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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 154. 2 Juny 1828.

Persische Skizzen.


(Fortsetzung.)
Das Dunstgebild der Wüste. Der geblendete Gouverneur von Kaßerun. Das Thal von Doscht-i-Erdschon. Der alte Jüngling.

Als ob die Natur der Wüste wenigstens imaginäre Reize hätte verleihen wollen, gab sie ihr zum Ersatz für ihre trübselige Einförmigkeit jenes wundervolle Dunstgebild [1], welches die Araber und Perser Serab nennen. In ihm erscheint Alles größer, phantastischer; wenn der nahe Beobachter einen etwas erhöhten Standpunkt hat, etwa zu Pferde sitzt, so glaubt er die Oberfläche eines Sees zu sehen, wovon die Gegenstände zurückgestrahlt werden. Aus einer Entfernung von sechs oder sieben Meilen dagegen zerfließt alle Wahrnehmung in eine dunkle Masse, die sich nicht über die Erde erhebt: so daß, während die niedern Theile der Stadt Abuschir unserm Gesichtskreise bereits entzogen waren, die höchsten Gebäude und die Wipfel einiger Dattelbäume noch sichtbar blieben. Der Zauberkreis der immerfort sich erneuernden optischen Illusionen, aus dem der Reisende nicht hinaustritt, die Schwüle der Luft und der feine Staub, der ihm das Athmen erschwert, versetzen ihn allmälig in einen Zustand krankhafter Aufregung, in welchem er Mühe hat, Schein und Wirklichkeit zu unterscheiden, oder nur das Bewußtseyn der Identität seiner selbst nicht zu verlieren.

Mit welchem Gefühl frischer Belebung näherten wir uns dem schönen Himmel und dem reichen Boden der Hochebenen Persiens! Nach einer Reise von fünf und fünfzig Meilen langten wir am Fuß der zweifachen Bergreihe an, wo das durch seine Dattelpflanzungen und Naphthaquellen berühmte Dorf Dalkhi liegt. Von hier steigen wir auf schmalen, rauhen und steilen Pfaden empor. Auf der Spitze des Gebirgs trafen wir die Vorsteher der benachbarten Stämme, die uns mit ihren vornehmsten Angehörigen entgegen geritten waren, und oben anhielten uns zu begrüßen, während ihre übrigen Begleiter, von Felsen zu Felsen springend und ihre Luntenschlösser zu Ehren der Fremden abbrennend, uns noch weiter entgegen kamen. Wir durften uns glücklich schätzen, daß wir dießmal nichts von den räuberischen Mama-Suni gelitten hatten, einem Stamm, der sich rühmt, Sitte und Namen von der Zeit Alexanders des Großen her unverändert erhalten zu haben. Wirklich war die letzte Mission von ihnen geplündert worden und der Verlust wäre wahrscheinlich noch beträchtlicher ausgefallen, wenn nicht der Geruch und der Dampf einiger mit Salpetersäure gefüllten Flaschen, die beim Abladen der Kameele zerbrachen, sie auf den Glauben gebracht hätte, daß ein darin eingeschlossener Genius der Farindschi (Franken) losgeworden sey, der an ihnen Rache nehme, worauf sie die Flucht ergriffen.

Die wilde und unfruchtbare Landschaftsscene änderte sich jetzt; schön angebaute Felder kamen zum Vorschein, grüne Wiesen, schattige Wälder. Die wilde Myrte, der Brombeerstrauch und die über die kleinen klaren Bächlein sich hinneigenden Weiden – ein Anblick, der jenes heimische Gefühl in uns’rer Brust erweckte, wovon nur der weiß, der in fernen Ländern war – verkündigten uns Kasseruns herrliche Thäler. Diejenigen von der Gesandtschaft, die Persien zum ersten Mal besuchten, fingen nun an, wenn wir ihnen die Rosen und die Nachtigallen und die ganz seltene Lieblichkeit des Landes anpriesen, uns Glauben beizumessen.

Die Stadt Kasserun liegt in der Gegend des alten Schapur, dessen Ruinen eben so sehr die Aufmerksamkeit des Antiquars als dessen verlassene Felder die des Jagdliebhabers [2] auf sich ziehen. Riza-Kuli-Khan, der Gouverneur von Kasserun, machte dem Eltschi seinen Besuch: er trug ein seidenes Band über den Aughöhlen, da er während der Thron-Streitigkeiten der Zend- und Kadschirfamilien geblendet worden war. Er begann bald, nachdem er sich gesetzt hatte, von seinen Schicksalen zu erzählen, und mir traten bei dem Gedanken an die Leiden des alten Mannes die Thränen in die Augen, aber bald fand ich zu meiner Verwunderung, daß er, blos um uns zu unterhalten, nicht um unsre Theilnahme in Anspruch zu nehmen, seine Geschichte zum Besten gab. „Ich war ein zu thätiger Anhänger der Kadschirfamilie, sagte er, als daß ich mir von dem schurkischen Zentstamm, dem ich in die Hände gefallen war, viel Schonung versprechen durfte. Ich machte mich daher schon auf den Tod gefaßt, und die Milde meiner Feinde, die mich blos zum Verlust meiner Augen verdammten,

  1. Vergleiche Ausl. S. 445.
  2. Hauptsächlich wegen des schwarzen Rebhuhns (Derradsch), das an den Ufern des Tigris so wie in Indien unter höhern Breiten sehr gewöhnlich ist.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 613. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_639.jpg&oldid=- (Version vom 24.9.2023)