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Das Ausland. 1,2.1828

uns statt Brod und Käse dienen mußte, herbeischafften, gingen wir Männer auf wilde Schweine aus. Es stand nicht lange an, so stießen wir auf ein Rudel – es mögen wohl an die hundert Stück gewesen seyn – zwanzig davon wurden erlegt. Auf das Fallen der Schüsse liefen die Weiber herbei, und gleich waren alle Hände geschäftig, die Thiere, nachdem man ihnen erst die Rückendrüse weggeschnitten hatte, in Viertel zu zertheilen und zu räuchern. Die Zubereitung geschah auf folgende Weise. Man machte aus Holz einen Rost, belegte ihn kreuz und quer mit kleinen Zweigen, und setzte die Schweinsviertel darauf; sodann bedeckte man das Ganze mit Laub und zündete ein Feuer darunter an. Durch dieses Verfahren wurde das Fleisch geräuchert und halbgebraten zugleich, und ließ sich nun mehrere Wochen aufbewahren.

Das wilde Schwein Guatemala’s (Peccary) hat kurze, gerade und spitze Ohren, kleine tiefliegende Augen und einen dicken und kurzen Hals. Seine Borsten gleichen denen seines europäischen Verwandten, nur daß sie auf dem Rücken und am Hals länger sind; seine Farbe ist ein dunkles Grau mit schwarzen Flecken; um den Hals ist es etwas mehr hellgrau gestreift; einen Schwanz hat es nicht; sein Fleisch schmeckt köstlich, vorausgesetzt, daß man die Rückendrüse, die eine stinkende Flüssigkeit enthält, unmittelbar nach dem Tode des Thiers weggeschnitten hat. Seine Nahrung besteht in Wurzeln, Saamenkörnern und Waldfrüchten; es richtet aber auch in den Maniok- und Wegerichfeldern der Indianer große Verheerungen an. Seine Hauer, obgleich nicht sehr vorspringend, sind nichts desto weniger gefährlich, und dem Jäger bleibt, um sich zu retten, oft nichts übrig, als daß er auf einen Baum klettert.

Im weitern Verfolg der Jagd, führt Roberts fort, kamen wir auf einen erhab’nen Punkt, wo mich die Aussicht auf beide Meere für die Mühe des Hinaufsteigens reichlich entschädigte. Fünfhundert Toisen vom Gipfel senkt sich das Gebirg plötzlich und jäh gegen den stillen Ozean hinab; weniger steil war es auf der entgegengesetzten Seite, auf welcher wir es erstiegen hatten. Gegen Südwesten, in der Richtung von Chagres und Panama, erhoben sich noch mächtigere Massen, und im Nordwesten, so weit das Auge reichte, erschien eine lange Bergkette, wovon in verschiedenen Zwischenräumen hohe Felsen-Piks, ganz mit der vulkanischen Kegelform, ausgingen. Im Osten erkannte ich deutlich die Inseln der Bay Boco del Toro und die Lagunen von Chiriqui, und wenn auf den Karten die Lagen richtig angegeben wären, so hätte ich im Westen Quibo und mehrere Inseln des stillen Ozeans sehen müssen. Die ungeheuren Waldungen mit Bäumen von der höchsten Höhe, welche alle Berge bis zu ihren Gipfeln bekränzen, gestatteten mir zwar keine vollkommene Vorstellung vom Lauf der Flüsse, ich genoß aber demungeachtet das großartigste Schauspiel: die ganze Landschaft breitete sich vor mir aus wie ein unermeßliches Gemälde, worauf alle Fülle und Herrlichkeit der Welt nach dem großen Maßstabe der Natur selbst, im bunten Wechsel der Wälder, der Berge und der Gewässer dargestellt war. –

Die Valientes sind nicht nur, wie schon ihr Name andeutet, unter allen Stämmen, welche die Terra firma bewohnen, die tapfersten, sondern auch die gebildetsten Indianer. Merkwürdig ist, daß die Duelle unter ihnen sehr häufig geworden sind; vielleicht, daß sie diesem Umstand zum Theil den Ruf der Tapferkeit und Ehrenhaftigkeit verdanken. Glaubt sich ein Valiente von einem seines Stammes beleidigt, so schleift er seine Klinge und begibt sich, begleitet von einem Freund, nach der Wohnung seines Gegners, um diesen zu fordern. Gewöhnlich wird dann die Sache gleich abgethan. Der Zweikampf geht in aller Form vor sich, und endet nie, ohne daß einer von den beiden Kämpfern auf dem Platz bleibt oder so zusammengehauen ist, daß nicht mehr fortgemacht werden kann. Oft bleiben beide. Die Valientes bedienen sich der Klinge mit vieler Geschicklichkeit zu Schutz und Trutz, und selten begegnet man einem, den nicht ehrenvolle Narben zieren. Bestimmt der Geforderte den Kampf auf ein ander Mal, so suchen die Secundanten eine gütliche Ausgleichung herbeizuführen, die meist gelingt. Mich selbst hatte einer dieser Raufdegen eines Tags gefordert; ich war bereit, auf der Stelle mich zu schlagen, aber mit Feuerwaffen statt des Hiebers; davon wollte jedoch der Gentleman nichts wissen: „Englische Mode! Schlechte Mode!“ sagte er. Freunde traten in’s Mittel und es wurde kein Blut vergossen. Im Grund hatte jener nicht so unrecht gehabt: ich wäre ihm gegenüber sehr im Vortheil gewesen, denn so gute Bogenschützen oder Lanzenreiter die Valientes sind, so wenig verstehen sie mit Feuerwaffen umzugehen.

Die Religionsbegriffe dieser Völker sind einfach und beschränkt: bei einem außerordentlichen Ereigniß begnügen sie sich zu sagen: „das ist ein Werk Gottes,“ ohne weiter sich den Kopf zu zerbrechen. Ich wollte einmal oberhalb der großen Wasserfälle des Chrico-Mola über diesen Fluß setzen. Die Indianer, die mich überführten, waren so unvorsichtig, das Kanoe ganz in die Nähe des furchtbaren Katarakts treiben zu lassen, so daß sie mit ihren Rudern dem Zug der Strömung nicht mehr widerstehen konnten. Da warfen sie sich sämmtlich in’s Wasser und retteten sich durch Schwimmen, mich aber überließen sie meinem Schicksal. Nicht besonnen genug, denselben Entschluß zu fassen, wußte ich mir nicht besser zu helfen, als daß ich mich eben an das Kanoe fest anklammerte. So gings denn auch glücklich den Abgrund hinab. Als ich wieder zum Bewußtseyn kam, war das Fahrzeug an den Felsen zerschmettert und ich befand mich mit halbem Leib im Wasser bei einer kleinen Insel am Fuß des Katarakts, die Zweige eines überhangenden Baumes festhaltend. Indianer vom andern Ufer des Flusses, die nicht Zeugen meines Abentheuers gewesen waren, kamen mir zu Hülfe und brachten mich in meine Hütte, wo ich zerstoßen und zerquetscht mich zur Ruhe niederlegte. Die Indianer meines Kanoes hatten bei ihrer Rückkehr in das Dorf schon die Nachricht von meinem Tod verbreitet und zeigten zum Beweis der Wahrheit ihrer Erzählung einige Bruchstücke von unserer Ladung, die sie aus dem Wasser gezogen hatten. Kaum war ich eine Stunde zu Haus, als der alte Jasper und einige andere Häuptlinge daher kamen.

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 522. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_544.jpg&oldid=- (Version vom 16.5.2023)