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ausfindig gemacht, daß in den Adern des Griechen eine Beimischung von persischem und türkischem Blute fließt – deßhalb verdient er in Knechtschaft zu bleiben. Welch jämmerliche Folgerung! Ich wurde von den Griechen geplündert, von ihren Seeräubern gefangen, von ihren Säbeln bedroht; aber ich hielt dieß nicht für einen hinreichenden Grund zu einem Bannfluche über die ganze Nation. In der That, ich glaube es liegt wenig daran, ob die ganze Nation schlecht oder tugendhaft ist, ob das Volk von Themistokles oder Xerxes abstammt. Die einzige Frage ist: wenn die Griechen schlecht sind, wie können sie besser gemacht werden? Der Wunsch eines erleuchteten Staatsmannes, der jetzt nicht mehr ist, war, sie frei zu machen. Der gewaltige Geist, der die neue Welt ins politische Daseyn rief, würde den schönsten Theil der alten Welt vom Barbarismus befreit haben, hätte ihn das Schicksal ein wenig länger verschont; aber sein Streben wurde neutralisirt durch die schwankende Politik des einen Ministers und durch die Furchtsamkeit des andern: und daran war größtentheils die völligste Unbekanntschaft mit dem türkischen Charakter Schuld.

Wer die Türken nur irgend kennt, weiß, daß nach der Schlacht bei Navarin schon der bloße Schein von Entschlossenheit die Unterhandlungen zu glücklichem Ende gebracht haben würde. Die scheinbare Hartnäckigkeit des Sultans war Nichts, als der in den letzten Zügen liegende Hochmuth eines Türken, der unter allen Menschen der fügsamste im Unglücke und der unbeugsamste im Glücke ist. In meinen Berührungen mit diesem Volke hatte ich oft Gelegenheit zu bemerken, daß Gefälligkeit und Höflichkeit im gewöhnlichen Leben entweder als schuldige Huldigung eines Untergebenen oder als Beifall eines Thoren aufgenommen wurde. Um berücksichtigt zu werden, mußte man hochfahrend seyn, und anmaßend selbst gegen die Vornehmsten, um geehrt und geachtet zu werden. In der Türkei wurden meine Talente nach meiner Körpergröße gewogen, und in Syrien mein Verstand nach der Länge meines Bartes gemessen.

Ich erwähne dieses blos, um meine Behauptung zu beweisen, daß physische Gewalt bei den Türken als Maßstab moralischer Kraft gilt, und daß die Pforte sich den Forderungen der Verbündeten nicht widersetzt haben würde, hätte sie nicht aus dem Benehmen und der Sprache unserer Regierung den Schluß gezogen, daß mit Canning auch der Vertrag für Griechenlands Befreiung zu Grabe getragen worden sey. Die Rede unseres Königs bestätigte diese Folgerung; ein glänzender Sieg ward zu einem „unangenehmen und unvorgesehenen Ereigniß“ heruntergesetzt, und der Ruhm des tapfern Offiziers, dem die Ehre unserer Flotte anvertraut war, wurde der miserabeln Politik eines Ministers geopfert.

Die diplomatische Sprache Peel’s in Betreff unserer freundschaftlichen Verhältnisse mit unserm alten, treuen und natürlichen Bundesgenossen wird ohne Zweifel sehr imponiren, und gewiß haben Zeit, Treue und Natur die Moslem mit dem Herzen Englands verbunden. Nur darf man nicht vergessen, daß der Türke ein Bundesgenosse ist, dessen Haß gegen die Christenheit einen Theil seines Gesetzes bildet, dessen Religion überall unsere Ausrottung, als Ungläubiger, einschärft, und deren Priester dem Mörder eines Nazareners nur einen Grad weniger Verdienst um den Glauben, als dem Mörder eines Persers zuerkennt. Und dieß ist unser natürlicher Bundesgenosse, „der Schutzherr der Fürsten Europas“, dessen Verträge mit uns „von seinem kaiserlichen Steigbügel aus“ gegeben werden, und dessen Unterredungen mit unsern Gesandten Audienzen sind, die verdächtigen Sclaven ertheilt werden, die in seiner Gegenwart nicht einmal die Arme frei haben dürfen!

Ich weiß Mylord, daß unsre ostindischen Besitzungen der große Popanz bei der griechischen Frage sind; ich weiß recht gut, daß wir Monopolisten sind, in der Freiheit so gut wie im Handel, und daß unseligerweise die Interessen des letztern immer den Fortschritten der Civilisation im Osten sich entgegengestellt haben. Aber es ist nicht minder bekannt, daß die Franzosen in jedem Lande, wo sie waren, Spuren von Verbesserung zurück gelassen haben.

Ihre Vertreibung aus Egypten war ohne Zweifel für uns ein Gebot der Nothwendigkeit; aber dem Menschenfreund, der die Fortschritte seines Geschlechts und nicht die beschränkte Politik eines Staates im Auge hat, mußte diese Nothwendigkeit ein Gegenstand des Schmerzes seyn. Blos in den englischen Reisebeschreibungen lesen wir von den Grausamkeiten der Franzosen; die Egypter wissen nichts davon. Ich habe sie immer mit Achtung von ihren Eroberern sprechen hören; aber die Griechen sprechen noch mit Bitterkeit von Parga, die Mameluken von ihren Beys, und die Italiener von Genua – alles schmachvolle Opfer der brittischen Politik!

Die Geschichte wird schwerlich sich viel mit der Verfahrungsweise Eurer Gnaden und Ihrer Kollegen befassen; aber die Nachwelt wird fragen, ob die ungeheuern Hülfsmittel Englands, ob sein Einfluß auf die Nationen, seine Macht und sein Reichthum angewendet wurden zur Vervollkommnung des menschlichen Geschlechts; und wenn gefunden wird, daß die Vortrefflichkeit seiner Institutionen von jener engherzigen spießbürgerlichen Natur war, die sich selten außer dem Hause bemerkbar macht, so wird die Welt wenig Ursache haben, sich der Größe Englands zu erfreuen, und der Engländer wenig Grund, darauf stolz zu seyn!



Beaumonts Reisen in Buenos-Ayres.

Travels in Buenos Ayres and the adjacent Provinces of the Rio de la Plata. By J. A. B. Beaumont, Esq. 8vo London 1828.

Der Verfasser dieser Schrift ist der Sohn des Herrn Barber Beaumont, der das Project zur Gründung einer Gesellschaft für Auswanderung nach Buenos-Ayres entwarf. Sein Buch ist mehr eine Apologie für dieß fehlgeschlagene Project, als der Bericht eines unbefangenen Reisenden. Beaumont hat in Allem, was er über das südliche Amerika sagt, durchaus den entschiedenen Ton der

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 622. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_648.jpg&oldid=- (Version vom 2.10.2023)