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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

wo der Apostel Paulus geboren ward. An der Stelle wo sein Haus gestanden haben soll, erinnert man sich jener Worte, die er einer Frau zurief, die sich ihm zu Füßen geworfen hatte: „Was machst du? Ich bin nichts als ein einfacher Mann aus Tarsus.” Seine Nachfolger waren nicht immer so bescheiden.

Wir eilten, diesen Ort, wo die Pest große Verheerungen anrichtete, zu verlassen, um über den Pyramus zu setzen, und die Ruinen von Anazarba zu besuchen, sodann sechs Lieues weiter die Trümmer von Budrur, wo, nach dem Bericht der Araber, noch mehr als zweihundert Säulen aufrecht stehen sollen; aber Nurid, der Pascha von Adene, redete uns ab, weil bei den jenes Thal bewohnenden Turcomanen die Pest herrschte, und sie sich gegen seine Autorität empört hatten. Wir waren erstaunt, als dieser Pascha sich bei uns um Nachricht von General Sebastiani und dem Fürsten Talleyrand erkundigte; er hatte den erstern als Vezier in Constantinopel kennen gelernt, und den zweiten auf einer Mission in Frankreich, die der des Galib-Effendi voran gegangen war. Seine Unterhaltung war lebendiger und zeigte von weit mehr Bildung als die aller andern Paschas und Moslims, die wir besucht hatten. Er lud uns ein, einer Art von Divan beizuwohnen, der alle Tage in dem Hofe seines Palastes gehalten wird, und bei dem sich alle Personen seines Hauses einfinden. Die Delhy-Baschi, die Tataren, Tschautchs, Cavas etc. schlossen einen Kreis, das übrige Volk stellte sich hinter sie, die Musik, aus Blasinstrumenten und Trommeln bestehend, zur Seite. In dem Innern des Kreises stellten sich fünf Tschautchs auf, die von Zeit zu Zeit ihre langen, mit silbernen Ketten geschmückten Stöcke in die Luft warfen, und laute Gebete für das Leben des Großherrn und des Pascha verrichteten. Nachdem diese zu Ende waren, trat einer derselben ein paar Schritte vor, und fragte dreimal mit lauter Stimme, ob jemand eine Ungerechtigkeit erfahren, und eine Klage vorzubringen habe; wäre dieß der Fall gewesen, so wäre die Klagschrift in Mitten der Versammlung vorgelesen und dem Pascha überreicht worden. Diese Form gefiel uns sehr, und wir wollten eben unsere Freude darüber ausdrücken, als ein Mann, der während der ganzen Ceremonie aufrecht da gestanden hatte, vor der Musik, die rechte Hand an seinen Säbel gelegt, gleichfalls drei Schritte vortrat, und den Pascha anblickte, als ob er seine Befehle erwartete; wir hielten ihn für den wachhabenden Offizier, aber die Antwort war: es ist der Scharfrichter! Mit diesem Einen Worte stand der ganze Orient uns wieder vor Augen.

(Fortsetzung folgt.)


Beaumonts Reisen in Buenos-Ayres.


(Fortsetzung.)

In diesem Lande ist fast jeder beritten. Dieß macht die Menge der Pferde, die so zahlreich und wohlfeil sind, wie die Schafe. Sie irren in Haufen zu Tausenden über die weiten Flächen, in vollkommener Freiheit, ohne Herrn oder Eigenthümer. Jedermann kann sich das nächste beste aneignen, und so kommt es, daß es in diesen Gegenden keine Fußgänger gibt. Der Bettler selbst streckt zu Pferde die Hand um eine Gabe aus.

Der Gaucho oder Pachtbauer lebt nur zu Pferde; zu Fuße ist er eben so unglücklich, als untauglich. Die lustige Anekdote von einem Gaucho, der gegen seinen Willen aus seinem Sattel kam, erzählt Beaumont auf sehr charakteristische Weise.

„Als mir am Morgen die Pferde vorgeführt wurden, äußerte ich gegen meinen Führer die Besorgniß, das Pferd, welches für mich bestimmt war, möchte nicht im Stande seyn, mich zu tragen. Das arme Thier taumelte ordentlich, als ich es bestieg. Aber der Führer schob die Schuld davon auf dessen Faulheit und betheuerte mir, es sey das beste Thier, das er habe. Ich erfuhr auch bald darauf, daß es die Wahrheit sey, da es das einzige Pferd war, das er noch übrig hatte. Durch tüchtiges Handhaben der Sporen und Peitsche war ich eine Meile weit von der Stadt gekommen, als das arme Thier erschöpft und sterbend zusammen stürzte. Der Führer stieg mit ausnehmender Gemüthsruhe ab, um meinen Reitzeug abzunehmen, wovon er einen Theil auf sein eigenes Pferd packte. Hierauf nahm er mit einem Erguß von Flächen Abschied von dem halb todten Thiere, und indem er ihm noch einen tüchtigen Peitschenhieb gab, schickte er sich an, sein eignes Pferd wieder zu besteigen, als ich ihm darin zuvor kam, indem ich mich auf dasselbe schwang und ihm so die Wahl ließ, entweder zu Fuße zu gehen, oder sich von irgend einem Nachbar ein frisches Pferd zu verschaffen. Anfangs gerieth er in Hitze, indem er erklärte, er könne nirgends ein Pferd finden, als auf dem nächsten Posthause, das fünf Meilen entfernt lag, und daß er, wenn er nach Buenos-Ayres zurückkehren sollte, gestehen müsse, daß kein einziges Pferd in der Post dieser Stadt übrig gewesen sey. Nach dieser Erklärung und mehreren fruchtlosen Versuchen mich zu überzeugen, daß es viel vernünftiger wäre, wenn ich ginge und er ritte, entschloß er sich endlich, meinem Pferde Zaum und Gurt abzunehmen und stillschweigend neben mir her zu wandern, indem er von Zeit zu Zeit zwischen den Zähnen murmelte: Diabolos estos Ingleses.

Die arme Creatur von Sohlen-Ritter war ganz außer ihrem Elemente, und ich konnte nicht umhin, seinen tiefen Kummer und seine Erniedrigung zu bedauern, ohne ihm jedoch zu seinem Troste meinen Platz einräumen zu wollen. Ein Gaucho zu Fuße – Dieser Fußgänger wider Willen hatte, so oft ihm der Gedanke an seine Absetzung vor Augen trat, ganz das Aussehen, als wünsche er, daß die Erde sich aufthäte, ihn zu verschlingen. In diesem Zustande begegnete er noch überdieß Einigen seiner Bekannten. Er ließ vor Scham den Kopf hängen und erzählte mit vieler Rührung die Umstände, die ihn in diese Lage gebracht hätten; wobei er schwur, daß ich, wenn meine pistolas nicht wären, nicht lange auf seinem Pferde sitzen sollte. Nachdem wir so unsere Reise neben einander, doch eben nicht sehr traulich, ungefähr eine halbe Meile


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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 627. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_653.jpg&oldid=- (Version vom 4.10.2023)