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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

von keinem gilt dieß indessen in höherem Grade, als vom „St. Valentins Tag,“ der Erzählung, welche die zweite Reihe der unseren Lesern bereits bekannten Chronik von Canongate ausfüllt. Man lernt die Personen, die in dieselbe verwickelt sind, allmälig genauer und genauer kennen; und zuletzt weiß man auf das Bestimmteste, was man von ihnen zu erwarten hat. Daraus folgt indessen auf keine Weise, daß man auch im Stande sey, voraus zu sagen, welche Ereignisse eintreten werden, oder selbst nur, wer glücklich und wer unglücklich werden soll. Die Zukunft bleibt unsern Blicken verborgen, und, wie im wirklichen Leben, gehen wir ihr entgegen mit verbundenen Augen. Doch fühlen wir uns in der Gesellschaft von Individuen, an deren Schicksal wir tiefen Antheil nehmen, und wir beobachten den Horizont mit derselben ängstlichen Sorge, als ob jede Wolke an demselben uns selbst bedrohte.

Aber wir wollen uns weder über die Charactere der einzelnen Personen, mit denen St. Valentins Tag uns bekannt macht, noch über die Begegnisse verbreiten, welche den Inhalt der Erzählung bilden; sondern geben unsern Lesern Gelegenheit, einen Blick in das Werk selbst zu werfen, indem wir eine Scene aus dem letzten Theil desselben ausheben, die ein in sich geschlossenes, wenn auch nicht abgesondertes, Ganzes bildet. Zum Verständniß dieser Episode, die ein doppeltes Interesse dadurch erhält, daß ihr eine historische Thatsache zu Grunde liegt, dürfen wir nur bemerken, daß der Kampf zwischen zwei feindlichen Clans in Gegenwart des Königs von Schottland statt findet. Jeder Clan hat dreißig Kämpfer auserwählt, um seine Sache zu verfechten; schon sind alle auf dem Platze, nur der dreißigste Mann vom Clan Chattan fehlt. Torquil, ein alter Hochländer von der Gegenpartei, hat seine Entfernung bewirkt, um seinem Häuptlinge, einem nutzlosen jungen Mann, für dessen Leben er fürchtet, Gelegenheit zu geben, sich gleichfalls dem Kampfe zu entziehen. Aber es ist anders beschlossen; die Herolde rufen aus: Wer die Ehre und Gefahren dieses Tages mit dem Clan Chattan theilen wolle, sollte eine Goldkrone zum gegenwärtigen Lohne und die Freiheit haben, in den Reihen desselben zu fechten bis auf den Tod!

Die Herolde hatten ihren Weg um die Schranken zur Hälfte zurückgelegt, indem sie von Zeit zu Zeit inne hielten, ihren Ausruf zu wiederholen, wie sie angewiesen worden waren; ohne daß irgend Jemand die geringste Neigung gezeigt hätte, die dargebotene Ehre anzunehmen. Einige spotteten über die Armuth der Hochländer, die einen so niedrigen Preis auf einen so gefahrvollen Dienst setzten. Andere sprachen ihren Unwillen darüber aus, daß sie das Blut der Bürger von Perth nicht höher anschlügen. Niemand ließ das mindeste Verlangen sichtbar werden, in die Reihen der Kämpfenden zu treten, bis der laute Ausruf die Aufmerksamkeit Heinrichs von dem Wynd erregte, der außerhalb der Schranken stand, und von Zeit zu Zeit mit dem Bailif Craigdallie sprach oder vielmehr halb zerstreut zuhörte, was dieser ihm zu sagen hatte.

„Ha! was rufen sie aus?“ unterbrach er ihn.

„Ein freigebiges Anerbieten von Seiten Mac Gillie Chattanach’s,“ sagte der Wirth zum Greifen, „der Jedem eine Goldkrone bietet, der heute eine wilde Katze werden, und sich in seinen Diensten ein wenig todt schlagen lassen will. Das ist Alles.“

„Wie?“ rief der Schmid begierig, „ist es ein Aufruf, wer gegen den Clan Quhele fechten will?“

„Ei, freilich ist es das,“ antwortete der Greifenwirth; aber ich denke, sie werden in Perth keine solchen Narren finden.

Kaum hatte er ausgeredet, als er den Schmid sich Platz machen und mit einem Satze in die Schranken springen sah, mit den Worten: „Hier bin ich, Herr Herold, Heinrich von dem Wynd, entschlossen, zu fechten mit dem Clan Quhele.“

Ein Ruf der Verwunderung lief durch die Menge, indeß die ehrwürdigen Rathsherrn, außer Stande den geringsten Grund für Heinrichs Benehmen zu ersinnen, überzeugt waren, daß er durch seine Kampflust den Verstand verloren habe. Der Provost war besonders erschrocken.

„Du bist toll,“ sagte er, „Heinrich! Du hast weder ein zweihändiges Schwert, noch einen Harnisch.“

„Den habe ich freilich nicht,“ sagte Heinrich, „denn ich gab meinen Harnisch, den ich für mich selbst gemacht hatte, dort jenem muntern Häuptling vom Clan Quhele, der es bald auf seinen Schultern fühlen wird, mit was für einer Art von Schlägen ich meine Nieten einschweiße! Was ein zweihändiges Schwert betrifft, so soll dieß hier indesssen seine Dienste thun, bis ich ein schwereres in die Hand bekomme.“

„Das soll nicht seyn,“ sagte Errol, „höre du, Waffenschmid! Bei der heiligen Jungfrau, du sollst meine mailänder Halsberge und mein gutes spanisches Schwert haben.“

„Ich danke, Ew. Gnaden, aber der Degen, der euerm tapferen Ahn in der Schlacht von Lancarty so gute Dienste leistete, wird mir auch nicht seinen Dienst versagen. Ich bin nicht gewohnt, ein Schwert oder einen Harnisch zu brauchen, die ich nicht selbst gemacht habe; weil ich nicht weiß, was für Schläge der eine aushalten wird, ohne zu bersten, oder das andere schlagen, ohne zu brechen.“

Das Gerücht, daß der unverzagte Schmid ohne Rüstung fechten wolle, war indessen durch die Menge gelaufen und bis in die Stadt gedrungen; als gerade, da die Stunde des Kampfes gekommen war, die kreischende Stimme eines Weibes sich vernehmen ließ, das freien Durchgang durch das Gedränge verlangte. Das Volk machte ihr Platz, und sie keuchte, athemlos vor Eil, unter der Last eines Ringelpanzers und eines großen zweihändigen Schwertes an die Schranken. Bald erkannte man die Witwe von Oliver Proudfute; und die Waffen, die sie trug, waren die des Schmids, welche ihr Mann an dem Abende, da er ermordet wurde, getragen hatte, und die daher mit seinem Leichnam in sein Haus gebracht worden waren. Jetzt wurden sie durch die Anstrengung

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 690. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_716.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2023)