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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Beförderer der Volkskultur stehen die durch Wissenschaft, Geist und Vaterlandsliebe ausgezeichnetsten Männer Englands, unter welchen wir Birkbeck, der die erste Anregung gab, und den ersten Versuch machte, Brougham, den Herzog von Sussex, Fr. Burdett, Lushington, Mackintosh, Gilchrist, Mill, Mac Culloch, Jeremy Bentham, Gregory, und die großen Künstler Taylor und Perkins nennen wollen.

Wir versuchen nun in der zweiten Abtheilung eine nähere Characteristik der praktischen Seite dieses Systems der Volksbildung im Großen.

Von dem eben angedeuteten Grundsatze ausgehend, daß das Volk selbst die Quelle und das Werkzeug seiner höhern geistigen Vervollkommnung seye, daß aber die Bemittelteren und Gebildetern es in seinen Bemühungen unterstützen müssen, haben die Freunde der Volksbildung vor Allem ihre Aufmerksamkeit auf die Hindernisse gerichtet, welche jenem Ziele im Wege stehen – Mangel an Geld und Mangel an Zeit. Eine Folge des erstern ist die Schwierigkeit, diejenigen Bücher und Lehrer zu erlangen, welche den Reichern zu Gebot stehen; eine Folge des letztern, daß diejenigen Bücher und Lehrer, welche wohl den Bedürfnissen derer entsprechen, die Muße genug haben, das ganze System irgend eines gegebenen Zweiges der Wissenschaft durchzugehen, für die ärmern Klassen untauglich sind.

Das Erste also, was Noth that, war, wohlfeilere Druckschriften zu veranlassen. In keinem Lande ist der Preis der Bücher so hoch, als in England; ein Band, der in Paris weniger als 3 fl. kostet, kann in England nicht unter 6 fl. gekauft werden. Die Ursachen dieses hohen Preises liegen theils in dem hohen Arbeitslohn in einem Gewerbe, in welchem bis jetzt noch so wenig durch Maschinerie gethan worden ist; theils in der direkten Taxe auf das Papier, die noch dazu die gleiche bei jeder Qualität des Papiers ist; theils in der Gewohnheit auf feines Papier zu drucken; theils endlich in der Abneigung gegen engen Druck. Die erstern Ursachen können nur mit der Zeit, die letztern konnten sogleich gehoben werden. Der Versuch wurde in London zuerst mit Humes Geschichte gemacht; man nahm gewöhnliches Papier (das indessen doch noch besser ist, als das Papier der meisten Druckschriften in Deutschland) gewöhnliche Lettern, druckte eng und mit schmalem Rand. Gleich der erste Versuch war gelungen; die folgenden entsprachen immer mehr dem edlen Zwecke, den man sich vorgesetzt hatte. Die Zahl der Bände wurde auf 1/3, der Preis auf 1/4 und in manchen Fällen auf 1/5 reducirt.

Das vorzüglichste und gelungenste Mittel indessen, den ärmern Klassen die Möglichkeit zu verschaffen, sich durch Bücher zu unterrichten, ist die jetzt allgemein in England verbreitete Methode größere Werke oder periodische Blätter in einzelnen Heften, die nach der erwähnten Weise eingerichtet sind, also mit gewöhnlichem Papier, engen Druck u. s. w. erscheinen zu lassen. Jeder Arbeitsmann kann leicht und ohne sich wehe zu thun, zwei Pence, jeder Mechaniker sechs Pence wöchentlich erübrigen. Es bedarf keiner weitern Zergliederung, um einzusehen, wie sehr die Belehrung dieser Klassen erleichtert wird, wenn eine Einrichtung getroffen ist, die ihnen für jene Kleinigkeit fortdauernd eine lehrreiche Lectüre sichert. So wurden Franklin’s Leben und Versuche in sieben, Bacon’s Versuche in vier, die arabischen Nächte in sechs und dreißig Heften gedruckt, jedes für zwei Pence. In derselben Form erschienen Cook’s Reisen und viele andere Werke. Nach demselben Plan wurde nun eine Reihe von Journalen unternommen, die in wöchentlichen Heften ausgegeben werden und vorzugsweise für die Mechaniker bestimmt sind, als der Mirror, das Mechanic Magazine, das Register of Arts and Sciences, der Chemist, das Mechanics Register, das Dictionary of Architecture u. s. w. Mehrere dieser Schriften zeichnen sich durch die Reichhaltigkeit der Materien, die Faßlichkeit und Gründlichkeit der Aufsätze und die Korrektheit der Kupferstiche so sehr aus, daß sie unter die besten Journale für Gewerbkunde in Europa gehören; dabei beträgt der Preis eines Heftes von keinem mehr als drei Pence.

