Seite:Das Ausland (1828) 654.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

fortgesetzt hatten, begegneten wir einer tropilla von Pferden, die ein Junge nach der Stadt trieb. Mein Führer nahm sogleich eines davon in Beschlag, ein sehr schönes Thier, dem er seinen Reitzeug anlegte. Nachdem ich es bestiegen hatte, verlangte er, ich sollte dafür acht Dollars bezahlen. Da ich aber dieß durchaus nicht für nöthig hielt, so entzog ich mich seiner Forderung, indem ich im Gallop davonjagte; er holte mich bald wieder ein, nachdem er es selbst bezahlt hatte. Bei uns’rer Ankunft in dem Posthause malte er den Zuhörern mit den lebhaftesten Farben die üble Behandlung vor, die er erfahren hatte, und bestand auf der Zurückzahlung der acht Dollars. Seine Freunde wollten mich überzeugen, das Recht der Gewohnheit sey auf seiner Seite, da ich aber sehr deutlich einsah, daß die Gerechtigkeit auf der meinigen war, so verachtete ich ihr Geschrei und kümmerte mich nicht weiter um seine Ansprüche.“ –

Sogar die Mütter dieses Reitervolkes rechnen das Alter ihrer Kinder nur nach den Fortschritten derselben in der Reitkunst:

„Auf dem Plane vor dem Hause erlustigten sich drei kleine Jungen, von vollrunden Gesichtern, damit, Hunde mit Lassos, die aus Riemen von ungegerbtem Leder verfertigt sind, zu fangen. Sie ahmten die Jagd mit dem Lasso mit großer Genauigkeit nach, indem sie den Hund zu Boden rissen, sich anstellten, als wollten sie ihm die Kehle abschneiden und dieß Alles mit übertrieben heftigen Geberden und Lieblings-Flüchen. Auch ließen sich die Hunde mit einer musterhaften Geduld hin und herschleppen und schienen sich in diesem Spiele nicht minder zu behagen, als die kleinen Gauchos. Als ich meine Verwunderung über das Talent der Nachahmung bei diesen kleinen Burschen äußerte, und nach ihrem Alter fragte, antwortete die Mutter: sie könne es so genau nicht angeben. Diese zwei, setzte sie hinzu, indem sie auf die deutete, welche nackt waren, sind noch sehr jung. Aber der Andere, welcher ein Röckchen anhat, ist schon in dem Alter ein Pferd zu besteigen[1]. Dann sagte sie uns, daß sie einen Säugling habe, der sehr krank sey, und bat uns, ihn zu sehen. Sie führte uns dann in die Küchenstube, wo wir ein armes kleines Kind fanden, das in einer von der Decke herabhängenden Haut geschaukelt wurde, fast gerade ober dem Feuer.“ –

„Man kann mehrere Tage hintereinander reisen, ohne eine weibliche Gestalt zu sehen, so daß man zuerst auf den Gedanken kommt, die Einwohner möchten, gleich den Indianern, nur wenige derselben am Leben lassen; aber eigentlich entspringt diese scheinbare Minderzahl von Frauen daraus, daß sie fast immerfort zu Hause bleiben, während die Männer stets zu Pferde und gleichsam im freien Felde daheim sind. Durch diese Zurückgezogenheit der Weiber verliert indeß der Reisende nicht viel; man vermißt bei ihnen gar sehr das muntere, lebendige Wesen der englischen Landmädchen; die rothe Gesichtsfarbe, die weiße Leinwand und der schmucke Anzug unsers Landvolkes sind ihnen fremde Dinge. Ihre Kleidung besteht fast blos aus einem groben wollenen Mantel; keine Hüte, keine Hauben, keine Mieder, keine Schuhe und keine Strümpfe. Nie sah ich Eine ihre Kleider waschen, und auch Hände und Gesichter schienen nur bei außerordentlichen Fällen dieser Ehre theilhaftig zu werden. Die ganze Beschäftigung in ihrer Hauswirthschaft scheint darin zu bestehen, daß sie Feuer schüren, um den Kessel zum máte zu wärmen, das Essen kochen, und die Kinder (wenn sie welche haben) in einer an der Stubendecke schaukelnden Hangmatte wiegen. Da sie keine Fußböden zu scheuern oder andere Abspühlungen zu besorgen, kein Hausgeräthe in Ordnung zu stellen, keine Strümpfe zu stopfen, keine Küchengärten zu säubern, kein Feld, um darauf zu arbeiten und keine Bücher, um darin zu lesen haben, so sind der Stunden ihrer Muße sehr viele, und diese bringen sie in freudloser Trägheit oder mit Rauchen von Zigarren zu, welche unter dieser schönen oder vielmehr weißbraunen Hälfte der Schöpfung keinen geringen Absatz finden.“ –

„Es glückte mir nie, einem ländlichen Feste beiwohnen zu können. Vielleicht ist die Bevölkerung zu sehr gestreut, als daß solche Zusammenkünfte häufig statt finden könnten. Die einzige allgemeine Zusammenkunft und Erlustigung beider Geschlechter, die ich sah, war bei dem Arroyo de la China (China-Bache) beim Uraguay, wo die Eingebornen sich in großer Zahl einfanden um zu baden. Die Schönen des Festes schwammen, fast ganz entkleidet, mitten unter den Männern herum, und machten sich über einzelne von unsern Begleitern nicht wenig lustig, als sie es ungeschickt genug versuchten, ihre Wasserkünste nachzuahmen.“

(Fortsetzung folgt.)



Expedition nach dem Südpol.

Nachdem Capitän Parry’s Versuch, von Spitzbergen in Booten aus den Nordpol zu erreichen, fehlgeschlagen ist, hat die englische Regierung ihre Aufmerksamkeit, wie es scheint, auf den Südpol gerichtet. Vor kurzem hat Capitän Foster, einer von Parry’s Begleitern auf seinen früheren Expeditionen, das Commando des Schiffes Chanticleer erhalten, mit dem Auftrage, nach dem vor einiger Zeit entdeckten Südshetland-Inseln zu segeln und von dort so weit gegen den Südpol vorzudringen, als, ohne das Schiff zu gefährden, möglich ist. Die Zeit seiner Abwesenheit von England ist auf drei Jahre bestimmt.

Literary Gazette.


Die Gärten der Hesperiden.

In einer der neuesten Sitzungen der Gesellschaft für Geographie in Paris las Pacho ein Fragment über die Gärten der Hesperiden. Er weist die Meinung zurück, welche jene Gärten in die Nähe Berenikes setzt. Gestützt auf die Beschreibung von Scylax, so wie auf verschiedene Stellen von Herodot, Lucan etc. bezeichnet er ihre Stelle auf der Spitze des Vorgebirgs Phycus, wo er in der Nähe eines alten, von den Phöniciern häufig besuchten Hafens dieselben Bäume und Gesträuche findet, die Scylax in seiner Beschreibung nennt, so wie die übrigen topographischen Details, die jener über diesen Gegenstand anführt, und die man, wie Pacho behauptet, nirgends anders in Cyrenaica antrifft.

Le Globe, 21. Mai.
  1. bei den Gauchos ist das Alter ein Pferd zu besteigen etwa das fünfte Jahr.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 628. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_654.jpg&oldid=- (Version vom 5.10.2023)