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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 161. 9 Juny 1828.

Ireland und die Emancipation der Katholiken.[1]


Erster Artikel.
Die dießjährigen Parlaments-Verhandlungen.

Seit im März 1801, unmittelbar nach der Union von Ireland mit Großbritannien, zuerst im brittischen Parlamente der Vorschlag, den Katholiken in den vereinigten Königreichen gleiche bürgerliche Rechte mit den Protestanten einzuräumen, in Anregung gebracht wurde, hat die Frage der „Katholiken-Emancipation,“ die damals selbst in England nur durch zufällig mit derselben verbundene Umstände eine vorübergehende Theilnahme fand, allmälig in gleichem Maaße an allgemeinem Interesse wie an politischer Wichtigkeit gewonnen. Von Jahr zu Jahr werden in beiden Häusern des Parlaments die Debatten über die Emancipation erneut; die unermeßlichen Spalten der Times und des Morning-Herald, des Chronicle und des Courier u. s. f., so wie die mäßigeren Folio- und Quartcolumnen der französischen und deutschen Blätter füllen sich mit den Verhandlungen, die der Zeitungsleser begierig verschlingt und, je nachdem der Erfolg seinen vorgefaßten Meinungen, Erwartungen und Wünschen entspricht oder entgegen ist, mit glatter oder gerunzelter Stirn, mit freundlicher und selbstgefälliger, oder mit unwilliger und mißvergnügter Miene, wenn er sie durchlaufen hat, wieder bei Seite legt.

Nachdem früher schon bisher die größten Staatsmänner Englands, zuerst der berühmte Pitt, nach ihm sein Gegner Fox, und in neuerer Zeit sein Schüler Canning sich für diese Sache ausgesprochen hatten, war es in der dießjährigen Parlamentssitzung ein zwar ausgezeichnetes, doch mit jenen Männern weder an Talent, noch an Einfluß irgend zu vergleichendes Mitglied der Oppositionspartei, Sir Francis Burdett, der die so oft verworfene Bill zu Gunsten der Emancipation aufs neue dem Hause der Gemeinen vorlegte.[2] Alle Gründe der Politik und – so selten auch theoretische Sätze von dem derben Britten in practischen Fragen geltend gemacht werden – alle Gründe des natürlichen Rechts und der Moral waren durch seine Vorgänger erschöpft; Burdett suchte in den letzten Jahren den Streit in ein engeres Gebiet zu spielen, indem er das, was die meisten nur als freie Gabe, oder als unvermeidliches Zugeständniß des brittischen Volkes verlangt hatten, nun vorzugsweise als einen auf bestimmte Verträge gegründeten, ohne Verletzung von Treu und Glauben nicht abzuweisenden Rechtsanspruch der Katholiken nachzuweisen bemüht war. Der Staatssecretär Peel,das Haupt der Gegner der Katholiken im Unterhause, hatte in den Debatten vom 6 März 1827 die Versicherung ertheilt, daß seine Meinung sich wesentlich ändern würde, sobald er überzeugt werden könnte, daß man den Tractat von Limerick – den letzten mit den Katholiken in Ireland geschlossenen förmlichen Friedensvertrag (i. J. 1690) – verletze, indem man ihnen die jetzt für sie nachgesuchten Privilegien vorenthalte. Diese Aeußerung war der Text, den Sir Francis Burdett in der Rede, durch welche er seine Motion unterstützte, commentirte. Er führte die Artikel des Tractats an, von denen der erste folgendermaßen lautet:

     „1. Es ist die Uebereinkunft getroffen worden, daß die römisch-katholischen Einwohner dieses Königreiches aller Privilegien in der Ausübung ihrer Religion genießen sollen, die mit den Gesetzen von Ireland vereinbar sind, oder die sie unter der Regierung von König Karl dem Zweiten genossen; und Ihre Majestäten (König Wilhelm und seine Gemahlin) werden, sobald Ihre Angelegenheiten Ihnen gestatten, ein Parlament in diesem Königreiche zusammen berufen, bemüht seyn, den benannten römisch-katholischen Einwohnern jede weitere Sicherheit in dieser Beziehung auszumitteln, die sie gegen alle Störungen aus dem Grunde ihrer Religion schützen kann.“ [3]

  1. Benutzt wurden bei diesem Aufsatz, außer den Parlaments-Verhandlungen d. J. in den englischen Blättern: The History of Ireland, by Th. Leland. London 1773. III vols. 8. J. O’Driscols History of Ireland. Lond. 1827. (Beide nur bis zu dem Tractat von Limerick). Hegewisch, Uebersicht der irländischen Geschichte, Altona, 1806. 8. (Bloße Compilation, aber von 1690 an, als Fortsetzung der obigen Werke brauchbar). Lettres sur les Elections Anglaises et sur la Situation de l’Irelande, Paris, 1827. 8. (Von dem bekannten Duvergier de Hauranne). Westminster Review, 1827. N. XIII und XV. Edinburgh Review, 1826. N. LXXX, Blackwood’s Edinburgh Magazine, Mai 1828, p. 621. ff. – Vergl. die gehaltvollen Aufsätze von A. H. (Huber) in den politischen Annalen. B. 20. (1826) S. 131 ff. 230 ff. B. 24 (1827) S. 149 ff. 249. ff.
  2. Am 9 Mai, s. Times und Morning-Herald vom 10.
  3. It is agreed, that the Roman Catholics of this kingdom shall enjoy such privileges in the exercise of their religion as are consistent with the laws of Ireland, or as they did enjoy in the reign of king Charles the Second; and their Majesties, as soon as their affairs will permit them to summon a Parliament in this kingdom, will endeavour to procure the said Roman Catholics such further security in that particular, as may preserve them from any disturbance upon account of their said religion.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 641. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_667.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)