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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

und sein ganzes eigenthümliches, abentheuervolles Leben erinnert an die Zeiten Saladins und Malek-Adels.

Von Balbek gingen wir nach Damaskus, nach Constantinopel, der bedeutendsten und schönsten Stadt des ganzen Orients. Wir wohnten in dem Kloster der Lazaristen, dieser guten Leute, bei denen jeder Reisende Schutz findet, und die sich das ganze Jahr tausend Entbehrungen unterwerfen, um desto mehr auf ihre Werke der Wohlthätigkeit verwenden zu können. Der gute Empfang, den wir bei Saleh, dem Pascha von Damaskus, und bei den Vornehmsten der Stadt fanden, enthob uns des hergebrachten Gebrauchs, in den Straßen den weißen Turban abzunehmen und vom Pferde zu steigen, eine Demüthigung, zu der wir uns nie verstanden haben würden, und von der wir auch die künftigen Reisenden befreit zu haben hoffen. Nun zogen wir nach Hauran, dem alten Dekapolis, dem wichtigsten Puncte unsrer Reise, den Seetzen und Burckhardt beschrieben, aber dessen Monumente sie weder bezeichnet noch näher studirt haben. Als wir Damaskus verließen, kam ein schöner Mann, wohlgekleidet, mit reichen Waffen, aber sehr ermüdet auf uns zu; es war ein Christ vom Libanon; er hatte sechs Meilen gemacht ohne zu essen, weil gerade Fasten war. Er brachte mir einen englischen Brief:

„Sie sind auf einer gefahrvollen Reise begriffen. Der Mann, den ich Ihnen sende, ist einer der tapfersten des Gebirgs; er hat Befehl, bis Sie sich eingeschifft haben, Sie nicht einen Augenblick zu verlassen, und mir dann Nachricht von Ihnen zu bringen.

Esther Stanhope.“

Diese edle liebenswürdige Dame, eine Nichte Pitt’s, hatte mir erlaubt einige Tage bei ihr in ihrer Einsamkeit zuzubringen; sie hatte mir ihre Abentheuer erzählt, aber verschwiegen, wie viel Gutes sie seit lange schon dem Lande erwiesen hatte; nur von den Armen erfuhren wir ihre Werke der Wohlthätigkeit.

Die Provinz Hauran ist eine große fruchtbare Ebene, einst mit bedeutenden Städten bedeckt, nun mit ihren vielen Trümmern. Wir bringen achtzig Zeichnungen und Plane zurück, vorzüglich von den Städten Kannat, Sueda, Bostra, und weiterhin, in der Wüste des todten Meeres, von Tscherasa und Aman. Von Hauran wanderten wir nach Jerusalem, über Tiberias, Nazareth und Nablos.

Wir hatten das vorige Jahr die heilige Woche in Rom zugebracht, und nun auf der Reise unsere Einrichtungen so getroffen, um dieses Jahr sie zu derselben Zeit in Jerusalem zu feiern. Interessant ist der Gegensatz, den in diesen festlichen Tagen die beiden großen Städte der christlichen Welt darbieten.

Der erste Eindruck ist weit größer in der ewigen Stadt. Das volle, bewegte Leben, das während jener Feste in Rom herrscht, die stolzen Monumente, die darauf herunterblicken, stehen auf gleicher Höhe mit den großen Erinnerungen der Vorzeit, während in Jerusalem Menschen und Denkmale weit hinter den Erinnerungen zurückbleiben, sie stören und verunstalten, so daß man sie lieber ganz wegwünschte. Wenn der erste Priester der Christenheit, von seinem Klerus und von den aus allen Puncten der Erde zusammengeströmten Gläubigen, der Stadt und der Welt, urbi et orbi, seinen Segen gibt, von der Höhe des größten Monumentes herab, das der Geist des Menschen aufrichtete, während unten die unübersehbare Menge im tiefsten Schweigen auf den Knieen liegt, so trägt dieß Alles einen Charakter von Größe, von erhabener Feierlichkeit, den man in Jerusalem vergebens wieder suchen würde. Hier sind die heiligen Oerter unter der Obhut armer Mönche von allen Secten, aus den untersten Klassen der Gesellschaft, vielleicht grundehrlicher Leute, aber ohne Bildung und ohne Würde, die unter sich und gegen den Fremden von Nichts sprechen, als von ihren Zänkereien, und sich täglich gegenseitig bei den türkischen Behörden verklagen, die aus ihrem Haß Vortheil ziehen, ihre Erbitterung sich bezahlen lassen, und mit Schimpfworten und Stockschlägen die heiligsten Ceremonien stören. Diese geheiligten Stellen sind überdieß durch die geschmacklosesten Verzierungen und Ueberbauungen entstellt. Von diesem Allem aber muß der Reisende das Auge abwenden. Er muß Rom in seinem ganzen Glanze, Jerusalem in seiner ganzen Einsamkeit sehen; er muß in den Umgebungen dieser Stadt umherirren, allein mit seinen Gedanken, allein mit den Erinnerungen der Zeit, die nicht mehr ist; dann überschreitet der Geist die Kluft der Jahrhunderte; er sieht diese Orte wie sie waren, er erblickt in dem nackten Felsen die Krippe, Christus Wiege, die Wiege der Civilisation; er liest auf dem Stein des heiligen Grabes die Lehre, die jede Aufopferung predigt: das Theuerste hinzugeben, um das Höchste zu gewinnen!“

(Schluß folgt.)


Beaumonts Reisen in Buenos-Ayres.


(Fortsetzung.)

Bei all’ diesen ungünstigen Schilderungen des Landes und der Bewohner wird man stets an den Gegensatz erinnert, den damit Capitän Heads lebenvolle Darstellungen bilden. Welches Vergnügen gewährte es Head, zu Pferde durch jene wilden Gegenden zu schweifen; wie trefflich schmeckte ihm das unter seinem Sattel mürbe gemachte Fleisch; wie herrlich schlief er mit dem Pferdeschedel als Kopfkissen! Hr. Beaumont ist viel delicaterer Natur. Seinem feinen englischen Geschmacke wollte das wilde Leben, in welchem Head eine neue Welt, voll Kraft und Natur, aufging, nicht behagen, und zum Ueberfluß kamen noch seine betrogenen Erwartungen hinzu, um sein Urtheil überall wo er hinblickt so sauertöpfisch als möglich zu machen:

„In einem finstern und elenden Schuppen, der unsern Speisesaal vorstellte, und in der Mitte des Fußbodens, welcher aus der nackten Erde bestand, sah man ein Loch etwa zwei Fuß im Durchmesser. In diesem wurde einiges Holz angezündet, und an einem Spieße steckte ein mächtiges Stück Rindfleisch zum Braten. Rings um das

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 631. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_657.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)