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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 165, 13 Juny 1828.

Ireland und die Emancipation der Katholiken.


(Fortsetzung)

Sir James Mackintosh faßte die Frage von einem würdigeren Gesichtspunct auf, als die meisten seiner Vorgänger. Es war bemerkt worden, daß man keinen Zusammenhang zwischen einem Sitz im Parlament und der Religionsfreiheit sehe, die für die Katholiken gefordert würde. „Religionsfreiheit,“ entgegnete Mackintosh, „ist jener Zustand der Gesellschaft, wo die Gesetze keine Rechtsunfähigkeit anerkennen, wo sie keine Ausschließung treffen und keine Strafen auferlegen wegen der Religion, der man angehört, – der Zustand, wo Niemand mißhandelt wird wegen der religiösen Meinungen, die er hegt, – wo Jedermann frei seine Ansichten aussprechen darf, ohne deshalb von den Gesetzen mit dem Bann der Ausschließung belegt zu werden. Die Ausschließung eines Menschen von seinen Rechten als Mitglied der Gesellschaft, wenn sie nicht unumgänglich nothwendig ist zu der Erhaltung des Ganzen, ist Verfolgung. Und dieß ist keine neue Lehre; es ist dieselbe, welche Lord Somers – eine Autorität, die kein englischer Rechtsgelehrter zurückweisen wird – auf die protestantischen Dissenters anwandte, die Strafe der Rechtsunfähigkeit im Staate, sagte Lord Somers, ist die nächste nach dem Verluste des Lebens. Ein Engländer kann auf keinen tieferen Grad der Erniedrigung und Entwürdigung herabgesetzt werden, als ihn gesetzlich der Fähigkeit zu berauben, seinem Vaterlande zu dienen; und nichts als der Stolz des Characters und selbstbewußter Unschuld kann einen so Entehrten aufrecht erhalten.“ Dieß waren Lord Somers Grundsätze, des Mannes, den man für den Verfasser der Protestation der Lords gegen die Acte wider die Dissenters hält, wie sie in dem Protokoll des Oberhauses aufgenommen wurde. Aber man will sich nicht auflehen gegen die Weisheit unserer Vorfahren, welche diese Rechtsunfähigkeit den Katholiken auferlegte. Die Weisheit unserer Vorfahren! Einer unglücklicheren Redensart hätte man sich schwerlich bedienen können, um die Ausschließung Andersgläubiger von bürgerlichen Rechten zu vertheidigen; diese Weisheit war nicht die des Dichters:

fuit haec sapientia quondam,
Publica privatis secernere, sacra profanis.

Von der Weisheit unserer Vorfahren reden, wenn nicht mehr als 250 Jahre vergangen sind, seit jeder Staat in Europa die Abweichung von den herrschenden religiösen Meinungen mit keiner geringeren Strafe belegte, als dem Tode! Man gehe zurück auf die Zeiten von Elisabeth, von Maria und von Eduard VI! Man denke an jene Zeit, wo die beiden ersten Reformatoren den Scheiterhaufen bestiegen, weil sie sich zu denselben Meinungen bekannten, um derenwillen die Katholiken, weil sie sich nicht zu denselben bekennen, zu ewiger Ausschließung verurtheilt werden. Man denke an die Zeit unseres Eduards VI, wo das Blut der Arrianer, der Wiedertäufer und anderer Sectirer die Fortschritte der Weisheit unserer Vorfahren bezeichnete. Und jetzt sehe man rings um sich her; man blicke von den Alpen und den Pyrenäen bis nach Archangel und Kamschatka! Zuerst betrachte man das russische Kaiserreich, wo Religionsfreiheit der Grundsatz ist, den die Regierung sich zum Ruhme rechnet. Man betrachte wieder das Königreich Preußen, wo ein protestantischer Monarch mit unparteiischem Gesetz und mit völliger Rechtsgleichheit über eine Bevölkerung herrscht, die aus Katholiken und andere Secten gemischt ist. Man betrachte Sachsen, die wahre Wiege der Reform, und man wird einen katholischen König über ein protestantisches Volk regieren sehen. Dann blicken wir auf Holland und England, die beiden ersten Länder, welche Duldsamkeit und Religionsfreiheit verkündeten, welche Hand in Hand gingen, um Intoleranz und Rechtsausschließung für Zeichen von Rohheit und Barbarei zu erklären:

Hospitium antiquum Trojae sociique penates.

Es wäre eben so schmerzlich als erniedrigend, zu denken, daß England unter der Herrschaft eines Hauses, welches sich sonst beständig als freiheitliebend bewährt hat, zurücktreten sollte aus der Reihe der toleranten Staaten, unter denen es immer einen so ausgezeichneten Rang einnahm. Mit der einzigen Ausnahme von Schweden, welches, obwohl es einen zum Lutheranismus übergetreten katholischen König auf seinen Thron gesetzt hat, noch immer auf der Ausschließung aller Katholiken aus seinem Gebiete beharrt; mit dieser einzigen Ausnahme ist ganz Europa in den Grundsätzen der Liberalität übereinstimmend. Wo, außer in Schweden und in England, wäre wohl noch das System der Ausschließung vorherrschend? Doch ja, es herrscht in den beiden Halbinseln des südlichen Europas, wo wir zwar viele Ungläubige finden, aber keine Protestanten. Wir finden die Intoleranz in England und in Spanien, in dem Vaterlande Locke’s und in dem Vaterlande Loyala’s; sie blüht unter der Regierung des Hauses Braunschweig und – wenn man sich hier des Ausdruckes Regierung bedienen kann – unter der Regierung Ferdinands VII. – Es sind jetzt 750 Jahre seit

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 657. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_683.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2023)