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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Ireland kann man verleitet werden, das Gegentheil zu glauben. Man hat gesagt, daß nur einige Advocaten und Edelleute für die Emancipation interessirt wären, indem sie die Aussicht hätten, durch dieselbe Zutritt in das Parlament zu erhalten; aber wie wollte man bei dieser Ansicht die katholische Rente[1] erklären? Für diese legt der arme Mann in Ireland seine kümmerliche Ersparniß bei Seite, um sich von dem Brandmal zu reinigen, das auf ihm haftet. Man hat endlich gesagt: die Emancipation würde die Armen nicht reich machen. Aber mögen die Herren, welche dieser Meinung sind, die Uebel betrachten, die Ireland seit der Union getroffen haben. Der Grund, weshalb nicht schon diese den Armen reich machte, war nur, daß sie das Land nicht bewohnbar machte für seine Eigenthümer und eben so wenig die geringste Anziehungskraft für die englische Speculation darbot. Denn so wie die Dinge standen, konnte man von Niemand erwarten, daß er freiwillig seine Wohnung in diesem unglücklichen Lande nehmen würde.“ –

Sir Francis schloß, indem er die Hoffnung ausdrückte, daß er keinen der Gründe übergangen habe, welche für die vorgeschlagene Maßregel anzuführen wären und daß er das Glück haben würde, dem Hause die Veranlassung zu geben, die Segnungen des Friedens über Ireland zu verbreiten. Ehe er sich indessen niederließe, wünschte er noch ein Wort über einen Gegenstand zu sagen, von welchem bei dieser Gelegenheit wahrscheinlich noch die Rede seyn werde; er meine die Sicherheiten, die man von den Katholiken fordere. Seine Meinung in dieser Beziehung sey, daß es keine Sicherheit gebe, die nur einen Augenblick Ueberlegung verdiene, wenn man sie mit der vergleiche, welche nothwendig aus dem Gefühl hervorgehen würde, das jeder Britte dann würde nähren dürfen, gleiche Rechte zu besitzen und sich des Schutzes gleicher Gesetze zu erfreuen. Keine Sicherheit sollte wünschenswerther seyn für den Staat, als die, welche aus der allgemeinen Zufriedenheit des Volkes hervorgeht.

Der General-Solicitor (Procurator) der Krone, der zuerst gegen die Emancipation das Wort nahm, bemerkte in Bezug auf die Folgerung, die Sir Burdett aus den Artikeln des Tractats von Limerick gezogen hatte, daß dieß ein Verfahren sey, wie es zwar bei Gerichtshöfen, aber nicht bei Streitfragen der Politik angewendet zu werden pflege. Mit demselben Rechte, sagte er, kann man bei einer andern Gelegenheit sich vielleicht auf einen Vertrag berufen, der zur Zeit der Kämpfe zwischen den Häusern von York und Lancaster oder in einer noch entfernteren Periode geschlossen wurde. – Nie hat es einen Staat gegeben, welcher nicht Personen, deren Gesinnungen mit seiner Sicherheit und der Wohlfahrt seiner Bürger im Allgemeinen unverträglich waren, von Stellungen des Vertrauens und der Macht, so wie von bürgerlichen Aemtern ausgeschlossen hätte. Wer würde daran denken, einen Quäker an die Spitze der Staatsgewalt zu stellen, der nach dem Buchstaben der Lehre, keinen Widerstand zu leisten, handelte, oder einen deutschen Wiedertäufer (German Anabaptist) zum Richter zu machen? – Ohne auf die Streitigkeiten, Anklagen und Vorwürfe der Vergangenheit zurückzugehen, kann man annehmen, daß auch die Gesetze gegen die Katholiken damals, als sie gegeben wurden, in der Nothwendigkeit begründet und durch die Weisheit unserer Vorfahren dictirt waren. Die Männer, welche in den Tagen der Revolution am stärksten auf diese Gesetze drangen, werden allgemein als die Trefflichsten und Weisesten ihrer Zeit betrachtet. Und von der Zeit der Reformation bis auf die Union zwischen England und Ireland ist kein wichtiger Staatsvertrag eingegangen worden, ohne daß die feierlichsten Verpflichtungen in Bezug auf die Sicherheit der herrschenden Kirche in denselben aufgenommen worden wären. Die ganze Frage beruht daher jetzt auf dem einzigen Puncte: ob eine solche Veränderung in den religiösen Gesinnungen und Meinungen der Katholiken eingetreten ist, daß die gesetzgebende Gewalt gerechtfertigt werden könnte, wenn sie ohne irgend eine weitere Vorsorge oder Sicherheit ihnen die Thür der Constitution öffnete. Leicht kann man zeigen, daß keine solche Veränderung statt gefunden hat. Die Katholiken behalten noch immer dieselben Meinungen, zu denen sie sich stets bekannt haben, und würden ohne Zweifel auch wieder nach denselben handeln, wenn sie zur Macht gelangten. Die Thatsachen, welche dieß beweisen, sind unbestreitbar. Nie hat es eine Periode in England gegeben, wo katholische Bischöfe in England ernannt worden wären, ohne Zustimmung der Krone, oder wo man Bullen oder Verordnungen des römischen Stuhles die Circulation gestattet hätte, ohne daß sie der Aufsicht des Souveräns unterworfen gewesen wären. Und dennoch haben die Katholiken von Ireland durch das Medium der Prälaten, die sie repräsentiren, sich geweigert, jenen alten anerkannten Grundsatz gelten zu lassen. Im Jahre 1813 erklärten die katholischen Bischöfe, daß sie durch das Zugeständniß eines Veto’s in ein Schisma fallen würden: und die gesammte katholische Geistlichkeit war das Echo dieser Lehre. Die Kirchspielpriester der Diöcese von Dublin erklärten, daß sie es zu allen Zeiten für unzweckmäßig hielten, einem antikatholischen Gouvernement ein Veto zuzugestehen: gegenwärtig aber nicht blos für unzweckmäßig, sondern für unheilschwanger für die katholische Kirche. Es gibt keinen Staat in Europa, in welchem die Katholiken so unvernünftige Forderungen machten, als in Großbritannien. In Oesterreich hat der Kaiser die Controlle über die Ernennung der Bischöfe; in Sicilien und Neapel darf keine Bulle des Papstes promulgirt werden, die nicht vorher das königliche exequatur erhalten hat; in Frankreich ist nach den Rechten der gallicanischen Kirche jede Bulle ohne dasselbe null und nichtig. In Spanien sogar, dem wahren Heerde des Katholicismus, herrscht derselbe Grundsatz. Und um nur zwei Staaten zu verwähnen, wo die Souveräne nicht katholischer Religion sind,

  1. Eine freiwillige Abgabe an die katholische Gesellschaft, um durch dieselbe die armen katholischen Pächter zu unterstützen, die von ihren protestantischen Herren verfolgt werden, weil sie bei der Parlamentswahl den Gegnern der Emancipation ihre Stimmen versagten.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 653. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_679.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2023)