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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Feuer lagen die Gerippe von Pferd- und Stierköpfen, welche zu Sitzen dienten. Eine lange dürre Gestalt, mit einem finstern häßlichen Gesichte, das von schwarzen borstigen Augenbrauen beschattet und mit langen Haaren umzottelt war, schürte das Feuer. Endlich kam die Stunde zum Mahle. Mehrere andere Peons traten herein, gesellten sich zu uns, und alsbald schritt man an’s Werk. Jeder nahm seinen Schedelsitz, rückte mit ihm zum Feuer, griff dann nach seinem langen Messer und machte sich fertig, dem Bratspieße seine Ehre anzuthun, indem er mit seinen schmutzigen Fingern das Fleisch überall betastete, um das weichste oder bestgerathene Bratenstück zu entdecken, und dann sich ein acht oder neun Zoll langes Stück abschnitt. Das eine Ende des so abgeschnittenen Stückes hielt er in der Faust, das andere steckte er in den Mund, und wenn er es so weit hineingebracht hatte, als es gehen wollte, schnitt er mit dem Messer durch. Alle priesen die Trefflichkeit des Fleisches, plauderten und lachten, so daß es einen oft Wunder nahm, daß sie nicht manchmal statt des Bratens sich die Nasen abschnitten. So groß auch die Fleischschnitte waren, so machten sie doch selten mehr als drei Mundvoll daraus, und diese würgten sie mit erstaunenswürdiger Fertigkeit hinunter. Nachdem so der Braten zerlegt und wenig mehr am Spieße übrig war, als ein bloßer Knochen, kam die Reihe an das zweite Gericht. Es wurde der Caldo, ein Topf mit Brühe und Fleisch, aufgedeckt; dieser stand ein wenig auf der einen Seite des Feuers, so daß die Tischgenossenschaft ihre Sitze weiter schieben und ihre Köpfe in einen engern Kreis zusammenrücken mußte. Einer griff frischweg mit den Fingern in den Topf hinein, und brachte das Fleisch zum Vorschein, das nun auf dieselbe Weise wie der Braten zersäbelt und verschlungen wurde. Die Brühe trank man in Muschelschalen, aber da die Zahl derselben nicht für alle hinreichte, so mußte eine Schale mehrere Lippen küssen. Indem sie die Brühe hinabschlürften, hielten sie ihre Köpfe (das heißt, nicht die worauf sie saßen, sondern ihre eigenen lebendigen) über den Topf, so daß nichts, was von ihrem Munde herunterrann, oder was, weil man es zu heiß fand, wieder ausgespuckt wurde, verloren ging, sondern zur gemeinschaftlichen Grundsuppe zurückfloß. Der Geschmack dieses Gerichtes war durch Nichts verfälscht, weder durch Salz, noch durch Gewürze, noch durch irgend eine Art von Kräuterwerk: man trank den reinen Fleischabsud. So ging der Schmaus fort und wurde mit vieler Ergötzlichkeit geendigt. Mein Gefährte erklärte das Rindfleisch für ausnehmend schmackhaft und fand sich überhaupt so wohlbehaglich, als wäre er als Gaucho geboren und erzogen; mein Magen aber wollte sich noch nicht an die neue Lebensart gewöhnen. Die Behaglichkeit, mit der meine finstern und schmutzigen Tischbrüder an dem Braten herumtappten; die Gier, mit welcher sie die Schnitten faßten und verschluckten; die Behendigkeit, mit der sie das gekochte Fleisch mit den Fingern zerrissen, und Schlund und Bart mit der Brühe badeten – alles dieß vermochte so wenig mich zum Wetteifer zu begeistern, daß ich eher die ungestümen Forderungen meines Magens (denn ich hatte den ganzen Tag nichts gegessen) zur Ruhe wies, als daß ich mich entschließen konnte, mich der Tafelrunde anzuschließen. Ich fühlte einige Uebelkeit und ging zu Bette, das heißt, ich breitete auf dem nackten Boden eines Nebenschuppens eine Haut zu meinem Lager aus, nahm meinen Sattel als Kopfkissen, meine Kleider als Decke. Doch vergeblich hoffte ich auf Schlaf und Ruhe; kaum hatte ich mich hingestreckt, als ich von Legionen Flöhen angefallen wurde. Die Eingebornen sind im Ganzen den Fremden hold, aber noch mehr ihre Flöhe; diese fraßen mich fast vor Zärtlichkeit. Sie zu fangen, daran war nicht zu denken; das Einzige, was ich versuchen konnte, war, sie zu schrecken und von ihrem Leckermahle zu verjagen. Um dieß zu bewerkstelligen, mußte ich mehrere Stunden lang mit Händen und Füßen zappeln und schlagen, wie ein galvanisirter Frosch, bis ich endlich, von Ermüdung überwältigt, in Schlaf fiel und ihren ruchlosen Willen ungestört gewähren ließ. O Dio! chi probo mai tormento eguale al mio! Als ich erwachte, dauerte noch ihre Schwelgerei fort: freilich fiel mancher unter der Hand vergeltender Gerechtigkeit, viele suchten ihr Heil auf der Flucht, aber gleich den Parthern waren sie kaum aus einer Stellung vertrieben, als sie schon an einer andern ihr Angriffe erneuerten; so blieb mir endlich keine Zuflucht mehr, als mich auf und davon zu machen. Als ich die freie Luft gewann, gelang es mir dadurch, daß ich meine Kleider auszog und tüchtig ausschüttelte, meine Quälgeister, die sich zuletzt so angesaugt hatten, daß sie es kaum mehr zu einem erklecklichen Sprung bringen konnten, aus ihren Quartieren zu schlagen.“

(Schluß folgt.)


Unterrichtswesen in Dänemark.

Die Methode des gegenseitigen Unterrichts macht in Dänemark sehr bedeutende Fortschritte. Nach einem neuern, dem Könige von dem Ritter Abrahamson vorgelegten Berichte, bestand im J. 1819 nur eine einzige nach dieser Methode eingerichtete Schule in Dänemark. Durch ein Decret vom 3 Sept. 1822 ward die Einführung jener Methode in allen Schulen erlaubt, nachdem die Sache vorher im Staatsrathe, in Gegenwart des Königs, berathen worden war. Die Resultate des Decrets sind folgende:

Den 31 Decbr. 1823 bestanden 244 Schulen
Den 31 Decbr. 1824 bestanden 605 Schulen
Den 31 Decbr. 1825 bestanden 1143 Schulen
Den 31 Decbr. 1826 bestanden 1545 Schulen
Den 31 Decbr. 1827 bestanden 2003 Schulen

Bereits haben 268 neue Schulen zu Einführung der neuen Methode sich bereit erklärt. Die gegenwärtige Zahl der Primärschulen des Königreichs beträgt im Ganzen 4500, nämlich 4100 öffentliche, und 400 Privatschulen. Bewogen durch die vortheilhaften Resultate sollen alle diese Schulen nach der Lancaster’schen Methode reformirt und zugleich ihre Anzahl vervollständigt werden.

Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 632. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_658.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)