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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 157. 5 Juny 1828.

Alexander de la Borde’s Reisen in der Levante.

Auszug aus seinem der Académie des inscriptions et belles-lettres erstatteten Berichte.)

Ganz mit der Erziehung meines Sohnes beschäftigt, und von dem Wunsch beseelt, ihn eines Tags der öffentlichen Achtung würdig zu sehen, beschloß ich bei der Ausbildung desselben einen neuen Gang einzuschlagen, der zwar ausgedehnter und schwieriger ist als die bisher verfolgten, den ich aber heutzutage für nöthig halte, um im Einklang mit den Fortschritten des Jahrhunderts zu bleiben.

Dieses System, dessen Auseinandersetzung hier zu weit führen würde, besteht in seinem ersten Theile darin, mit den klassischen Studien und mit der Erlernung mehrerer neuern Sprachen eine belehrende Reise in die berühmtesten Länder des Alterthums zu verbinden, in die Küstenländer des Mittelmeers. Eine solche Unternehmung schließt Entdeckungen keineswegs aus, aber diese bilden nicht den Hauptzweck. Um die Reise angenehmer und weniger kostspielig zu machen, suchte ich für meinen Sohn einige junge Reisegefährten, die diese neue Art des Studiums mit ihm theilen möchten, und war so glücklich sie zu finden, wie ich sie nur wünschen konnte: der eine Hr. Becker, Sohn des tapfern Generals dieses Namens, Offizier im Generalstabe, voll Talent und Eifer, der andere Hr. Hall, ein junger, sehr ausgezeichneter Engländer; endlich der Herzog von Richelieu, der uns nur zu früh verließ, um in Odessa eine Pflicht der Dankbarkeit zu erfüllen.

Nach ziemlich langen Studien in Italien, und einem kurzen Aufenthalte auf den ionischen Inseln, erreichten wir Griechenlands klassischen Boden. Die politische Lage des Landes aber nöthigte uns, die festgesetzte Ordnung unserer Studien zu verändern, und mit den andern Theilen des türkischen Reichs zu beginnen. Wir gelangten am 15 Juli 1826 nach Smyrna; erst von hier an also können unsre Untersuchungen einiges Interesse darbieten.

Noch ist Klein-Asien im Ganzen wenig bekannt; und doch, welches Land schlösse mehr Erinnerungen, mehr interessante Monumente ein? Die Reisenden, die uns vorangingen, folgten fast alle nur den Küstenstrecken, und drangen nicht weiter als auf zwanzig oder dreißig Stunden in das Innere ein. Wir suchten ihre Arbeiten zu vervollständigen, sowohl dadurch, daß wir weiter vorgingen als dadurch, daß wir die von ihnen erforschten Puncte aufs Neue besuchten. Unsere erste Excursion von Smyrna aus ging nach Constantinopel, über Sardes. Die letztere Stadt, die interessanteste der ganzen Route, ist auf einem Hügel erbaut‚ der die Ebene des Hermus beherrscht. Die Ruinen ihrer Mauern ziehen sich an den beiden Ufern des Pactolus hin, nun eines kleinen Baches, der schon zu Strabos Zeit keinen Goldsand mehr führte. Zwei ionische Säulen, mit herrlichen Capitälen, ungefähr fünfzig Fuß hoch, die ein Gesims stützen, sind die einzigen Reste von Cybele’s Tempel. Auf der andern Seite des Hügels erblickt man die Trümmer eines Theaters und einer Rennbahn. Keine Seele lebt mehr in dieser einst so berühmten Stadt. Blos einige Zelte armer Urucken, eines Nomadenvolks, stehen einsam an den Ufern des Pactolus, und von Crösus Citabelle aus sieht das Auge in der weiten Ebene nichts als die Gräber der Könige Lydiens, gegen sechzig große Erdhügel (tumuli) unter denen noch das Grab von Crösus Vater, Alyattes, hervorragt, das Herodot nach den Pyramiden als das bedeutendste Monument bezeichnet, das er gesehen habe. Wirklich erscheint es auch wie ein kleiner Berg.

Von Sardes aus kommt man über den Hermus, die Hyrkanische Ebene (campus Hyrcanius), und gelangt in die unter dem Namen Jussuff-Dagh bekannte Gebirgskette, die sich vom Olymp bis zum Ida ausbreitet, und das Marmora-Meer von dem Archipel trennt. Ueberall trifft man auf diesem Wege von Strecke zu Strecke Brunnen, von der Wohlthätigkeit gestiftet. In der Regel ist der Name des Stifters auf dem Steine eingegraben, begleitet von einem Spruche des Korans. Auf einem derselben fanden wir die Worte: Der ist der vollkommenste Mensch, der seinen Brüdern am meisten nützt.

Constantinopel übergehe ich. Bekannt ist die Schönheit seiner Lage, und der Schmutz feiner Gebäude. Drei Ereignisse, die den dortigen Aufenthalt am besten charakterisiren, haben wir selbst mit erlebt: eine Revolution, die Pest und eine Feuersbrunst. Nach sechswöchigem Aufenthalt reisten wir ab, um uns durch das innere Klein-Asien nach Kairo zu begeben. Der Erfolg dieser Reise hing von der Art ab, mit der wir sie unternahmen. Es war nöthig, den gewöhnlichen Gebrauch der Reisenden zu verlassen, dessen Opfer Seetzen und Oberst Boutin geworden waren. Wir kauften in Constantinopel Pferde und Waffen, nahmen das muselmännische Costume an, versahen uns mit einem in sehr bestimmten Ausdrücken


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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 625. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_651.jpg&oldid=- (Version vom 4.10.2023)