Seite:Das Ausland (1828) 558.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

das Vaterland, die gewaltigen, das Innerste aufregenden Stürme waren nöthig, um, allen Hindernissen zum Trotz, den entwürdigten Charakter der Nation wieder zu erheben, und jener geschmeidigen Gewandtheit des Geistes wieder die Richtung aufs Große und Edle zu geben.

Terapia liegt in der Mitte einer halbcirkelförmigen Bay. Die Häuser erheben sich übereinander, gleich den Bänken eines Amphitheaters. Die malerischen Gärten auf den schönen, mit Pappeln oder Pinien gekrönten Hügeln, bilden einen grünen Wall um die Wohnungen und vollenden das Ländliche dieses Dorfs, wo es weder Straßen, noch öffentliche Plätze oder Spaziergänge gibt. Die Häuser sind klein, nur von Holz gebaut. Ihr trübes Roth erinnert den Fremden, der von dem weißen Serail des Sultans und von dem blendenden Palaste von Fondukli kommt, daß hier die verachteten Kasten der Griechen und Armenier wohnen. Der Kai ist einfach; da und dort erblickt man einen alten Palmbaum, einen Hangar (Schoppen) für die Bostandschis, oder ein kleines Minaret. Etwas weiter hinauf, gegen das schwarze Meer zu, liegt Bujukdere, oder die große Ebene. Herrlich ist der längs des Meeres dahin führende Weg. Bei jedem Schritte tritt dem Reisenden der bunteste Wechsel von Neuem und Altem, Türkisches und Byzantinisches, Christliches und Mahommedanisches, entgegen. Man hat gesagt, die Türken stehen in Europa nur im Feldlager; ihre Herrschaft sey kein Frieden, sondern blos ein Waffenstillstand; auf dieser Strecke aber findet dieses Bild keine Anwendung: der alte Eigenthümer scheint der Neuangekommene, während der Usurpator von jeher im Besitze des Bodens scheint. Erblickt man in Constantinopel ein steinernes Gebäude, so darf man immer voraussetzen, daß es einem Franken gehört; hier hingegen sind die festeren Wohnungen alle türkisch. Ein Minaret, das seine schlanke, schimmernde Spitze aus der Mitte eines dunkelgrünen Gehölzes hebt, die Batterien, Tott’s, eine reich geschmückte Fontaine, ausgedehnte Casernen, Alles verkündet eine alte bleibende Niederlassung.

Bujukdere, der Rückzugsort der europäischen Gesandten, schön und wollüstig, gleich den Ufern von Bajä unter dem Himmel von Neapel, ist ein kleines Dorf, oder vielmehr eine lange Reihe von Häusern in Einer Linie. Hier ist es, wo die Diplomatie ihre Etikette ablegt, ihre Orden, ihre Uniformen, wo sie ihre müden Glieder ausstreckt, und in sicherer Sorglosigkeit die Wollust der Ruhe schlürft. Jeder Palast repräsentirt eine Nation; man geht von dem großen und kleinen Spanien (Neapel) zu dem Internuncius von Wien, nun dem einzigen Repräsentanten des einst so mächtigen Bailo von Venedig; von dort zu dem Selbstherrscher oder Padischah aller Reußen etc. etc. Ein einziger Name fehlt – der englische, sey es nun, weil der ungeheure Palast oder die halb bewohnte Citadelle der brittischen Gesandtschaft in Pera als eine hinreichende Aufwiegung der bescheidenen Wohnungen in Bujukdere erscheint, sey es, weil die Engländer eine zu innige Freundschaft für die Pforte hegen, um sich so weit von ihr entfernen zu können – ich habe weder Zeit noch Geduld, so zarte Fragen zu ergründen – genug, die brittische Gesandtschaft hält sich in stolzer Entfernung von allen andern Mächten, und bleibt den ganzen Sommer in Constantinopel, als wollte sie eine zu unmittelbare Berührung mit den andern vermeiden oder ganz ungestört ihre Maulwurfshaufen diplomatischer Verhandlungen aufwerfen. Weniger isolirt ist der französische Botschafter; doch nimmt auch er nicht ganz Theil an der Gemeinschaft der übrigen. Sein Palast, so weiß und glänzend wie nur irgend einer seiner türkischen Nachbarn, liegt auf halbem Wege zwischen Terapia und Bujukdere. Eine kleine Zahl griechischer Wohnungen ist umher gelagert, wie aus Instinct hier Schutz suchend.

(Fortsetzung folgt.)


Die Mosquitosküste.

(Schluß.)
Die brittische Niederlassung. Der König der Sambos. Indianisches Gelag. Der alte Häuptling.

Noch vor wenigen Jahren bestand auf der Mosquitosküste eine Niederlassung, welche von der brittischen Regierung seitdem aufgegeben worden ist. Als der Oberbeamte derselben abberufen wurde, verließ er nur mit großem Bedauern eine Kolonie, die schon in ihrer Kindheit kostbare Vortheile versprach. Außer Bluefields gibt es davon noch ein paar Ueberbleibsel, Kirkarille und Rigmansbank, an den Ufern des Lagoon, vornehmlich aber Englishbank, sechs Meilen südlich vom Eingang der Lagunen, den Ufern des Lagoon gegenüber. Creolen, Mulatten und Sambos aus Jamaika, Saint-Andrè und andern Inseln, welche hier meist Indianerinnen geheirathet haben, bilden den Grundstock der Bevölkerung. Englishbank zählt 150 bis 200 Einwohner. Der Ort nimmt sich sehr artig aus. Die Häuser sind zwar blos einstöckig und haben ganz einfache Bretter- oder Lehmwände; aber die Palmblätter, womit sie bedeckt sind, geben ihnen ein frisches lebendiges Colorit. Die Kaufleute aus Jamaika besitzen in Englishbank zwei, die aus den Vereinigten Staaten ein Waarenniederlager; ihre Geschäftsführer haben hier ihren bleibenden Aufenthalt. Die verschiedenen Indianerstämme und Mosquitos bringen ihnen Schildkrötenschalen, Kopalharz, Kaschubisam, Häute, Kähne, Ruder und andre Artikel, die sie gegen Segeltücher, Beile, Reitzeuge, Klingen etc. vertauschen. Die Kolonisten von Englishbank leben mit den Eingebornen in den freundschaftlichsten Verhältnissen; ihr Betragen gegen Europäer und gegen Fremde überhaupt ist sehr gastfrey; im Handel und Wandel gilt der Grundsatz der Ehrlichkeit. Von einer religiösen Bildung findet man indessen fast keine Spur. Gewiß müßte ein Misionär trotz des Widerstandes, den er etwa von den hier handeltreibenden Kaufleuten zu befürchten hätte, viel Gutes wirken können, in jedem Fall mehr als auf Barbados, in Demerary und andern civilisirtern Kolonien.

Während meines ganzen Aufenthaltes in diesem Lande sah ich nie, daß bei einer Heirath irgend eine kirchliche Ceremonie Statt gefunden hätte. Die ehliche Verbindung ist ein stillschweigender Contract, der manchmal,

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 534. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_558.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2023)