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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

abgefaßten Ferman, den der französische Botschafter uns verschaffte, gesellten uns einen Tataren der Pforte, und einen Dolmetscher bei, so wie eine Anzahl erprobter Diener. Auf diese Weise bildeten wir einen Trupp von zwölf Personen, jeder ein doppelläufiges Gewehr an der Seite, und besser mit Feuerwaffen versehen, als die Einwohner der meisten Gegenden, durch die wir zu wandern gesonnen waren. Einige Handvoll Paras, die wir bei Gelegenheit vertheilten, gesellten der Furcht vor unsern Waffen auch noch das Wohlwollen bei, so daß wir an denselben Orten, wo wir vereinzelt vielleicht kaum einige Noten hätten machen können, nun uns ruhig niederließen, um zu zeichnen und die Monumente auszumessen, ohne die Einwohner zu stören, oder von ihnen gestört zu werden. Die Wohlfeilheit der Lebensmittel in der Levante macht diese Art zu reisen wenig kostspielig. So durchzogen wir Klein-Asien, Syrien und Palästina.

Da es für jetzt schon unmöglich ist, von allen unsern Arbeiten und Beobachtungen Rechenschaft abzulegen, so will ich wenigstens die Hauptentdeckungen und Untersuchungen bezeichnen, die wir machen konnten.

Von Nikomedien und Nicäa ausgehend, wo sich noch bedeutende Ruinen vorfinden, wandten wir uns nach Osten gegen die Ufer des Sagaris. Kaum an dem See Sabanja, dem alten Sophon, angekommen, sahen wir ein sehr großes römisches Denkmal, eine sechsbogige Brücke, vorn mit einem Triumphbogen. Sechs Lieues südöstlich von Cutachia gelangten wir zu einer römischen Stadt, die noch kein Reisender besucht hatte, und deren selbst in den alten Itinerarien keine Erwähnung geschieht. Die Hauptgebäude bestehen in einem großen Theater, einer Reitbahn, mehreren gut erhaltenen Portiken, und einem sehr schönen ionischen Tempel; die Säulen aus einem einzigen, 30 Fuß hohen, Marmorblock, sind cannelirt und tragen ein ebenso geschmackvoll als reich geschmücktes Gesims. Aus den Fragmenten einer Inschrift über dem Giebel der Hauptpforte ersieht man, daß der Tempel zur Zeit Hadrians reparirt und Apollo geweiht war. Der Ort heißt auf türkisch Schapder, und ist von einem kleinen Flusse bewässert, über den eine fünfbogige römische Brücke führt. Von Schapder begaben wir uns zu dem von Obrist Leake beschriebenen phrygischen Monument; wir waren so glücklich, in demselben Thale ein anderes ähnliches Monument zu entdecken, und sechs Lieues weiter ein drittes‚ noch beträchtlicheres, mit einer Inschrift von denselben Characteren. Aber was uns noch mehr interessirte und uns zwei Monate lang beschäftigte, war das Land zwischen Affiom-Karahissar, Danisley und Isparta, um den Lauf und die Quellen des Mäander, des Lycus und des Marsyas zu bestimmen, so wie die Lage der vielen alten Städte, die an ihren Ufern lagen, namentlich Hierapolis und Aphrodisias. In der erstern, stets durch ihre mineralischen Wasser berühmt, findet man noch die mephitische Höhle, von der Strabo spricht, in welcher die Vögel betäubt zu Boden fielen; ferner die Ruinen eines Apollo-Tempels, und eine lange Reihe herrlicher Gräber. Mitten in Aphrodisias, dem heutigen Guera, erhebt sich ein Venustempel von ionischer Ordnung und großentheils erhalten. Links ist die Rennbahn und das Theater. Ueber hundert griechische Inschriften, da und dort in den Ruinen zerstreut, erhöhen noch das Interesse des Ortes.

Auf dem Wege von Guera duch Isparta nach Conié (Konjeh) kommt man über ein Gebirgsland mit großen Seen. Es ist die Schweiz Klein-Asiens. Eyerdir gleicht der Isola-bella des Lago Maggiore. Diese Gebirgskette schließt mehrere alte Städte ein, die man bis jetzt noch nicht wieder aufgefunden hatte, und deren Lage wir nun bestimmen konnten, z. B. Salagassum, Antiochia von Pisidien, Grenna und Selge. Mehr aber als alle andern verdient Conié, das alte Iconium, die Aufmerksamkeit der Reisenden; hier findet man die Spuren aller Jahrhunderte, besonders arabische Denkmale der seldschukidischen Sultane, die an Schönheit und Vollkommenheit den maurischen Gebäuden Spaniens nichts nachgeben.

Zwölf Lieues von Conié erhebt sich ein isolirter Berg, Kara-Dagh oder der schwarze Berg, von dem man viele Wunder erzählte, und den noch kein Reisender bestiegen haben sollte. Die Türken sagten, es seyen dort tausend und eine zerstörte Kirchen, welche Schätze einschließen, aber über den zusammenstürzen, der hineinzutreten wage. Die Steine dieser Klöster, sagten die Griechen und Armenier, bewegen sich Nachts in förmlicher Prozession durch die Gegend, und verbreiten überall Schrecken. In der That hatten auch Olivier und Kinneird niemand bewegen können, sie auf jenen Berg zu führen. Die Wahrheit ist, daß dieser verlassene Ort stets der Aufenthalt von Räubern war. Ali Pascha von Conié gab uns eine Schutzwache mit, und wir durchstreiften den Berg in verschiedenen Richtungen, indem wir hofften, die Trümmer einiger alten Städte aufzufinden. Wir fanden jedoch blos die tausend und eine Kirche, von der uns die Türken erzählt hatten, d. h. Klöster und Gräber aus dem fünften und sechsten Jahrhundert, alle mit hufeisenförmigen Gewölben, was augenscheinlich beweist, daß diese Bauart, die man bei den ältesten arabischen Monumenten trifft, keineswegs eine Erfindung dieses Volks ist, sondern sich, so wie alles, was die Künste des neuern Asiens und Europas betrifft, an das byzantinische Reich anknüpft: die Griechen gaben den Scepter des Geschmacks nie aus den Händen, selbst nicht in den Zeiten des Verfalls.

Von Conié wandten wir uns gegen das Taurusgebirg und Karamanien. Um auf den höchsten Punct dieses Gebirgs zu gelangen, braucht man blos sieben Stunden, drei Tage aber, um bis zum Meere hinabzusteigen, was beweist, wie hoch das Plateau von Asien ist. Könnte ich doch die interessanten Seiten des Taurus und die auf der ganzen Küste von Selefkieh bis Tarsus ausgebreiteten Denkmale der alten Zeit würdig beschreiben, die Ruinen von Corycus, Eleusa und den Säulenwald von Pompejopolis; Tarfus endlich, wo Alexander in den kalten Wassern des Cydnus so große Gefahr lief, und

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 626. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_652.jpg&oldid=- (Version vom 8.10.2023)