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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

sechs Monaten und ernannte ihn sogleich zum wirklichen Siegelbrecher (expert-decacheteur).“

Visatout.

„Wie sehr bin ich Ihnen, Herr Direktor, für die Beweise von Gunst verbunden, womit Sie meinen Sohn von seinem ersten Auftreten an beehren.“

Der Direktor des schwarzen Kabinets.

„Wie! Sie reden von Gunst! Nein, Ihr Sohn verdient seinen Grad. Ein Brief, der in seinen Händen ist, entsiegelt sich, kann man sagen, von selbst, wie sich die junge Lilie vor der Sonne öffnet. Und in der Kunst des Wiederversiegelns ist er, wenn’s möglich wäre, noch stärker. In der That, die Natur hat ihn für dieß Fach geschaffen, und wenn er so fortfährt, sich auszuzeichnen, so werde ich ihn zu meiner rechten Hand machen. Einen Taubstummen von seinem Genie finde ich unbezahlbar.“

Visatout.

„Ich erkenne den ganzen Werth der edlen Gesinnung, die aus Ihrem Urtheil über meinen Sohn hervorleuchtet. Für seinen Eifer, so viel Wohlwollen zu verdienen, bürge ich. Die Vorsehung, die ihm zwei Organe weniger verlieh, beabsichtigte, wie ich mit Ihnen überzeugt bin, seine vollkommene Ausbildung für die Arbeiten Ihres Kabinets, die eben so sehr Verschwiegenheit als Sammlung des Geistes erfordern.“

Der Direktor des schwarzen Kabinets.

„Gewiß. – Ich führe Sie einmal in mein kleines Arsenal, wo ich Ihnen ein Menge Sachen zeigen werde, wovon die unbedeutendste dem Verstand des großen Königs Ehre macht. Unsere sinnreiche Anstalt bestand im schönsten Flor bis auf die constituirende Versammlung, welche aus Haß gegen alle monarchischen Einrichtungen die Grille hatte, das Briefgeheimniß zu respektiren. Zum Glück folgten auf die Zerstörer die Wiederhersteller, und mein Bureau ist der eigentliche Schild des Königreichs gegen die Verschwörung der Philosophie, der Revolutionäre und der Jacobiner.“

Visatout.

„Wer also Plaignier’s Luntenpetarde roch, war ... ?“

Der Direktor des schwarzen Kabinets.

„Das schwarze Kabinet.“

Visatout.

„Wie! Auch die Verschwörung Caron’s und die der vier Unteroffiziere ...“

Der Direktor des schwarzen Kabinets.

„... entdeckte das schwarze Kabinet.“

Visatout.

„Die berühmte schwarze Stecknadelverschwörung ...?“

Der Direktor des schwarzen Kabinets.

„... entdeckte das schwarze Kabinet.“

Visatout.

„Sie steigern meine Achtung für dieß schöne Institut; ich betrachtete es zwar immer als sehr nützlich für unsere Absichten, wußte aber nicht, daß es dem Staat so wesentliche Dienste geleistet hatte.“

Der Direktor des schwarzen Kabinets.

„Die wüthenden Deklamationen der Liberalen gegen das schwarze Kabinet konnten Ihnen dessen Verdienst allein schon beweisen. Wenn es nicht unter meiner Würde wäre, auf ihr Geschrei zu achten, so würde ich sie mit ihren eignen Waffen schlagen. Das schwarze Kabinet wäre gegen die Charte! Heißt es nicht ausdrücklich, der König habe alle Maßregeln zu ergreifen, welche die Sicherheit des Staats erfordert? – Die wahren Freunde des Throns aber kann ich damit beruhigen, daß ich mich auf das Wort des großen Königs berufe: „Der Staat – das bin ich,“ woraus mit unumstößlicher Gewißheit folgt, daß die königl. Regierung, indem sie die Briefe ihrer Unterthanen öffnet, nur ihre eigenen Briefe liest.“

Bei diesen Worten erhob sich der Direktor des schwarzen Kabinets mit einem bedeutungsvollen Lächeln, drückte Hrn. Visatout die Hand und begab sich in aller Hast fort, um mit einer hohen Person zu arbeiten. Hr. Visatout begab sich seinerseits in das Censur-Laboratorium.

(Schluß folgt.)


Die Kaiserin von Haiti in Florenz.


(Schluß.)

Alle diese Erinnerungen lebendig in meiner Seele trat ich meinen Gang nach dem Palazzo Guigni an, der dermaligen Residenz der Exkaiserin-Königin von Haiti, ohne zu wissen, auf welche Weise ich meinen Besuch einleiten sollte, oder ob ich überhaupt angenommen werden würde. Es fiel mir ein, daß es das Beßte sey, mich zuerst an die café-au-lait-farbige Gesellschaftsdame zu wenden und ihr zu erklären, wer ich sey und weshalb ich komme. Dieser Plan gelang vollkommen; sie übernahm es, mich zu melden, und brachte mir in wenigen Minuten die Antwort zurück: „ich sey willkommen, und Madame Christophe werde sich glücklich schätzen, mich als einen Freund von anderen Zeiten her zu empfangen.“

Ich wurde in ein sehr anständiges Gesellschaftszimmer eingeführt, in dem ich die jüngere Dame vor einer Stickerei fand. Sie war sehr lebhaft und angenehm, aber durch einen sonderbaren Mißgriff hatte sie ein weißes Kleid gewählt, das bis an den Hals hinaufging und die Farbe ihres Gesichtes noch sonderbarer auffallend machte. Wir knüpften eine Gemeinplatzunterhaltung über das Wetter und die Hitze an, bis sich ihre Mutter zu uns gesellte, die, auf den Arm ihrer Gesellschafts-Dame gelehnt, eintrat und sich neben mich auf das Sopha setzte. Sie hatte sich sehr verändert, seit ich sie zuletzt sah; die Zeit und der Kummer hatten die gewöhnlichen Spuren auf ihrem Gesicht gelassen, doch lag in ihrem Wesen eine gewisse Würde, die zu sagen schien, daß sie sich entschlossen habe, ihre frühere Lage zu vergessen und ihre gegenwärtige, wenn nicht mit Freude, doch mit Resignation zu tragen. Da ich sie, wie ich es in früheren Zeiten gewohnt war, mit dem Titel Majestät anredete; so unterbrach sie mich schnell mit den Worten: „Wenn ich kein Engländer wäre, würde sie vorausgesetzt haben, daß ich mich mit ihr belustigen wolle. Ich bin jetzt, fügte sie hinzu und legte ihre Hand auf meinen Arm, nur die

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 687. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_713.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2023)