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Das Ausland. 1,2.1828

dann und wann der Mannszucht Eintrag?“ „Nein,“ erwiederte er, „die Grenzlinie kennt man schon, und wo diese überschritten wird, setzt es scharfe Strafe ab. Das Recht, unsre Obern anzureden, ist unser Stolz, und jeder Araber, der, in Folge eines davon gemachten Mißbrauches, darauf verzichten müßte, würde die Schmach tief fühlen.“

Jetzt öffnete sich die Thüre der Cajüte und der Imam, der sich mit dem Gesandten dahin zurückgezogen hatte, trat heraus. Er blieb stehen; die Capitäne aber, die eben von Boßora zurückgekehrt waren, traten der Reihe nach, wie es ihr Rang mit sich brachte, unter tiefen Verbeugungen auf ihn zu, faßten die Hand, die er ihnen entgegen streckte, in ihre beiden Hände, drückten sie fest, hoben hierauf ihre Rechte zur Begrüßung zum Kopf empor, legten sie auf die Brust und begaben sich in dieser Stellung nach ihren Plätzen zurück. Nach Beendigung der Ceremonie setzte sich der Imam, und hieß uns und seine Oberofficiere das Gleiche thun.

Wir hatten für eine Mahlzeit gesorgt, woran die sämmtliche Gesellschaft Theil nahm. Als wir uns entfernten, waren wir sehr überrascht, einige fürstliche Frauen und darunter die Favoritin zu sehen, die unverschleiert uns mit großer Neugierde betrachteten. Sie schienen sehr vergnügt; wahrscheinlich, fanden sie sich durch die Artigkeit des Gesandten, der die Söhne des Imams, ein paar schöne Knaben, beschenkt hatte, geschmeichelt.

Ich habe Muskat zu allen Jahreszeiten besucht; jetzt war es Winter und ich fand das Klima angenehm. Im Sommer dagegen ist die Hitze unerträglich. Denn da die Anhöhen hinter der Stadt jeden Windhauch abwehren, der nicht gerade von der Seeseite in die schmale Oeffnung der Bucht weht, so spürt man kein Lüftchen; die Sonnenstrahlen aber, die von den kahlen Felsenwänden oder den weißen Mauern der über der Stadt und dem Hafen [WS 1] hängenden Festungswerke zurückprallen, erzeugen eine Temperatur, welche, nach der Beschreibung eines persischen Dichters, dem sterbenden Sünder einen lebhaften Vorschmack seines künftigen Looses gibt.

Unter den ersten, die an Bord kamen, befand sich mein alter Freund Mahommed Gholum. Als guten Seemann hatte ich ihn im Jahr 1800 kennen gelernt, wo er uns als Pilot von Muskat nach Ormus geleitete. Er war jetzt zum Piloten des Staats vorgerückt, und einer der ersten Minister des jungen Imams, über dessen Charakter er mit der höchsten Bewunderung sich äußerte. „Sein Vater, sagte er, war ein tapferer Mann; er fiel in einer Schlacht. Und wenn sein Sohn so fortfährt, sich überall auszusetzen, so erwartet auch ihn ein früher Tod. Syd Sayd wird bedauern, daß er gerade jetzt auf einer Expedition abwesend seyn muß, und also den Gesandten nicht sehen kann, der noch von seinen Knabenjahren her in gutem Andenken bei ihm steht. Das Modell zu einem Linienschiff von 74 Kanonen, welches er damals von ihm erhielt, bewahrt er noch sorgfältig auf.“ Mahommed Gholum, unverändert durch das Glück, hatte noch ganz das freie und männliche Wesen des arabischen Seemanns an sich. Wir unterhielten einander mit manchen alten Geschichten, wobei wir oft herzlich lachen mußten.

Bald besuchten uns Leute von allen Nationen und Farben. Etwas besonders anziehendes für mich hatte die Erscheinung einiger Araber aus dem Innern des Landes: diese leichten und herrlich geformten Gestalten, dieser Ausdruck von Kraft in Miene, Gebehrden, kurz in allen Bewegungen, diese schwarzen rollenden Augen, die mit der Geschwindigkeit des Blitzes über die Gegenstände hinleuchteten. Ein gutes Telescop war zufällig so gestellt, daß man die fernsten Festungswerke deutlich sehen konnte. Ich ließ einen Araber durchsehen, aber kaum stand er eine Weile davor, als er, ohne ein Wort zu sprechen, mit einem Blick des Staunens auf mich, die Schiffsleiter hinunter eilte: „Ihr seyd Zauberer, rief er aus seinem Boot herauf, jetzt weiß ich, wie ihr Städte erobert; das Ding (er zeigte auf den Teleskopen) bringt sie euch herbei, wenn sie noch so fern sind.“ Es war auch wirklich nicht möglich, ihn zur Rückkehr zu bringen, daß wir ihn hätten über die Wirkungen der Optik belehren können.

(Fortsetzung folgt.)


Chinesische Heirathsgebräuche.


(Schluß.)

Bei den Chinesen wird den Tag vor der Hochzeit dem Bräutigam mit vielen Förmlichkeiten eine schön geschmückte Mütze aufgesetzt und ein anderer Name gegeben, der Tsze heißt, ein Ausdruck, dessen Bedeutung das dafür gebrauchte Schriftzeichen, (eine Kopfbedeckung, die einem Kinde aufgesetzt ist,) bezeichnet.

An dem Vermählungstage senden Verwandte und Freunde ihre Glückwünsche und Geschenke, wie Schreibtäfelchen, Gänse (das Symbol der Treue)[1], Wein etc. in das Haus des Bräutigams; sie stecken Blumen in sein Haar und zieren ihn mit Scharlach, zum Zeichen der Freude. Die Verwandten und Freunde der Braut senden ihr Nadeln, Bracelets, Gewänder, Schönheitswasser, Schminke etc. Alle ihre jungen Freundinnen kommen und weinen mit ihr den Tag und die Nacht hindurch, bis sie in die bunt verzierte Sänfte tritt, welche die Freunde des Bräutigams ihr zusenden. Diese bilden eine Procession mit Laternen und Musik, ferner einem Pavillon, dem Bilde einer Gans in Holz oder Zinn und anderem Gepränge. Der Bräutigam und seine jugendlichen Freunde begleiten die Procession und bringen die Braut nach Hause. So wie sie an dem Thor ankommt, spielt die Musik auf, und die Kie-po, oder Paranymphen, nehmen die Braut bei den Schultern und tragen sie über den „Tisch des Feuers,“ der innerhalb der Thür steht, in die „Brautkammer.“ Darauf begleitet die Braut die Kie-po, welche Aremnüsse tragen, in den Saal; sie bittet die Gäste

  1. Von uralten Zeiten her werden die Gänse in China als ein Symbol der ehelichen Treue angesehen; so lesen wir im Schi-king, einem chinesischen Classiker: „Die wilden Gänse schnattern zur Antwort; der Tag bricht an und der Morgen beginnt: der Bräutigam ist gegangen, sein Weib heimzuführen, ehe der nahende Frühling das Eis geschmolzen hat.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Häfen

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 590. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_616.jpg&oldid=- (Version vom 25.5.2023)