(Forts. f.)


Aus Brasilien.

Rio de Janeiro vom 18 März.     

Die letzten Tage des Februars schienen mit sehr merkwürdigen Staatsveränderungen schwanger zu gehen, wovon freilich unsere unter dem äußersten Preßzwange schmachtenden Zeiten nichts melden. Unter allen Ständen, namentlich unter dem hier alles vermögenden Kaufmannsstande, war die Unzufriedenheit über den fortdauernden Kriegszustand, über die deshalb nothwendigen ungeheuren Abgaben, und die dadurch herbeigeführte, die Schiffahrt störende Kaperei der Republikaner aufs Höchste gestiegen. Dazu hatte sich das Gerücht verbreitet, der Kaiser wolle nach Portugal abreisen, um das europäische Königreich in Besitz zu nehmen, von den Brasiliern aber zuvor den Eid der Treue fordern, wodurch unser Kaiserreich wieder in das frühere, hier allgemein verabscheute Colonial-Verhältniß zurückgesunken wäre. Während mehrerer Nächte zeigten sich bedenkliche Aufläufe und vor den Pallästen der Minister ließen sich unter drohenden Aufregungen zahlreiche Volkshaufen blickten. Der Kaiser verließ jetzt selten seine Residenz St. Cristovao und sprengte nur mit verhängtem Zügel durch die Hauptstadt, um die widerwärtige Acclamation nicht zu vernehmen. Da beschloß die Camara der Hauptstadt am 1 März eine Deputation an den Monarchen zu senden mit der ausdrücklichen Anfrage: Ob er bleiben oder nach Portugal ziehen wolle? Im letzern Falle sey der Art. 104 der Constitution auf ihn anwendbar, welcher lautet: „Der Kaiser darf ohne Einwilligung der General-Versammlung das brasilische Reich nicht verlassen (nao poderà sahir) und wenn dies geschieht, so wird es betrachtet, als entsage er der Krone.“ Der Kaiser ließ die Deputation vor, – deren Sprecher ihn in einer energischen Rede an die Pflichten erinnerte, welche er dem Reiche Brasilien, und namentlich der Hauptstadt Rio de Janeiro schuldig sey, welche ihn immer, mit allem, was nur in ihren Kräften stehe, unterstützt habe, – und antwortete in den gnädigsten Ausdrücken. Am 3 März erschien nun ein Decret, worin der Kaiser, an das Decret von 3 Mai 1826 erinnernd, nochmals jedem Anspruche und jedem Rechte an die Krone Portugal feierlich entsagt. Portugal soll im Namen seiner Tochter Donna Maria II von seinem Bruder dem Infanten Don Miguel regiert werden. Als er sich darauf am 3 März öffentlich in der Hauptstadt zeigte, war er vom Volke wieder mit Freudenbezeugungen empfangen, welche ihm gewiß um so angenehmer waren, da gerade um diese Zeit die Nachricht von sehr unangenehmen Vorfällen in den südlichen Provinzen eingegangen sind.

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 656. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_682.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2023)