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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

ist immer die gewesen, wo möglich den von der Gerechtigkeit, so wie von einer gesunden Politik bezeichneten Mittelweg einzuschlagen. Und dieser ist, auf der einen Seite keine Erneuung der Strafgesetze gegen die Katholiken (the Penal-laws) zu gestatten, auf der anderen ihnen keine Zugeständnisse von politischen Rechten zu machen, die unvereinbar mit der Sicherheit der herrschenden Kirche sind. Es ist albern zu behaupten, daß es eine Beleidigung für die Katholiken sey, jene Aemter, die jetzt mit Protestanten besetzt sind, in den Händen derselben zu lassen. Die Katholiken haben den freien und ungehinderten Gebrauch aller ihrer Fähigkeiten; sie haben das Recht, jeden Beruf zu erwählen, zu welchem diese Fähigkeiten sie tauglich machen. Ich kann daher weder eine Ungerechtigkeit, noch eine Beleidigung darin sehen, wenn man den Protestanten die Aemter, welche sie gegenwärtig inne haben, nicht entreissen will.

Mr. Lamb, der Staatssekretär für Ireland, sprach sich für die Emancipation aus, indem er bemerkte, daß er keineswegs gemeint sey, die Gefahren abzuleugnen, die mit dieser Maaßregel verbunden wären; aber unmöglich könne er zugeben, daß man deshalb etwas, was doch unvermeidlich bliebe, nicht thun sollte. Er bediene sich keiner stärkeren Sprache zur Unterstützung des Vorschlages, der dem Hause zur Berathung vorliege, weil er nicht wünsche, die geringste Veranlassung zu geben, daß das Gefühl der Erbitterung in dem irischen Volke geweckt werde.

Mr. C. Grant, der Präsident des Handelsbureaus (board of trade), unterstützte gleichfalls die Emancipation. Der gegenwärtige Zustand von Ireland, sagte er, giebt uns ein merkwürdiges Beispiel von den Wirkungen der Ungerechtigkeit, die diesem Volke in früherer Zeit widerfuhr. Die Geschichte jener Zeit, was man auch immer von der Weisheit unserer Voreltern in Bezug auf Ireland sagen mag, ist kein glänzendes Denkmal dieser Weisheit. Der ehrenwerthe Baronett, welcher die Abstellung, oder wenigstens eine Milderung dieser Mißbräuche in Vorschlag brachte, hat heftigen Widerstand gefunden. Aber die Einwendungen, die man erhoben hat, lassen sich insgesammt auf die einzige scharfsinnige Behauptung zurückführen, daß die Katholiken nicht zufrieden sind, weil – man ihre Forderungen nicht erfüllt. So werden die übeln Folgen eines Gesetzes zu dem Grunde der Fortdauer desselben gemacht: so lange sie unzufrieden sind, darf man die Ursachen ihrer Unzufriedenheit nicht entfernen. Aehnliche Gründe hat man gebraucht, als die Abschaffung des Negersclavenhandels vorgeschlagen wurde. – Wo wir immer das Buch der Geschichte aufschlagen oder die Erfahrung befragen, werden wir finden, daß jede Milderung des Systems der Gesetzgebung, wenn auch eine Zeitlang ein Stillstand eingetreten war, zu einem Kampfe der Parteien führte, bis man zu dem Puncte gelangte, wo die Gerechtigkeit und Billigkeit in der vollsten Ausdehnung ihrer Ansprüche befriedigt war. Dieß liegt in der Natur der Dinge. Möge das Haus sich, in der römischen Geschichte, der Kämpfe zwischen den Patriciern und den Plebejern erinnern. Vor dieser Periode waren die Plebejer in dem Zustande der tiefsten Erniedrigung. Nachdem ihnen einige Zugeständnisse gemacht worden waren, folgte eine Periode des Kampfes, bis sie ihre vollkommenen Rechte errungen hatten. So wird auch in unserem Vaterlande der Kampf der Parteien dauern, bis alle gerechten Ansprüche befriedigt sind; aber es ist eine Täuschung, wenn man glaubt, daß der Kampf auch, nachdem jener Punkt erreicht ist, fortdauern würde. Mit demselben Rechte könnte man sagen, weil die Fluth schwillt, bis sie den höchsten Wasserstand erreicht hat, müsse man sich derselben entgegensetzen, ehe sie zu diesem Stand gekommen ist. Unser ganzes Verfahren gegen die Katholiken hat in der That etwas Unerklärliches. Es giebt drei klar und deutlich bezeichnete Standpunkte, von denen wir hätten ausgehen können, wenn eine Vertheidigung unseres Verfahrens, abgesehen davon, ob gerecht, oder ungerecht, möglich seyn sollte. Einmal hätte man ihnen weder Duldung, noch freie Religionsübung, noch Zulassung zu staatsbürgerlichen Vorrechten gestatten können. Sodann hätte man ihnen Duldung ihrer Religion gewähren, aber alle staatsbürgerlichen Vorrechte verweigern können; und endlich könnte man mit vollkommener religiöser Duldung vollkommene Theilnahme an allen staatsbürgerlichen Vorrechten verbinden. Jede dieser drei Methoden wäre in sich fest und folgerecht. Die erste, die Aufhebung aller Religionsduldung und aller bürgerlichen Rechte, ließe die Katholiken in dem Zustande, in welchem sie nach Swifts Worten nichts anderes wären, als „Holzhauer und Wasserträger“ (hewers of wood and drewers of water). Wir gaben diese Verfahrensweise auf; aber wir wählten aus einer sonderbaren Caprice weder die eine noch die andere der beiden letzten Methoden, sondern schlugen eine Art Mittelstraße ein, die zwischen beiden hindurchgeht. Wenn wir jetzt auf einen der beiden ersten Standpuncte zurückkehren wollen, so machen wir uns, fürchte ich, etwas zu spät auf den Weg; und auf keinen Fall dürfen wir uns wundern, wenn unsere Feinde sich über Willkürlichkeit, Ungerechtigkeit und Bedrückung beklagen. Man hat den irischen Katholiken vorgeworfen, daß sie gegenwärtig größere Opfer verlangten, als vor zehn oder zwölf Jahren; und man behauptet, wenn man nur fest darauf bestehe, daß sie gewisse Bürgschaften und Sicherheiten leisteten, so würden sie sich denselben schon unterwerfen. Unsere Gegner haben damit gerade den Standpunct bezeichnet, von welchem ich die Frage beurtheilt wünschte. Es ist die Sache der gesetzgebenden Gewalt, jene Sicherheiten aufzuerlegen; es ist unsere Sache, den Katholiken zu sagen: dieß ist unser Gesetz. Man hat angegeben, daß Preußen solche Sicherheiten besitze, und daß dort ein protestantischer König vollkommene Gewalt über seine katholischen Bischöfe habe. Dieß setzt uns in den Stand, den Katholiken zu erklären: Wir wollen nicht fragen, ob es euch angenehm sey, Sicherheiten zu leisten; aber wir wissen, ihr habt dieselben in anderen Ländern geleistet, und daher legen wir sie euch auch hier auf. – Ich bedaure das Haus noch auf einen andern Gesichtspunkt aufmerksam machen zu müssen. Niemand wird in Abrede stellen,

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 662. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_688.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2023)