Seite:Das Ausland (1828) 543.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 131. 10 Mai 1828.

Die Mosquitosküste.

[1]

Die Schweinsjagd. Die Aussicht auf zwei Meere. Die Valientes.

Schon im Jahr 1816 hatte sich Roberts auf einer Kauffahrteibrick, die er kommandirte, von Jamaika nach der Bay von Honduras eingeschifft, um mit den freien Stämmen daselbst Handel zu treiben. In Zeit von wenigen Wochen hatte er seine Ladung, die aus kupfernen und eisernen Töpfen, Beilen, Säbelklingen, gläsernen Halsbändern und Stahlarbeiten bestand, vortheilhaft abgesetzt und als Rückfracht Schildkrötenschalen, Sarsaparille und andere Landeserzeugnisse eingenommen. Der glückliche Versuch bestimmte ihn, zurückzukehren: er ließ sich unter diesen Völkerschaften nieder und brachte sieben Jahre in ihrer Mitte zu, eine Zeit, die er nicht nur zur Betreibung seiner Handelsunternehmungen, sondern auch zur Sammlung vieler interessanten Notizen auf’s Zweckmäßigste benützte. Roberts gehört zu jener seltenen Classe von Reisenden, die bei ihrer Liebhaberei für die Rastlosigkeit eines gefahrvollen abentheuerlichen Lebens zugleich die Mühe nicht scheuen, von Zeit zu Zeit mit der Feder in der Hand einen ruhigen Blick auf das Merkwürdige, welches sie erlebt haben, zurückzuwerfen.

Indianer und Mestitzen – letztere eine Mischung von Eingebornen und Negern, die man im Allgemeinen unter dem Namen Sambos begreift, bilden die Bevölkerung der Ostküste Mittelamerikas. Es ist ein biederer Schlag Menschen, von denen der Reisende manche gute Eigenschaften zu rühmen weiß. Um den Grad des Zutrauens, das er in sie setzte, zu würdigen, darf man weiter nichts anführen, als daß er sich zu einem ihrer Stämme, der in einiger Entfernung von der Küste wohnt, krank und allein begab, und daselbst geraume Zeit bis zu seiner völligen Genesung verweilte. Er wählte zu seinem Aufenthaltsort die gesunde Gegend an den Ufern des Chrico-Mola im Gebiet der Valientes. Ob er nun gleich zunächst mit der Sorge für seine körperliche Wiederherstellung sich beschäftigte, so konnte er doch seinen Handel nebenbei fortsetzen, da die Indianer ihn in seiner Hütte aufsuchten, um ihre Sarsaparille gegen seine jamaikanischen Artikel auszutauschen, so daß er sich in weniger als sechs Wochen im Besitz von 5000 Pfund dieser kostbaren Waare befand. Die Natur bot ihm hier die herrlichsten Lebensgenüsse dar: jeden Tag badete er sich in dem kristallhellen Fluß oder wanderte er durch die mächtigen mit Wildpret reich versehenen Wälder nach den Bergen, wo seine kranke Brust die reinste Luft athmete und sein Geist an den großartigen Scenen der romantischen Einsamkeit sich erquickte.

Als ich eines Abends, erzählt Roberts, von einem meiner Ausflüge zurückkehrte, sagte mir der Häuptling des Stammes, Jasper Hall (ein Name, den ihm die englischen Kaufleute geschöpft hatten), die Weiber hätten im Gehölz die Fährte von einem außerordentlichen Thier gesehen, über das ihnen kein Jäger Auskunft zu geben vermöge; sie meinen deswegen, es müsse wohl der Teufel selbst gewesen seyn. Die Sache erregte meine Neugierde: vielleicht, dachte ich, ist das angebliche Ungeheuer ein in Europa noch nicht bekanntes Thier. Da ich mir gerne Gewißheit verschafft hätte, so veranlaßte ich den Häuptling, mit mir eine Jagdpartie zu machen. Wir brachen mit Tagesanbruch in Gesellschaft von noch drei andern Waidmännern auf, wohl bewaffnet und mit Lebensmitteln versehen, um nöthigen Falls im Walde übernachten zu können. Drei Weiber, welchen wir die Entdeckung verdankten, zeigten uns den Weg. Nach einer Wanderung von vier Stunden durch eine Gegend, die ich noch nie gesehen hatte, stiegen wir eine Schlucht hinab; auf der andern Seite ging es eine halbe Stunde weit den Berg hinauf. Wir waren an Ort und Stelle. Der alte Jasper, der etwas voraus war, rief mir lachend entgegen: Holla ho! Roberts, da ist ja die Fährte des Teufels. Und was sah ich? den Abdruck von meinen eignen mit Eisen beschlagenen Stiefeln, die ich auf der Jagd gewöhnlich trug. Ich erinnerte mich jetzt auch, daß ich oft, nur auf einem andern Weg, hier gewesen war. So war ich also der Jäger, der seine eigene Fährte verfolgte. Statt indessen durch dieses unerwartete lächerliche Resultat verdrießlich zu werden, entschlossen wir uns, nun erst auf wirkliches Wild Jagd zu machen. Wir hatten nehmlich in der Erwartung, plötzlich auf unser Ungeheuer zu stoßen, noch keinen Schuß gethan, so oft wir auch dazu Gelegenheit gehabt hätten.

Da die Jagd etliche Tage dauern sollte, so wurden in der Geschwindigkeit Hütten aufgeschlagen, indem man nichts als Pfähle brauchte, woraus man ein Gestell machte, kleine Aeste, die man darüber legte, und Palmblätter, womit man das Ganze bedeckte. Während die Weiber die Hütten vollends in Stand setzten und Maniok und Wegerich, eine hier zu Lande gewöhnliche Nahrung, die


  1. Narrative of voyages and excursions on the East Coast and in the Interior of Central-America etc. by Orlando W. Roberts. Edinburgh 1827.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 521. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_543.jpg&oldid=- (Version vom 16.5.2023)