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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

seyen, wovon Sie wissen. Aus dieser Kreislinie gehen Sie nicht hinaus; vor allen Dingen hüten Sie sich, auf Einwürfe zu antworten. Haben Sie verstanden?“

„Ich verstehe.“

„So empfangen Sie dieses Scapulier – unser General, der Pater Luigi Fortis, hat es eigenhändig eingesegnet – es ist das sichtbare Zeichen Ihrer Verpflichtungen gegen die Gesellschaft Jesu; tragen Sie es immer an sich und haben Sie keine Sorgen mehr, Ihre Stelle als Sous-Chef zu verlieren. Dafür bürgt Ihnen die Gesellschaft Jesu, so lange Sie ihr treu seyn werden; aber hoffen Sie ja nicht, eine einzige Ihrer Handlungen vor uns verbergen zu können. Wo Sie sich befinden, vergessen Sie nie, daß ein Jesuite Ihnen zur Seite steht. Wie! Sie zweifeln? Werfen Sie einmal einen Blick in dieß Buch und lesen Sie den Artikel, der Sie betrifft: Hat auf seinem Pult die Etoile und den Constitutionnel; liest aber nur das letztere Journal. Spielt jeden Sonntag Schach ... Gehen Sie in Frieden, mein Sohn.“

Hr. Visatout kam nicht so bald von seinem Staunen zurück; das Buch, worin seine Handlungen verzeichnet waren, schien ihm das Buch des Schicksals; er blickte von Zeit zu Zeit um sich, um sich zu überzeugen, ob wirklich kein Jesuite in der Nähe sey. „Endlich,“ sagte er halblaut vor sich hin, „endlich bin ich meiner Stelle sicher; ich habe mich festgenietet, wie der Herr Finanzminister.“ Und laut setzte er hinzu: „Meiner Treu, eine schöne Einrichtung, diese Jesuiten; man müßte ein Mensch ohne Anstellung, ein rechter Taugenichts seyn, wollte man anders reden.“

„Ich bin nicht Ihrer Meinung,“ sagte Jemand, der hinter ihm die Straße kam.

„Desto schlimmer für Sie,“ entgegnete der Sous-Chef mit dem ganzen Feuereifer des Proselyten, „desto schlimmer für Sie! Und nun überströmte er jenen mit seiner neugebackenen Gelehrsamkeit von Pascal, von den Parlamenten etc., daß dem Armen der Angstschweiß auf der Stirne stand. Dieser, ein ungelehrter Buchhändler, erzählte hierauf, er sey in Montrouge gewesen, um sich sein Patent versichern zu lassen, wegen dessen er Besorgnisse hege: Pater Candide habe ihn nicht gut aufgenommen und ihm den Druck seines Monsieur Arouet vorgeworfen; er habe sich damit entschuldigen wollen, daß er eben vor Allem Buchhändler sey; Pater Candide aber habe Nichts gesagt als: Ich bin eben vor Allem Jesuite, und ihm den Rücken gekehrt.

„Mein Freund, Sie haben einen dummen Streich gemacht.“

„Ach, ja.“

„Ihr Patent steht auf dem Spiel.“

„Verdammt, wer mir gerathen hat, diesen Voltaire zu drucken! (Den ich übrigens gut verkauft habe.)“

„Sie sind also Willens sich zu bessern – gut, so beweisen Sie es: machen Sie sobald als möglich eine vollständige Ausgabe der Missionsgesänge; dieß ist das einzige Mittel, Ihr Patent zu retten.“

„Ich werde mich gleich heute an diese Arbeit machen.“

Ein Coucou fuhr vorüber und sie stiegen beide ein. Zwei Personen, ein Ochsenhändler und ein Schlosser, saßen in dem Wagen und sprachen mit den größten Loberhebungen von Montrouge. „Sie sehen,“ sagte der Sous-Chef zum Buchhändler, „daß Jedermann meiner Meinung ist.“ Während der Unterhaltung bemerkte Visatout durch den Hemdschlitz des Ochsenhändlers ein Stückchen vom Scapulier. Die Gesellschaft des Coucou verstand sich trefflich zusammen und man trennte sich unter gegenseitigen Freundschaftsbezeugungen. „Welche schöne, heilige Einrichtung,“ sagte der Sous-Chef des andern Tags, als er sich auf die Kanzlei begab, „welche schöne, heilige Einrichtung, diese Gesellschaft der Jesuiten, die solche Eintracht stiftet.“

(Fortsetzung folgt.)


Martinez de la Rosa.

Unter den berühmten Spaniern, die, durch politische Stürme aus dem Vaterland vertrieben, und durch eine seltsame Schickung genöthigt wurden, bei demselben Volk, das ihre Verbannung herbeigeführt hatte, ein Asyl zu suchen, ist der ausgezeichnetste Don Francisco Martinez de la Rosa. Zu der Würde eines Professors der Philosophie in einem Alter erhoben, wo Andere noch auf den Schulbänken sitzen, verließ er in Folge der französischen Invasion seinen Lehrstuhl auf der Universität Granada, wo er seinem Vaterland so viele Ehre gemacht hatte, um sich nach Cadix zu flüchten. Hier, mitten unter den Gefahren der Belagerung, arbeitete er mit andern Flüchtlingen an der Begründung jenes Constitutionswerks, welches die Spanier unter die Fahnen des Vaterlands sammelte und das mächtige Heer Napoleons vernichtete. Martinez hatte kaum sein zwanzigstes Jahr (das durch die Constitution festgesetzte Alter) erreicht, als er zum Mitglied der ersten Cortes ernannt wurde, welche der undankbare Fürst, nachdem er von ihnen auf den Thron gesetzt worden war, in die Acht erklärte. Nach der Revolution vom Jahre 1820 ward er zum zweiten Mal in die Nationalversammlung berufen, und die glänzenden Talente, die er als Redner und Publicist auf der Tribüne entwickelte, so wie die bekannte Rechtlichkeit seines Characters und die Weisheit seiner Rathschläge erhoben ihn zu dem Posten eines Ministers der auswärtigen Angelegenheiten. Man machte damals die auffallende Bemerkung, daß in den drei Ländern, deren politische Verhältnisse am Bewegtesten und Verwickeltsten waren, das diplomatische Departement unter Gelehrten stand, unter Canning in England, unter Chateaubriand in Frankreich, und unter Martinez de la Rosa in Spanien. Gewaltsam in das Privatleben zurückgestoßen und die allgemeine Achtung theilend, fand Martinez de la Rosa Trost für sein Exil in jenen friedlichen Arbeiten, die den Ruhm des jungen Professors begründet und die Erholungsstunden des Staatsmannes ausgefüllt hatten. Immer noch seinem Vaterlande treu zugethan, rächt er sich edelmüthig für die Unbilden, welche er für dessen Sache erduldet, indem er dem wissenschaftlichen Ruhme desselben jene Dienste weiht, die er ihm auf keinem andern Wege zu weihen vermag, und ihm die Achtung der Nation zu erringen strebt, gegen welche er die heimische Freiheit zu vertheidigen umsonst bemüht war.

Gegenwärtig erscheint nun eine Sammlung seiner Werke in vier Bänden (Obras literarias de Don Francisco Martinez de la Rosa) folgenden Inhalts: eine Poëtik in Versen, ein Lustspiel „die Tochter zu Haus und die Mutter auf dem Ball“ und ein Trauerspiel „Padilla’s Wittwe.“


Berichtigung.

In dem Aufsatz London Num. 168, S. 670, Sp. 2, unten: statt in deren bleichen Herzen die Kraft des Bösen ist lies erloschen ist.

Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 684. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_710.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2023)