Seite:Das Ausland (1828) 701.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Theil unsrer Aufgabe glauben wir aber nicht besser lösen zu können, als durch Mittheilung des letzten Abschnittes der oben erwähnten Schrift Brougham’s. Wir müssen jedoch erinnern, daß in den drei Jahren, die seit der letzten Ausgabe dieser Schrift verflossen, die meisten Wünsche des patriotischen Verfassers erfüllt worden sind und die Anstalten des Volksunterrichtes sowohl auf dem Lande als in den Städten sich ungemein vervielfältigt haben.

„Es ist nun Zeit, daß wir uns zu einer historischen Betrachtung dessen wenden, was bereits geleistet worden ist. Den Anfang machte Dr. Birkbeck, welchem England eine Schuld der Dankbarkeit abzutragen hat, deren Größe nicht leicht, ja in dem gegenwärtigen Zeitalter gar nicht zu bestimmen seyn dürfte. Denn da in den meisten Fällen die wirkliche Nachfrage nach irgend einem Gute dem Vorhandenseyn desselben vorausgeht; so würde es in dem gewöhnlichen Lauf der Dinge gewesen seyn, wenn der Lehrer auf den Wunsch der arbeitenden Klassen nach Unterricht gewartet hätte. Aber lange vorher, ehe sich irgend ein Zeichen eines solchen Wunsches äußerte, trat jener gelehrte und treffliche Mann mit seinen eben so tief durchdachten als wohlthätigen Planen der Volksbildung auf. Ehe Dr. Birkbeck sich in London niederließ, wo er seitdem die höchste Stufe in dem Gebiete der Arzneikunst erreicht hat, lebte er einige Zeit zu Glasgow als Professor am Anderson-Collegium, und kündigte, etwa um 1800, einen Kurs von Vorlesungen über die Naturwissenschaften und ihre Anwendung auf die Künste zur Belehrung der Mechaniker an. Wenige benutzten Anfangs diesen Vortheil; allmählig indessen verbreitete die ungewöhnliche Klarheit seiner Methode, die einsichtsvolle Auswahl der Experimente und das natürliche Anziehende von Gegenständen, womit diese Leute sich ihr ganzes Leben beschäftigten und von denen ihnen erst jetzt die Gründe entwickelt wurden – einen allgemeinen Geschmack für diese Studien, und als er etwa zwei oder drei Jahre später Glasgow verließ, besuchten gegen 700 Zuhörer mit eben so viel Eifer als Beharrlichkeit seine Klasse.

Nach Dr. Birkbecks Abreise wurden die Vorlesungen seines tüchtigen und würdigen Nachfolgers, Dr. Ure, eine Zeitlang sehr besucht, und als die Zahl der Zuhörer abzunehmen anfing – wahrscheinlich aus dem Grunde, weil sie keinen Antheil an der Verwaltung der Anstalt hatten – fiel es glücklicherweise Herrn Ure ein, eine Bibliothek zum Gebrauch der Mechaniker damit zu verbinden, und die Leitung derselben gänzlich einem von ihnen selbst gewählten Committee anzuvertrauen. Dies gab dem Unternehmen neues Leben, und da die Gaslichtcompagnie, zur Dankbarkeit für einige Dienste, welche ihr der Professor geleistet hatte, sich dazu verstand, zwei Abende in der Woche das Bücherzimmer zu erleuchten, so entstand unter denen, welche kamen, um ihre Bücher zu vertauschen, die Sitte, da zu bleiben und über die Gegenstände ihrer Lektüre sich zu unterreden, wodurch der Geist des Denkens und Forschens in diesen Leuten einen ungewöhnlichen Impuls empfing. Da das Committee der Bibliothek von der ganzen Gesellschaft gewählt war, so repräsentirte es dieselbe gewissermaßen und erlangte einen Antheil an der Verwaltung des Instituts. Seine Vorschläge wurden indessen nicht beachtet, und dies veranlaßte Zwistigkeiten, die, wiewohl Anfangs beklagenswerth, dennoch zuletzt zu den wohlthätigsten Folgen führten. Denn eine große Anzahl sonderte sich von den Vorlesungen ab und bildete ein getrenntes Institut, ganz unter der Administration der Mechaniker selbst. Dies Filialinstitut ist über alle Erwartung blühend geworden; vergangenen Winter zählte es 1000 Mitglieder aus der arbeitenden Klasse, während das Mutterinstitut kaum eine Abnahme spürte. Aus diesen öffentlichen Vereinen ist ein anderer hervorgegangen, nach einem beschränkteren aber höchst nützlichen Plan, der sich auf jede große Manufaktur anwenden läßt. Die Arbeiter der Gaslichtcompagnie, etwa 60 bis 70 an Zahl, bildeten sich auf den Rath des Herrn Nelson, ihres Obermanns zu einem Klub für wechselseitigen Unterricht. Durch Ersparung einer geringen Summe monatlich haben sie etwa 300 Bände gesammelt, und da ihnen die Compagnie ein Bibliothekzimmer nebst Licht und Feurung gibt, so kommen sie jeden Abend zusammen, um über literärische und wissenschaftliche Gegenstände zu conversiren und Einmal in der Woche eine Vorlesung zu halten, indem der, welcher Lust hat, dieses zu thun, nur 14 Tage vorher Nachricht gibt, daß er über den oder jenen Gegenstand, welchen er durchstudirt hat, handeln will. Die Bücher sind von jeder Art, ausgenommen theologische, die in Betracht der mancherlei Secten, zu welchen die Leute gehören, nothwendig ausgeschlossen werden mußten.

Es ist ein wenig auffallend, daß, obschon in Schottland viele Städte sind, – und einige in einer geringen Entfernung von Glasgow – wo Mechaniker zu Hunderten leben, dennoch zwanzig Jahre verstrichen, ehe das Beispiel befolgt wurde, und die Leute sich eine Erfahrung zu Nutze machten, die so lange vor ihren Augen war, und sich durch so seltenen Erfolg auszeichnete. Erst im Jahr 1821 nahm Edinburg den Plan an, mit einigen Veränderungen, die zum Theil als Verbesserungen erscheinen.

Die Beförderer der Sache begannen mit einem kurzen Entwurf des projektirten Instituts, den sie bei den vorzüglichsten Meistern der gewerbtreibenden Klasse mit der Bitte circuliren lassen, ihn in ihren Werkstätten vorzulesen und die Nahmen derjenigen Arbeiter aufzuschreiben, welche in den für Künstler vorzüglich interessanten Wissenschaften unterrichtet zu werden verlangten. Innerhalb zehn Tagen waren schon 70 bis 80 Namen beisammen, worauf eine Privatversammlung der hauptsächlichsten Patrone der Unternehmung statt fand. Hier wurde beschlossen, mit einer Subscription aufzutreten. Demgemäß kündigten sie im April 1821 einen Kurs von Vorlesungen über Mechanik und einen andern über Chemie an, der im folgenden October beginnen sollte, sowie die Bildung einer Bibliothek über dieselben Gegenstände. Die Zeit der Vorlesungen wurde auf die Stunde von 8 bis

Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 675. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_701.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2023)