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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Ernst und still ritt Scheikh Nahar vor uns her, in bestimmten Stunden Halt machend, um sein Gebet zu verrichten. Eines Tages schien es uns, als ob er den Weg verloren hätte, obgleich er blos Wasser suchte, das er in einem nahen Felsen finden mußte; wir bezeugten ihm unsere Besorgniß; er antwortete ruhig: „Ich habe dem Scheikh Thala versprochen, euch nach Tadmor zu führen, und nach Homs zurückzugeleiten; ich werde mein Wort halten; beunruhigt euch über nichts, was ihr auch sehen möget: Allah ist groß!“ – Bald darauf fand er das Wasser wirklich.

Den vierten Tag, nachdem wir eine sehr kalte Nacht in freier Luft und ohne Feuer zugebracht hatten, ritten wir langsam vorwärts, als wir auf einmal beim Umbeugen um einen Sandhügel fünfzehn bis zwanzig Araber gewahrten, die in vollem Gallop, mit gesenkter Lanze, uns nacheilten und unsere etwas zurückgebliebenen Kameele angriffen. Wir kehrten um, um sie zu vertheidigen, und nun entspann sich ein Kampf mit Faust- und Stockschlägen, da unsere Gegner ebensowenig als wir Feuerwaffen hatten. Es sprengten noch mehrere herbei und wir waren auf dem Puncte uns in der Wüste des Wassers und aller unserer Habseligkeiten beraubt zu sehen. Wir balgten uns um die Kleider, indem wir sie uns gegenseitig aus den Händen rissen, unsere Hengste sprangen auf die arabischen Stuten und die Verwirrung stieg auf den höchsten Grad. Hall und Becker rangen zu Fuß mit zwei Beduinen; mein Sohn, der einzige, der in seinem Gürtel eine Pistole verborgen hatte, hielt damit zwei Araber im Respect, die ihm schon seinen Turban vom Kopf gerissen hatten. Ich selbst suchte unsern Führer auf, dessen Lanze gleich beim ersten Anlauf zerschlagen worden war, als plötzlich einer der Unsrigen rief: Wir sind gerettet! und wirklich sahen wir auch, wie die Araber sich unter sich herumschlugen, und ihr Führer, um Verzeihung bittend, unserem Alten zu Füßen stürzte. Nahar, stets kaltblütig, brachte seine Kleider wieder in Ordnung, stieg zu Pferde, und zeigte seinen Unwillen nur durch ein paar große Thränen, die in seinen Augen glänzten, und durch einige strenge Worte, die er an den jungen Führer richtete, der uns über eine Stunde weit begleitete. Dieser junge Mann, halb nackt, ritt eine Stute 15,000 Piaster werth, und die einzige Belohnung, die er von uns dafür erbat, daß er seinen Stamm an weiteren Gewaltthätigkeiten verhindert hatte, war ein wenig Gerste für sein Pferd. Wir fügten einen Mantel bei, den der auf der Stelle anzog.

Palmyra ist nach demselben Plane gebaut, wie in der Regel alle alten Städte Syriens, und wie die der meisten römischen Colonien. Eine Straße mit Säulen-Portiken geziert, und von einer zweiten ähnlichen durchschnitten, führt nach der einen Richtung zu einem Tempel Neptuns, nach der andern zu einem Jupiterstempel. Die Menge von Tempeln, Grabmalen, die langen Säulenreihen bieten zwar einen großartigen Anblick dar, doch bei weiten nicht so, wie man erwarten sollte. In der unermeßlich sich ausdehnenden einförmigen Ebene, ohne Hügel, ohne Wald, erscheinen selbst die größten Monumente klein, fast nur wie weiße Stäbe, die in den Sand gesteckt sind und vereinzelt in dem ringsumfassenden Blau des Himmels verschwinden. Auch die nähere Besichtigung der Monumente gewährt nicht volle Befriedigung. Der Marmor ist bei weitem nicht so schön, wie der der italienischen Denkmale. Nur der Jupiterstempel bietet eine eben so großartige Masse als schöne Details dar; die übrigen zeigen schon deutlich den Verfall des Geschmacks. Das Ganze dieser wunderbaren Stadt aber, diese Trümmer eines reichen Lebens mitten in der Wüste, werden sie stets für jeden Reisenden zu einer der interessantesten Erscheinungen machen.

Während der zwei Tage, die wir hier verweilten, wurden wir unablässig von den Einwohnern belästigt, die uns eine Art Lösegeld abpressen wollten, wie sie es kurze Zeit vorher einem ausgezeichneten englischen Reisenden, Bankes, gemacht hatten. Wir schlugen es hartnäckig ab. Am Abend des zweiten Tags drangen sie, mit Flinten bewaffnet, in Masse in unsern Saal, und schwuren, uns so lange als Gefangene zu bewachen, bis ihnen jeder von uns tausend Piaster bezahlt hätte. Auf alle diese Vorschläge antwortete unser Scheikh, ohne sich im Mindesten aus der Fassung bringen zu lassen, nur dadurch, daß er seine Formel wiederholte: „Ich habe dem Scheikh Thala versprochen, diese Reisenden nach Tadmor zu führen und nach Homs zurückzugeleiten; sie werden morgen früh abreisen; Allah ist groß.“

In der That waren auch die Einwohner den andern Tag viel gefälliger, und ließen uns, nachdem wir ihnen etwas weniges Geld gegeben hatten, in Frieden ziehen. Nach drei strapazenvollen Tagen, gelangten wir zu dem Stamme unsres Führers, den er sein Haus nannte. Wir verweilten zwei Tage, schweiften mit ihnen in der Gegend umher, schliefen unter ihren Zelten, und beobachteten die Sitten dieser Naturmenschen, denen die einsame Wüste kein Bedürfniß beut und keines befriedigt, die aber, auf flüchtigem Roß durch die weiten Ebenen schweifend, in ihrer Unabhängigkeit vollen Ersatz für jede Entbehrung finden.

Von Palmyra wandten wir uns gegen Latakieh zurück, um die Küste Syriens zu besuchen, den Libanon, die schönen Thäler, die ihn durchschneiden, die heiligen Orte, noch jetzt verherrlicht durch die Denkmale aller Jahrhunderte. Nach zwei Tagen gelangt man von den Cedern Salomons zu den riesenhaften Monumenten von Balbek und zu dem wundervollen Palaste des Drusenfürsten. Balbek übertrifft Palmyra an Größe, wie an Schönheit seiner Denkmale. Säulen von sechzig Fuß Höhe, aus Einem Blocke, ruhen auf noch gewaltigern Grundmauern; und der Palast des Emir Bechir ist vielleicht das Herrlichste, was die ganze arabische Baukunst aufweisen kann. Der Fürst, der ihn aufführen ließ, hat fünzig tausend bewaffnete Christen und vierzigtausend Drusen unter seinen Befehlen. Ungeachtet er im Aeußern die Religion Mahommeds beobachtet, ist er ein Christ,

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 630. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_656.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)