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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

9 verlegt, zweimal die Woche, sechs Monate hindurch. Für den Zutritt zu der Bibliothek sowohl als zu den Vorlesungen wurden nicht mehr als 15 Schillinge des Jahres gefordert. Zu gleicher Zeit erschien für das größere Publikum die Anzeige und der Plan einer Schule für Künste (school of Arts). Die Wirkung auf alle Klassen war so vortheilhaft, daß im September 220 Mechaniker sich als Theilnehmer eingeschrieben hatten, und die öffentlichen Beiträge sich auf eine so beträchtliche Summe beliefen, daß die Direktoren im Stande waren, im October die Sache ins Werk zu setzen. Als 400 Zutrittskarten verkauft waren, hielten die Herrn Galbraith und Forbes die zwei Vorlesungen, zu welchen bald noch zwei andere über Baukunde und Thierarzneikunde kamen, nebst einer Klasse für Zeichnen im Bau- und Maschinenwesen während der Unterbrechung der Vorlesungen im Sommer.

Die Lehrstunden über Mechanik hatten kaum begonnen, als einige der Zuhörer, den Mangel mathematischer Kenntnisse fühlend, sich unter einem ihrer Kameraden in eine Klasse zu diesem Endzweck vereinigten; ein Tischler verstand sich dazu, sie unentgeltlich die Elemente der Geometrie und die höhern Theile der Arithmetik zu lehren. Dieser Vorsatz wurde von den Direktoren vollkommen gebilligt; und nachdem man ihnen für die nöthigen Bücher gesorgt hatte, kamen sie, dreißig an der Zahl, einmal in der Woche für Arithmetik zusammen. Nach der Methode des wechselseitigen Unterrichts ordneten sie fünf Abtheilungen an, und die fünf besten Schüler wurden zu Monitoren bestellt. So giengen sie jedesmal in der folgenden Stunde die Lektionen der vorherigen durch. Da die Zahl der Klasse auf dreißig beschränkt war, so bildeten die, welche nicht Theil nehmen konnten, eine andere, nach demselben Plan. Hr. Galbraith, Professor der Mechanik, legte seinen Lehrlingen Aufgaben zur Uebung vor; eine Liste von 25 Individuen, die sich am Meisten durch die Anzahl und Genauigkeit der Auflösungen auszeichneten, ist öffentlich bekannt gemacht worden.

(Forts. folgt.)


Des Kaisers Valens Wasserleitung.

Von Hügel zu Hügel quer durch Konstantinopel, bald über, bald unter den Straßen, geht diese Wasserleitung und füllt die Cisternen; sie ist die einzige noch übrige von mehrern, deren bei den Alten Erwähnung geschieht.

Der Kaiser, erzählt man, war über das Volk von Chalcedon wegen dessen Anhänglichkeit an Procopius Partei so aufgebracht, daß er die Mauern der Stadt niederzureißen befahl. Als man nun beim Abbruch einen Stein mit der Inschrift fand, die Mauern von Chalcedon würden einst Constantinopel reichlich mit Wasser versorgen; so ließ der Kaiser, um das Orakel wahr zu machen, jene Wasserleitung daraus bauen. Reben und eine Menge Schlingpflanzen, welche sich in den Lücken der Steine, wo das Wasser durchsickert, festsetzen, haben das Mauerwerk mit einem schönen üppigen Grün bekleidet.

Die Cisternen, denen diese und andere Wasserleitungen das Wasser zuführten, existiren zwar noch, aber nicht mehr als Cisternen. Einige, die nicht bedeckt waren, sind nach und nach mit Erde ausgefüllt und in Gärten verwandelt worden; andere, die bedeckt waren, erhielten irgend eine andere Bestimmung, Eine derselben – die Griechen nannten sie φιλοξενοί, die Türken Bin bir Dereck, d. i. tausend und eine Säule, – ein ungeheures unterirdisches Gebäude; ist zum Theil ausgefüllt, aber immer noch sehr tief; ihr Gewölbe ruht auf sechshundert und zwei und siebenzig Marmorsäulen. Der ganze Behälter faßt 16,060,680 Kubikfuß Wasser, so daß die Stadt, deren täglicher Bedarf 267,678 Kubikfuß beträgt, 60 Tage damit ausreichen könnte.

