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Das Ausland. 1,2.1828

zahlreiche Detaschemens zu schwächen; sie würde ihn hindern längs des Meeres seine Operationslinien anzulegen, sich Warna zu nähern, und die Position von Schumla von ihrer linken Seite zu umgehen.

Würden diese Schwierigkeiten alle überwunden, und fänden sich in der Moldau und Wallachei hinlängliche Unterhalts- und Transportmittel, so würden die Russen den Balkan in der Richtung von Tirnova übersteigen, und in das Thal des Hebros hinabsteigen. Nun würde die englische Escadre, vor Constantinopel vereinigt, durch ihre Gegenwart den Muth der Muselmänner verdoppeln; sie würde die Ueberfahrt der aus Asien anlangenden Verstärkungen sichern, und so in gewisser Art die von Xerxes geschlagene Brücke wieder herstellen. Die englischen Offiziere würden Redouten erbauen, die Vorstädte Pera, St. Dimitri und Galata decken, und sich auf der einen Seite an den Bosporos, auf der andern an den Hafen stützen. Sich an das erinnernd, was in Portugal geschehen war, wird einer der brittischen Generale Mittel finden, Linien zu errichten, gleich denen die den französischen Waffen vor Torres Vedras Schranken setzten. Wollte er sie nicht bis zu den Trümmern der berühmten Mauer des Athanasius fortführen, so könnte er sie an der nähern und engern Position hinter dem Flusse Kar-Su anlegen, zur Linken sich stützend auf den Golf von Bujuk Tehemedsche, und zur rechten auf Flemo-Tepe. Im J. 1807 hatten die Türken in wenigen Tagen gegen zwölfhundert Feuerschlünde in Batterien aufgestellt, und der Einfluß der Engländer so wie die Hülfe ihrer Eskadre würde ohne Zweifel auch jetzt dasselbe bewirken, was damals die Thätigkeit, die Energie und Kühnheit unsers Botschafters, des Generals Sebastiani, bewirkten. Was könnten die Russen unternehmen? Würden sie in das ungebaute öde Land vorrücken, das sich von Adrianopel bis zur Hauptstadt des Reiches ausdehnt? Wovon wollten sie leben? Wo ihre Operationslinien anlegen? Wollten sie wagen, die Redouten zu stürmen, die von europäischen Canonieren vertheidigt wären, und hinter denen hunderttausend Osmanlis unter den Waffen ständen? Wie wollten sie eindringen, wie sich halten in Constantinopel, das unter dem Feuer der englischen Bombarden bald nichts mehr als ein Aschenhaufe seyn würde?

Es gibt jedoch noch einen andern Angriffspunkt, der vielleicht gefährlicher für die Türken wäre. Warum sollten die Russen nicht ihre drohende Stellung zwischen dem schwarzen und dem kaspischen Meere benützen, und von dort aus vorrücken, um Constantinopel von Asien her zu nehmen? Wer könnte eine europäische Armee aufhalten, die zwischen dem Cyrus und dem obern Araxes vereinigt wäre? Würde ihr Marsch über Arzerum nicht alle Kräfte der Paschaliks paralysiren? Ohne Zweifel fände man Hindernisse zu bekämpfen, Schwierigkeiten zu überwinden [1]; aber dennoch würde man zum Ziele gelangen: die Besetzung von Nicäa, Nicomedien, Scutari würde der Besetzung der Hauptstadt des Reichs vorangehen, und dem Tataren, der den schönsten Theil Europas unterdrückte, wäre der Rückweg in das Land, das seine Wiege war, verschlossen.

(Schluß folgt.)


Peter der Große.

Der Czar Peter war eifersüchtig bis zur Wuth. Eines Tages zerbrach er in einem seiner Anfälle einen schönen Spiegel von Murano, indem er zu seiner Gemahlin sagte: „Du siehst, es bedarf nur eines Schlages von meinem Arm und dieß Glas kehrt zurück in den Staub, aus dem es geworden ist!“ Catharina antwortete mit ihrer natürlichen Sanftmuth und Güte: „Du hast den schönsten Schmuck deines Palastes zerstört, glaubst du, daß du ihn dadurch glänzender gemacht hast?“

London Weekly Review.



Chinesische Sittensprüche.

nach Kwan-fu-tse von Morrison.

Ehre Himmel und Erde, befolge die Bräuche den Göttern;
Ehre die Ahnen, sey pflichtmäßig gehorsam den Eltern!

Halte des Königs Gesetz, hochachte die Lehrer und Obern;
Liebe die Brüder, treu und ergeben bleibe den Freunden!

Freundlich sey den Verwandten und einig stets mit den Nachbarn;
Mann und Weib gedenke der Pflicht und lehre die Kinder!

Thue, was gut für Andre, vermehre die Thaten der Güte;
Hilf den Bedrängten, zeige dich mild den Armen und Waisen!

Baue Tempel, schreib erbauliche, sittliche Bücher;
Gib Medicin und Thee, vermeide Thiere zu tödten!

Gute Werke beförd’re, die Ungelehrten belehre;
Brauche gerechtes Maaß und Gewicht, versöhne die Feinde!

Nähere dich den Guten, doch halte dich fern von den Schlechten;
Hehle der Menschen Laster und mach’ ihre Tugenden ruchtbar!

Baue Brücken und Wege, Getraide halte zu Rathe;
Sey im Ueberfluß mäßig, vermittle die Zwiste von Andern!

Wende zum Rechten den Geist, erneue dich, bessernd die Fehler;
Stets sey güthig und mild, entferne schlechte Gedanken!

Sey aufrichtig im Guten und ehrbar übe die Tugend;
Sehn auch Menschen es nicht, was du thust, doch sehn es die Götter.




Theater der Burmanen.

Bei den Burmanen, wie in Indien und China, ist eine der Lieblingsvergnügungen das Theater. Die Personen ihrer Stücke sind nicht zahlreich; in den meisten findet man einen Fürsten, seinen Vertrauten, einen oder ein paar Narren und eine Anzahl weiblicher Rollen, die durch verkleidete Jünglinge gespielt werden. Auf das Schauspiel folgen Tänze, die aus den wollüstigsten Bewegungen bestehen und von jungen Weibern oder Mädchen getanzt werden.

Two Years in Ava, London 1827. 8.



  1. Eine Ausschiffung an der Mündung von Sakaria oder beim Cap Kerempe würde denselben Zweck erreichen; aber um sie zu versuchen, müßte man ohne Widerrede Herr des Bosporos in der Meerenge von Taman seyn
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 552. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_576.jpg&oldid=- (Version vom 20.9.2023)