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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

auf ihre gegenwärtigen Ansprüche verliehen worden sey; und er empfahl dem ehrenwerthen Baronett, der die Motion gemacht habe, was auch immer das Schicksal derselben seyn möge, sie nie wieder auf eine ähnliche Weise einzuführen. Darauf ging er auf die Gründe über, die ihn bestimmten, sich dennoch zu Gunsten der vorgeschlagenen Maßregel zu erklären. Was auch immer die Meinung des weniger gebildeten Theiles der Gesellschaft hierüber seyn mag, sagte er, so ist doch kein Zweifel, daß die Emancipation unter Männern von Erziehung nicht länger als eine Religionsfrage behandelt werden kann. Die Ansprüche der Katholiken hängen nicht von einer Vergleichung der Lehren der Kirche von England mit den Irrthümern der römischen Kirche ab; die einzige Rücksicht, nach welcher über dieselben entschieden werden kann, ist die der Sicherheit des Landes. Wenn wir nun fragen: welcher Art die Gefahren sind, welche diese bedrohen könnten; so werden wir zugeben, daß es keine Gefahren des Schwertes seyn können, weil die Katholiken bereits zu Befehlshaberstellen im Heere zugelassen werden. Eben so wenig dürfen wir fürchten, daß sie eine gefährliche Controlle über unsere Börse erhielten; denn man hat ihnen längst zugestanden, an der Einziehung der Staatseinkünfte Theil zu nehmen. Der nächste Einwand, der noch übrig ist, bezieht sich auf das Verhältniß zum römischen Stuhl und das Recht, welches der Pabst verlangt, die katholischen Bischöfe zu ernennen. Da aber der Pabst dieses Recht in Bezug auf Rußland, Preußen und die übrigen Staaten des Continents aufgegeben hat; so würde er schwerlich Anstand nehmen, dasselbe auch in England aufzugeben, sobald wir nur das Unsrige thun, die Wunden Irelands zu heilen. Es wäre in der That eine sonderbare Erscheinung, wenn das Haus der Gemeinen fürchten sollte, daß der Einfluß der Katholiken, gegenüber einer protestantischen Krone, gegenüber einer protestantischen Kirche, gegenüber einer protestantischen Aristokratie, je ein gefährliches Uebergewicht über die Interessen dieses Landes gewinnen könnte. Selbst daß die Katholiken, nachdem sie den Zutritt in das Parlament erhalten hätten, sich vereinigen würden, um die Dotirung ihrer Kirche vom Staate durchzusetzen, ist nicht vorauszusetzen. Warum fand nicht auch, nach der Union von Schottland, eine ähnliche Vereinigung unter den Schotten zu Gunsten ihrer Kirche statt? Es ist immer der Stolz von England gewesen und der Ruhm des Hauses der Gemeinen, daß alle Parteien in demselben repräsentirt wären. Das Interesse des Grundbesitzes, der gewerbtreibenden Klassen, kurz aller Stände soll darin repräsentirt seyn; nur die Katholiken will man daraus ausschließen. Man hat stets angenommen, daß in diesem Lande jedermann, von welchem Stande er auch seyn möge, sich zu den höchsten Stellen des Staates emporschwingen könne; nur dann ist dieß nicht der Fall, wenn das Individuum sich zu den Lehren der katholischen Kirche bekennt. Aus welchem Grunde wird der Katholik ausgeschlossen? Nicht, weil er nicht des Vertrauens würdig wäre; nicht weil man sich auf seinen Eid nicht verlassen könnte; Nichts der Art ist der Grund, weshalb man ihn ausschließt, – sondern seine religiöse Ueberzeugung. Zum Schlusse beschwor er das Haus, dem irischen Volke Etwas als eine Gunst nicht zu versagen, was vielleicht später mit Gewalt erzwungen werden könnte. Je länger der Verzug, desto größer die Gefahr.

Mr. Brougham beendigte die Debatten, indem er in kurzen Worten die Gründe zusammenfaßte, die ihn bestimmten, die Motion zu unterstützen. Die Frage ist, sagte er, ob die Lage der Dinge so bleiben kann, wie sie gegenwärtig ist. Ich habe aufmerksam allen den Reden zugehört, die gehalten worden sind, aber in keiner, so wenig in der Rede des ehrenwerthen Secretärs für das Innere, als in der des ehrenwerthen Herrn, des Generalsolicitors, habe ich die Meinung aussprechen gehört, daß die Lage der Dinge so bleiben könne, wie sie ist. Jedermann weiß, daß die katholische Frage eine Frage über Leben, Freiheit und Eigenthum, und, was wir höher schätzen sollten, als Alles, über den Frieden und die Ruhe in Ireland ist. Jederman weiß, daß eine Veränderung früher oder später eintreten muß. Was für eine Veränderung soll dieß nun seyn? Es ist dreierlei, was wir thun können. Wir können zurückgehen. Dieß wäre consequent, begreiflich; es würde die Lücken unseres Strafsystemes ausfüllen. Nehmt die Parlamentsbeschlüsse von 1793 und 1778 zurück, hebt die Wahlfreiheit und das Eigenthumsrecht auf, setzt alle die alten Strafgesetze wieder in Kraft, um die Möglichkeit der Ausbreitung des Papismus zu verhindern! Aber ein solches Verfahren wäre zu schmählich, zu abscheulich, als daß man nur ein Wort darüber verlieren könnte. Das Nächste ist nun, vorwärts zu gehen, oder stehen zu bleiben. Hat aber irgend Jemand, in dem Verlauf dieser drei Nächte es gewagt, zu sagen, wir können in dem Zustande bleiben, in welchem wir uns gegenwärtig befinden? Man spricht von Gefahren und Sicherheiten. Meine erste Sicherheit gleicht alles Uebrige aus: ich sage, laßt die Bill durchgehen! Ich bin weit entfernt zu erklären, daß, wenn Andere noch andere Sicherheiten für nöthig halten sollten, ich nicht bereit sey, in jede Discussion über dieselben einzugehen; ich fühle das ganze unermeßliche Gewicht, welches auf der Entscheidung dieser Frage ruht. Es ist nicht bloß, daß die Grundsätze der Gerechtigkeit, daß die Grundsätze einer gesunden Politik nicht leicht ungestraft verachtet werden; sondern es ist der Friede der einen Hälfte des Reiches, um den es sich handelt, und die Sicherheit und vielleicht in einer nicht mehr weit entfernten Periode, die Erhaltung des Ganzen.

Das Haus entschied mit 272 Stimmen gegen 266, also durch eine Majorität von sechs Stimmen, „daß es zweckmäßig sey, eine solche Veränderung in den Gesetzen in Bezug auf die katholischen Unterthanen Sr. Majestät zu treffen, als mit dem Bestehen der herrschenden Kirche und der Ruhe und Eintracht des Reiches verträglich wäre.“



Aus Rußland.

St. Petersburg, Mai 1828.

Es ist allerdings gegründet, daß die hiesigen Kaufleute, die mit England in genauer Handelsverbindung stehen, nachdem

Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 667. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_693.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2023)