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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 151. 30 May 1828.

Die Moldau und Wallachei.



(Fortsetzung.)

Die Wichtigkeit der Moldau und Wallachei beruht hauptsächlich auf ihrer geographischen Lage mitten unter den sich hier berührenden großen Militärmächten. Durch die Karpathen stoßen sie an die österreichischen Provinzen Galizien, Siebenbürgen und das Banat; von Rußland sind sie durch den Pruth getrennt und von der Bulgarei durch die Donau. Sie bilden den wichtigsten Theil der Nordgrenzen der Türkei. In Vergleich mit den Besitzungen des Sultans, der Herr von Klein-Asien ist, und des Czars, dessen Scepter von der Donau bis zum Nordpol reicht, bilden jene beiden Fürstenthümer freilich nur ein unbedeutendes Stück Landes, da ihre Ausdehnung nur 350 Meilen von Norden gegen Süden und 160 Meilen von Osten gegen Westen beträgt; aber dieser schmale Raum ist übersäet mit russischen und türkischen Leichen.

Ein großer Theil des Gebiets ist beinahe verlassen; der Boden sumpfig, die Luft ungesund. Die Einwohner führen ein elendes trauriges Leben. Die Ueberzeugung, daß ihr Land der Hauptschauplatz aller Türkenkriege seyn müsse, lähmt jede Anstrengung, dem ungesunden Clima entgegen zu wirken. Wenn ein russisches Heer die Länder verschont, so verheert sie ein Pascha, und in diesem Augenblick stellen sie das furchtbare Bild aller Uebel dar, welche die Tyrannei im Frieden und die Verwüstungen des Kriegs nur irgend zusammenhäufen können. Diese doppelte Geisel lastet indessen vorzüglich nur auf der Ebene, und erstreckt sich weniger auf das an die Karpathen angrenzende Gebiet. Die dortigen Thäler und Gebirgshöhen bilden die mahlerischten Landschaften. Die letztern sind nicht so hoch, um unfruchtbar zu seyn, nicht so niedrig, um nicht das Auge des Reisenden auf sich zu ziehen, und bieten ihm bewundernswürdige Aussichten dar. Zu ihren Füßen ziehen sich in langer Kette romantische Landschaften hin, blühend in aller Ueppigkeit der Vegetation des Südens, und fruchtbar an Korn und allen Ackerbauproducten des Nordens: frische Thäler, zahlreiche Flüßchen und Bäche, lachende Weinberge, blumenreiche Wiesen bilden die Scene. Je mehr sich aber der Reisende den Schluchten und Gebirgspässen nähert, entfaltet sich das Bild der Alpen vor ihm: hier das Rauschen der Bergströme; Defileen, in die kein Strahl der Sonne dringt; höher hinauf Felsengipfel, deren Spitzen und Zacken, bald grün, bald, durch die Sonne getroffen, in den Farben des Regenbogens bunt hervorblicken durch den dunstigen Schleier, mit dem die hochaufschäumenden Wasserfälle sie umhüllen – überall tritt dem Wanderer die wilde Pracht der schönsten Schweizerlandschaften entgegen.

Der Paß über diese Gebirge ist berüchtigt durch die Gefahren, die er darbietet. Schwer zugänglich schon im Sommer, ist er völlig unwegsam im Winter. Der Schnee häuft sich darin an; Felsenstücke, von den Regenströmen losgerissen, rollen herab und versperren den Pfad, der an andern Stellen durch Schluchten unterbrochen wird, so daß der Weg durch diese Engpässe um so gefährlicher ist, je schroffer die Abhänge sind, an denen sie hinführen.

Nirgends mehr als hier macht sich die Anarchie fühlbar, die das Land verwüstet. Die großen Kosten, die eine Verbesserung der Wege erfordern würde, hindert die Hospodare, die Communication zwischen den Fürstenthümern und dem gebildeten Europa wieder zu öffnen. Ueberdieß hüten sich die Türken wohl, solche Arbeiten vorzunehmen, aus Furcht, einen Einfall Oesterreichs in das türkische Gebiet dadurch zu erleichtern, so daß auch dieß dem Hospodar, dessen Gewalt und dessen Leben stets in der Willkür des Divans steht, abhält, eine Verbesserung eintreten zu lassen. Daher ist dieser Theil der Fürstenthümer noch verlassener als die Ebenen. Einige Bauern, die sich in Posthäusern niederließen, um den Dienst von Couriren zu versehen, und einige arme Holzhauer bilden die ganze Bevölkerung, während eine freiere Regierung diese Gegenden eben so bevölkert machen könnte wie unsere Alpenländer.

Eine sehr häufige Erscheinung bei diesen Gebirgsbewohnern ist der Kropf; den Grund davon suchen sie in der Gewohnheit, geschmolzenen Schnee zu trinken. Die körperliche Kraft überwiegt bei ihnen, wie bei vielen Alpenbewohnern, die geistige. In der Ebene gleicht die Art, wie der Boden gebaut und bepflanzt wird, meist der im übrigen Europa gewöhnlichen. Man gebraucht zum Ackern statt der Pferde, Ochsen. Die Hauptnahrung des Bauern ist der Mais. Weitzen wächst hinlänglich zur Consumtion des Landes. Die Gerste dient blos zur Fütterung des Viehs und des Geflügels. Die Ernte für diese beiden Getreidegattungen ist im Juli. Die Gutsbesitzer oder Bojaren verwalten ihre Ländereien nicht selbst; sie verpachten sie an die Meistbietenden, oder vielmehr sie übergeben sie Bauern, die ihnen einen Theil der Frucht liefern, während der Eigentümer ihnen die nöthigen Vorschüsse leistet und die Steuern bezahlt. Die Hauptdomänen geben ein Einkommen von 50 bis 60,000 Piaster, aber durch die

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 601. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_627.jpg&oldid=- (Version vom 20.5.2023)