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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

irischen Freiwilligen sich zur Vertheidigung des Landes bewaffneten, erwachten in England ehrenhaftere und großmüthigere Gefühle zu Gunsten der so ungerecht Unterdrückten. Die irischen Freiwilligen verlangten eine Constitution; und bald darauf wurden die Gesetze, welche damals gegen die Katholiken in Kraft waren, in ihrer Strenge etwas gemildert und ein weniger tyrannisches System eingeführt. Die Iren waren zu Männern gereift und hatten sich als solche bewährt; aber dann folgte jene Periode (der Aufstand von 1798), wo ihr Vaterland der Schauplatz von Scenen des Schreckens, der Verzweiflung und des Blutvergießens wurde, welche Alles übertreffen, was die Geschichte von Beispielen des Elends und des Jammers anführt. Neue Ansprüche auf ihre völlige Emancipation, und zwar eben so starke, als durch den Tractat von Limerick, erhielten die Katholiken erst durch die Union von Ireland und die Verpflichtungen, die damals im Namen Englands von dem Manne eingegangen wurden, welcher diese Maßregel vorschlug und bewirkte – Mr. Pitt. Pitt faßte den Zustand von Ireland mit dem tiefen Blick des Staatsmannes auf; er sah die Noth und das Elend, von denen dieses Land bedrängt war, er sah die Möglichkeit einer Wiederkehr der traurigen Scenen, welche dasselbe verwüstet hatten und er sah ein, daß die Zeit gekommen sey, wo Ireland zu einem gemeinschaftlichen Interesse mit England vereinigt werden müsse. Die Emancipation wurde damals als die Maßregel angesehen, welche Pitt’s Verdiensten die Krone aufsetzen würde, als die wahre Seele der Union; und allerdings, wenn die Versprechungen, die damals dem Volke von Ireland ertheilt wurden, nicht gelöst werden, so ist es, als ob der Union das Herz ausgerissen würde. – Die Katholiken fordern, wie aus allem bisher Gesagten hervorgeht, nichts als was sie nach Recht und Billigkeit vollkommen befugt sind zu fordern; aber selbst angenommen, daß sie keine Ansprüche dieser Art hätten, müßte man fragen, ob sich wohl ein Beispiel in der Geschichte finde, wo ein eroberndes Volk nicht stets versucht hätte, die Interessen des eroberten Landes mit dem seinigen zu verschmelzen und beiden Völkern gleiche Rechte zu geben? Als der sehr ehrenwerthe Herr gegenüber (Peel) von Mr. Canning gefragt wurde, ob er vor dem Papst oder dem Prätendenten Furcht habe, antwortete er, er fürchte sich von keinem von beiden. Dieses Geständniß war von der äußersten Wichtigkeit; durch dasselbe hört jeder Vorwand für die Ausschließung der Katholiken von bürgerlichen Rechten auf; denn als jene Maßregeln der Ausschließung getroffen wurden, geschah dieß nur in der Furcht vor dem Papst und dem Prätendenten, und in der Absicht, sich gegen diese zu sichern. Wenn also der sehr ehrenwerthe Herr seine Furcht in dieser Beziehung aufgegeben hat, dagegen noch andere Besorgnisse hegt, so mag er auftreten und Bürgschaften der Sicherheit verlangen, wie er sie für zweckmäßig hält. Die Frage von der getheilten Unterthanenpflicht gegen den Staat und gegen den Papst aufzuwerfen, ist in jeder Beziehung lächerlich, da die Katholiken keine Unterthanenpflicht gegen den Papst haben. Als diese Frage vor einigen Jahren einer katholischen Universität vorgelegt wurde, war die Antwort: daß man sehr erstaunt darüber sey, wie eine Frage dieser Art in unserem Zeitalter der Beurtheilung einer gelehrten Gesellschaft vorgelegt werden könne; der Papst habe, außer in geistlichen Dingen, weder Gewalt noch Einfluß. Die katholischen Bischöfe von Ireland haben hierüber die feierlichste Erklärung abgelegt, und hat der Papst nicht selbst in seinem Schreiben an die Staaten von Mexico jede Dazwischenkunft in ihre weltlichen und bürgerlichen Angelegenheiten auf das Entschiedenste abgelehnt?

Die gewöhnliche Methode der Gegner der Emancipation ist, jene Tage hervorzuziehen, die vergangen sind und nie wieder zurückkehren können, als Männer ohne sittliche Grundsätze im Besitz der Gewalt waren. Während dieser dunkeln Zeiten wurden allerdings Verbrechen begangen, vor denen die Menschheit schaudert; aber ist es nicht höchst ungerecht, die gegenwärtige Generation wegen der Vergehen der Menschen zu bestrafen, die damals die Gewalt hatten? So führt man die Annalen der blutigen Königin Maria und Philipps II an und die Gräuelthaten, die von diesen Tyrannen verübt wurden; mit demselben Rechte könnte man den heutigen Römern die Gräuel Nero’s zum Verbrechen machen. Es ist kindisch, von den Scheiterhaufen von Smithfield zu sprechen; ja es ist mehr als kindisch, denn indem man dieß thut, verräth man den Wunsch, sie auf’s Neue anzuzünden und gegen die Katholiken zu wenden. Namentlich in Bezug auf die Iren ist es merkwürdig, daß zu der Zeit, als diese Scheiterhaufen brannten, die Protestanten vor der Verfolgung, die sie in England traf, nach Ireland flohen und von dem katholischen Volke dieses Landes mit aller Gastfreiheit aufgenommen wurden, die dem Iren so eigenthümlich ist. Nicht allein beschützten die Iren diese unglücklichen Protestanten gegen die Gewalt, sondern sie erlaubten ihnen sogar, zu einer Zeit, wo der Katholicismus in England, wie in Ireland, die Oberhand hatte, die ungestörte Ausübung ihrer Religion. Ist es unter diesen Umständen gerecht, die Grausamkeiten des Jahres 1500 im Jahre 1828 wieder hervorzuheben und dem irischen Volke zur Last zu legen? Sollten nicht im Gegentheil die Aufrechthalter des Protestantismus Mitgefühl haben mit den Nachkommen der Beschützer ihrer damaligen Glaubensverwandten, – mit dem armen Volke von Ireland, welchem, statt dessen, täglich die ungerechtesten Vorwürfe gemacht werden?

Es gibt einige unter diesen Herren, welche sagen, daß das Volk von Ireland sich um die Emancipation nicht bekümmere. Aber das Gefühl der Opposition gegen die englische Unterdrückung läuft durch die ganze Bevölkerung des Landes; nicht einer ist darin, der nicht überzeugt wäre, daß diese Maßregel sie von der Schmach und Herabwürdigung befreien würde, unter der sie gegenwärtig leiden. Kein Volk ist empfindlicher, als das irische; sie sind dieß in höherem Grade, als irgend ein anderes Volk der Erde; und nicht der elendeste Bewohner einer Hütte unter ihnen ist so tief gesunken, daß er gegen diese moralische Entwürdigung gefühllos wäre. Nur durch Unkenntniß von

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 652. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_678.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2023)