Gegenwärtig aber liegt die Cisterne trocken, eine Anzahl Seidezwirner haben von ihr Besitz genommen und treiben darin ihr Wesen.

Dr. Walsh’s Narrative of a Journey
from Constantinople to England.     


Anapa und Poty.

Eine überraschende Erscheinung für Jeden, der von den früheren Verhältnissen der kaukasischen Völkerschaften und der geringen Autorität der russischen Regierung über diese nomadischen Stämme nicht genau unterrichtet ist, muß es seyn, wenn er mitten in Gegenden, welche auf den Karten als russische Provinzen bezeichnet werden, zwei isolirte Puncte bemerkt, die von den Türken besetzt sind. Die Festung Anapa, in deren Gewässern nach den neuesten Berichten die russische Flotte von Sebastopol kürzlich einen Sieg über eine türkische Flotille erfochten haben soll, liegt unfern des cimmerischen Bosporos, die die Halbinsel Krym von den kaukasischen Landen trennt, dreißig Werste südlich von der Mündung des Liman von Kuban. Sie ist auf dem Abhange eines Berges erbaut, der sich in das schwarze Meer hineinstreckt, von dessen Wogen ihre Mauern bespühlt werden. Die Festungswerke, die von den Russen im J. 1807, wo Anapa ohne Widerstand in ihre Hände fiel, gesprengt wurden, sind seidem wieder hergestellt worden und nehmen einen Umfang von mehr als drei Wersten ein. Im Jahr 1791, als die Russen die Stadt mit Sturm nahmen, wurde sie von 10,000 Türken und 15,000 Nogaern, Tscherkessen u. a. kaukasischen Gebirgsvölkern vertheidigt. Die Zahl der Einwohner überstieg indessen nicht 5000; Häuser zählt man 1000. Der Hafen ist eine im S. und S. O. offene Rhede. Hohe Kalkfelsen bilden die Küste, an der das Meer eine große Tiefe hat. Im N. und N. O. sind diese Felsen weniger hoch und das Meer so seicht, daß mehrere Bänke über das Wasser empor ragen. – Die Türken unterhalten immer eine starke Besatzung in Anapa und ein Pascha von drei Roßschweifen hat darin seinen Sitz. Die Einwohner bestehen außer den Türken aus griechischen und armenischen Kaufleuten, die einen wichtigen Handel mit den Gebirgsvölkern treiben und besonders die Harems von Constantinopel mit den schönen circassischen Sclavinnen versehen, die oft von ihren eigenen Familien verkauft werden.[1] – Poty, im Süden des Kaukasus, an der Küste von Mingrelien, wäre durch seine Lage bedeutenderer, als Anapa, indem es auf dem linken Ufer des Rion (des alten Phasis), vier Werste von seiner Mündung gelegen, die ganze Schifffahrt dieses wichtigen Flußes beherrscht; doch scheinen die Türken von dieser Stellung keinen andern Vortheil zu ziehen, als daß sie den Christen die Beschiffung des Stromes verbieten. Auch Poty war im Jahr 1807 – wie Anapa und die übrigen türkischen Festungen an der Ostküste des schwarzen Meeres, Sukum-Kaleh, Anagri und Redoute-Kaleh, von den Russen genommen worden und wurde nach dem Frieden von 1811 mit Anapa wieder an die Türken zurückgegeben. Sukum-Kaleh, Anagri und Redoute-Kaleh dagegen wurden von Rußland, vertragswidrig, zurückbehalten und gaben noch vor wenigen Jahren von Seiten der hohen Pforte Gelegenheit zu heftigen, aber vergeblichen Reclamationen [2].

  1. S. Nouveau Journal Asiatique, Avril 1828 p. 305. f.
  2. S. Gamba, voyage dans la Russie meridionale, T. II. pag. 117 u. 76 f.
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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 676. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_702.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2023)