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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

dich von einer Spinne zu unterscheiden. Dein Aussehen ist so, daß es das ganze Katzenvolk roth macht: ja wir müssen uns schämen, wenn du dein Marterbild zur Schau trägst.

Du hast zwar Katzenohren, Katzenwuchs,
Doch bist du spinnenartig sonst genug.

Du sollst des Sultans Palast sehen und die herrlichen Fleischtöpfe kosten: gewiß wird die Haut um diese abgezehrten Knochen wieder ausgefüllt; du wirst neu aufleben; du mußst hervor hinter diesem Vorhang der Unsichtbarkeit auf das Feld der Beobachtung.

Bring ihm auf’s Grab den süßen Lieblingsduft
Und aus der Asch’ ersteht das Leckermaul.

Des alten Weibes Katze wendete sich flehentlich an die andere: O meine Schwester, rief sie aus, habe ich nicht die heiligen Ansprüche der Nachbarschaft an dich? Sind wir nicht verbunden durch die Bande des Bluts? Was hielte dich ab, mir einen Beweis deiner Freundschaft zu geben und mich bei deinem nächsten Besuch in den Palast mitzunehmen? Vielleicht daß durch deine Gunst mir Ueberfluß zuströmt, daß ich unter deinem Schutz zu Ehren und Ansehen gelange.

Das Herz der Abträgerin des Sultans schmolz bei dieser pathetischen Anrede. Sie versprach ihrer neuen Freundin, daß sie sie das nächste Mal nach dem Palast begleiten solle. Die letztere, entzückt über die Zusicherung, begab sich unmittelbar von dem Altan herab zu ihrer Alten und erzählte ihr die ganze Begebenheit.

Liebe Freundin, sagte diese, laß dich nicht verführen durch die Sprache der Welt, die du gehört hast; bleib in unserem stillen zufriedenen Winkel, denn der Becher der Wollust ist mit Moder gefüllt, und das Auge der Begierde und der Hoffnung schließt sich nur durch den Zwirn des Schicksals und die Nadel des Todes.

Zufrieden seyn, das macht den Menschen reich.
Merkt’s, Gier’ge, euch, die ihr die Welt durchirrt:
Der kennt und zollt nicht Liebe seinem Gott
Wer über sein Geschick unwillig murrt.

Allein der erwartete Schmaus hat sich dergestalt in der Einbildungskraft der Katze festgesetzt, daß der heilsame Rath des alten Weibes keinen Eingang findet.

Wer Widerspenst’gen rathet, sperrt den Wind
In’s Käfig, füllt das Wasser in ein Sieb.

Die halbverhungerte Katze humpelte demnach in der Gesellschaft ihrer neuen Bekanntin nach des Sultans Palast. Wie es aber zu gehen pflegt, daß die Gedanken der Habsüchtigen vereitelt werden, so war daselbst, ehe der arme Schelm noch hin kam, ein außerordentliches Ereigniß eingetreten, und der Unstern wollte, daß die trübe Fluth vereitelter Hoffnung in die Flammen des unreifen Ehrgeizes sich ergießen sollte. Der Fall war dieser. Tags zuvor hatte ein ganzes Heer von Katzen den Schmaus umlagert und einen solchen Lärmen verführt, daß die Gäste auf’s Höchste beunruhigt wurden; deswegen hatte der Sultan für den folgenden Tag befohlen, daß einige tatarische Bogenschützen sich in den Hinterhalt stellen, und auf jede Katze, bei dem ersten Bissen, den sie fräße, den Pfeil anlegen sollten. Des alten Weibes Katze war von diesem Befehl nicht unterrichtet. In dem Augenblick, als die Fleischdüfte in ihre Nase stiegen, flog sie darauf los, wie ein Adler auf seinen Raub. Aber kaum hatte sie das Gewicht eines Mundvolls auf die Wagschale ihres Hungers gelegt, als der herzspaltende Pfeil sie durchbohrte. <poem>Ein Strom von Blut rauscht aus der wunden Brust. Sie flieht in Todesangst, indem sie ausruft: Läßt mich der Himmel dieß Mal noch entkommen, Zufrieden will ich seyn mit meiner Maus Und mit der Hütte meiner alten Frau. Dem Honig ist ein Stachel beigesellt: Mir frommt am besten meine mäß’ge Kost.“

Wo wäre hier, könnte Jemand fragen, jenes unmäßige Schwelgen der Sprache auf den blumigen Gefilden der Einbildungskraft, jener hyperbolische Stil, den die Perser selbst mit einer feurigen Stute vergleichen? So arg ist es nun freilich in der Regel nicht, und der übertriebene Kanzleistil, dessen man sich bei Eingängen zu Briefen, Büchern oder Urkunden bedient, scheint fast als eine Ausnahme von der gewöhnlichen Gesetzgebung des guten Geschmacks betrachtet werden zu müssen. Jener findet aber auch nicht Worte, Bilder und Metaphern genug. Welche scrupulöse Gewissenhaftigkeit besonders im Beilegen von Titeln, welche Verschwendung von Witz, damit ja keine Höflichkeit vergessen, jede dem Rang und der Macht gebührende Rücksicht beobachtet werde! Wenn in öffentlichen Acten der Name des Königs erwähnt wird, so darf nicht nur Niemand über ihn gesetzt, sondern auch Niemand ihm gleichgesetzt werden; der König muß schlechterdings der in seiner Art Einzige seyn; läßt er sich jedoch herab, mit einem fremden Fürsten in Unterhandlungen zu treten, wo er denn nicht umhin kann, diesem eine Anzahl Ehren beizulegen, so wird sicherlich vorgebeugt, daß er sich selbst nichts vergibt. So hieß in dem zwischen Persien und England im Jahr 1800 abgeschlossenen Tractat der Schah „die Zuflucht der Welt; der Juwel im Ring der Könige; der Schatten des Schattens Gottes; ein Khosru, dessen Sattel der Mond und dessen Steigbügel der Neumond ist; ein Herrscher des Alls; ein Kaherman, ein Alexander, ein Fürst von hohem Rang, vor dessen Angesicht die Sonne sich verhüllt,“ während der König von England zwar auch die Zuflucht der Welt und ein Hauptjuwel in der Krone des Königthums war, aber doch mit seiner Herrschaft so ziemlich auf die See verwiesen wurde – als „Anker der Flotte des Siegs und des Glücks.“

Ich fragte Aga-Mir, mit dem ich mich über diesen Gegenstand unterhielt, ob alle ihre Monarchen solche Freunde der Hyperbeln gewesen seyen? „Nicht alle, sagte er; z. B. der letzt verstorbene König Aga-Mahommed war durch seinen Haß gegen jede Prunkdarstellung bekannt. Wenn seine Sekretäre ihre schmeichelnden Einleitungen begannen, verlor er oft die Geduld und rief: zur Sache, ihr Schurken (bi-mezmum, badbakht)! Vielleicht wären diese Redensarten aus der Mode gekommen, wenn er länger

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 647. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_673.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)