war mir statt Vater und Mutter.

Er brachte mich hin zur Pflegmutter hold,
Sie lehrte mich nähen und stricken mit Gold.

Das Nähen, das Sticken sie lehrte mich fein,
Doch Geschwätz nicht bringen in’s Haus hinein.

Sie lehrte mich decken die Tafel der Hoh’n,
Doch auf Schmeichelworte blicken mit Hohn.

„Hab Dank für die Rede, lieb Schwesterlein!
Ich bin, lieb Schwester, der Bruder dein.

Und hättest getrauet du meinem Wort,
Dann hätte sogleich dich mein Schwert durchbohrt.

Ein Diener bin ich in des Königs Saal,
     O bleibe mir treu! –

Der trefflichste Ritter er wird dein Gemahl.
     Da noch wächset die Lind auf der schönen Oi.




 16.
 Klein Käthchen.

Das kleine Käthchen diente
Wohl an des Königs Hof, :|:
und wie ein Stern so strahlte
Sie allen Dirnen vor.:|:

Und wie ein Stern so strahlte
Sie allen Dirnen vor :|:
Der junge König sagte
Der kleinen Käth’ in’s Ohr: :|:

„Und höre, kleines Käthchen,
Sprich, willst du werden mein ?  :|:
Grau Pferd mit goldenem Sattel
Es soll dein eigen seyn“  :|:

Grau Pferd mit goldnem Sattel
Das will mir gar nicht stehn,  :|:
Gib es der jungen Königin,
Laß mich in Ehren gehn.  :|:

„Und höre kleines Käthchen,
Sprich, willst du werden mein?  :|:
Die röthste goldne Krone
Sie soll dein eigen seyn.“  :|:

Die röthste goldne Krone
Die will mir gar nicht stehn  :|:
Gieb sie der jungen Königin,
Laß mich in Ehren gehn. :|:

„Und höre, kleines Käthchen,
Sprich, willst du werden mein? :|:
Mein Königreich zur Hälfte
Es soll dein eigen seyn.“ :|:

Dein Königreich zur Hälfte
Es will mir gar nicht stehn, :|:
Gieb es der jungen Königin,
Laß mich in Ehren gehn. :|:

„Und höre, kleines Kätchen,
Willst du nicht werden mein? :|:
So will ich lassen setzen dich
In die Nageltonn’ hinein.“ :|:

Und willst du lassen setzen mich
In die Nageltonn’ hinein, :|:
Es seh’n, daß ich unschuldig bin,
Dann Gottes Engelein.  :|:

Sie setzten’s kleine Käthchen
In die Nageltonn’ hinein, :|:
Und rund herum sie rollten
Des Königs Dienerlein. :|:

Da kamen her von Himmel
Der weißen Tauben zwei, :|:
Sie nahmen’s kleine Käthchen,
Da wurden’s ihrer drei.  :|:

(Fortsetzung folgt.)


Russische Industrie.

Bekanntlich fand die Kaiserin Katharina bei ihrer Reise in die Krym überall zu beiden Seiten des Weges blühende Dörfer und die Einwohner desselben festlich geschmückt, zu ihrem Empfange versammelt. Die Dörfer waren aber nur eine Art Theaterdecorationen und die Einwohner viele Meilen weit aus den umliegenden Provinzen herbeigetrieben. – Ein Seitenstück hiezu – freilich nur sehr im Kleinen – erzählt ein englischer Reisebeschreiber von einer der russischen Militär-Colonien. Als der Kaiser Alexander diese besuchte und in eine der Küchen trat, fand er eine Gans am Spieße, in der zweiten sah er dasselbe Mahl bereiten, und, um uns kurz zu faßen, in jeder Küche, die er betrat, wurde er unabänderlich einer gebratenen Gans ansichtig und er verließ die Colonie mit der Ueberzeugung, daß die Einwohner derselben vortrefflich genährt wären. Später kam es indessen an den Tag, daß er betrogen worden war; denn die Gänse, die er gesehen zu haben glaubte, waren eigentlich nur eine einzige, die von einer Küche zur andern getragen und, ehe er eintrat, an das Feuer gestellt worden war. Der Gouverneur hatte sich dieser List bedient, um ohne großen Kostenaufwand dem Kaiser eine gute Meinung von dem Zustand der Colonie beizubringen.

Travel in Russia etc. By W. Rae Wilson
London 1828. 8vo. V. II. p. 8.
  1. Der Refrain durch alle Strophen, wie bei den ersten.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 488. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_508.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2023)