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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

gelebt hätte; aber der gegenwärtige König bildet sich selbst etwas darauf ein, ein guter Dichter und Prosaist zu seyn, und die Folge davon sind solche Prachtstücke von Eingängen, wie ihr in eurem Tractat eines aufzuweisen habt, welches, wie ich weiß, seines besondern Beifalls sich zu erfreuen hatte.“

Auf jeden Fall sind die ausgezeichnetsten Schriftsteller Persiens dieser Rhetorik ziemlich fremd. In den Werken ihrer ersten Dichter, eines Ferdusi, Nizami, Sadi und Anweri findet man Stellen genug, die eben sowohl durch die Schönheit und Kunstlosigkeit des Ausdrucks als durch die Wahrheit und Erhabenheit der Gesinnung classisch sind; und viele ihrer Geschichtschreiber geben uns reine Erzählungen von Thatsachen ohne die Beigabe jener manirirten Ausstattung, welche der gewöhnliche Fehler ihrer Landsleute ist.

Wie einfach beschreibt Sadi die Frucht einer guten Gesellschaft:

„Ich war eines Tags im Bad, da legte ein Freund von mir ein wohlriechendes Stück Thonerde in meine Hand. Ich nahm sie und sagte zu ihr: Bist du Bisam oder Ambra, denn dein Duft bezaubert mich? Sie erwiederte: Ich war eine bloße verachtete Thonerde; aber ich kam in die Gesellschaft der Rose, und die süße Eigenschaft meiner Gefährtin theilte sich mir mit, sonst wäre ich eben wie ich zu seyn scheine, ein Stück Thonerde.“

Oder das Wesen echter Liebe:

„Es war einmal ein zärtlicher und liebenswürdiger Jüngling, der war verlobt mit einem schönen Mädchen. Ich las, daß sie auf der hohen See schifften, und mit einander in einen Wirbel fielen. Als nun ein Matrose kam, und dem jungen Mann die Hand reichte, daß er ihn errettete aus dem Verderben, rief derselbe laut und zeigte auf seine Geliebte mitten aus den Wassern: Laß mich und rette meine Gebieterin! Die ganze Welt bewunderte ihn ob dieser Rede, und da er starb, hörte man sagen: Lerne die Geschichte der Liebe nicht von dem Elenden, der seine Geliebte in der Stunde der Gefahr vergißt.“

(Fortsetzung folgt.)

Volksbildung in England.

Von L. Snell.

Die Mechanics Institutions in England, so wie das ganze System, von dem sie nur einen Theil bilden, sind eine der größten und in jeder Hinsicht wohlthätigsten Erscheinungen aller Zeiten auf dem Gebiete der Volksbildung. Dieses System, ursprünglich nur bestimmt, um einen Mangel, nehmlich die schlechte Beschaffenheit des vom Staate eingerichteten Unterrichtswesens, als Nothbehelf zu ersetzen, nahm bald als Volksanstalt einen selbstständigen Charakter auf eigentümlichem Boden an, und bildete sich innerhalb fünf und zwanzig Jahren zu einem bewundernswürdigen Umfang aus. Gering waren die Geldhülfsmittel, auf denen es Anfangs fußte; aber Gemeingeist und Sinn für geistige Kultur hauchten ihm ein solches inneres Leben ein, daß es in kurzer Zeit sich über den größten Theil dieses gesegneten Eilandes verbreitete, neue treffliche Institute aus sich entwickelte, und eine Quelle von Aufklärung und wissenschaftlicher Bildung wurde, die bis in die niedrigsten Hütten Sinn für Lectüre und Unterricht verbreitete, Kenntnisse, welche bis dahin nur das Vorrecht der höhern Stände betrachtet wurden, zu einem Gemeingut der ganzen Nation machte, endlich die größten Fortschritte in allen Zweigen der Industrie und eine Steigerung der Einsichten des Volks in allen öffentlichen Interessen verbürgt, die nur von den wohlthätigsten Folgen seyn kann.

Das Verdienst, das die Beförderer dieses System – unter denen der mit Recht in England so gefeierte Birkbeck oben an steht – sich dadurch erworben haben, ist über jeden Vergleich mit irgend einem andern ähnlichen erhaben. Alle unsere Anstalten zur Beförderung der geistigen und sittlichen Cultur, unsre Verbesserungen der Schulen und Gymnasien, die Einrichtung neuer Universitäten u. s. w. werden kein großes Resultat hervorbringen; die Menschheit wird im Ganzen wenig voranschreiten, so lange die große Masse des Volks in der trägen Unwissenheit wie bisher in den meisten Ländern Europa’s fortlebt. Unsere ganze Cultur schwebt in der Luft, wir sind nicht vor der Rückkehr der Anarchie oder Tyrannei, blutiger Autodafe’s und des scheuslichsten Gewissenzwanges sicher, bis die schlummernden Menschenkräfte in der großen Masse geweckt, und die Völker an Geist und Herz, an Einsicht und Wille höher humanisirt sind. „Wer dafür arbeitet, sagt ein hochherziger Britte[1], erwirbt sich ein unvergleichliches Verdienst. Den Anbruch des glänzenden Tags zu beschleunigen, wo das Licht allgemeiner Aufklärung die trüben trägen Nebel selbst von der Basis der großen Socialpyramide verscheuchen wird – dies in der That ist ein hoher Beruf, zu dem auch das glänzendste Talent, die vollendetste Tugend, sich ängstlich um einen Antheil herbeidrängen mag.“

Gleichwohl ist dieses System in Deutschland nur wenig und höchst unvollkommen gekannt. Wir wollen daher versuchen, in gegenwärtigem Aufsatz eine ziemlich vollständige und genügende Auskunft von diesem System des Volksunterrichts im Großen in England, wie wir es nennen wollen, zu geben. Der Deutlichkeit halber werden wir diesen Aufsatz in drei Abschnitte theilen; in dem ersten wollen wir Geist und Bestimmung dieses Systems im Allgemeinen erläutern; im zweiten eine Characterisirung der praktischen Seite desselben; und im dritten eine historische Entwicklung seines allmähligen Aufwachsens versuchen. Der zweite und dritte Theil können jedoch in Absicht der historischen Notizen nicht ganz gesondert werden. Die Quellen, die uns leiten, sind theils eigne Anschauung während eines mehrjährigen Aufenthaltes in England, theils mündliche Notizen, die wir in dieser Zeit von ausgezeichneten Patronen dieser Anstalten empfangen haben; endlich mehrere Schriften, besonders die Schrift Brougham’s [2]) die im Jahre 1825 bereits einige und zwanzig Auflagen erlebt hatte.

(F. f.)
  1. Henry Brougham, in seiner Inauguralrede zu Glasgow. Aus dem Englischen übersetzt. Jena in der Crökerschen Buchhandlung 1826.
  2. Practical Observation upon popular Instruction etc.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 648. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_674.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)