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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

hinderte, in den Kriegen derselben unter einander noch immer eine wichtige Rolle zu spielen. [1]

Damals war die ganze Insel in vier Königreiche getheilt: Leinster, Munster, Ulster und Connaught. Meath, ein kleiner District in der Mitte, war der Sitz des Oberkönigs, der von der ganzen Nation gewählt wurde, aber außer dem Ansehen, welches mit seiner Würde verknüpft war, und den Geschenken, die ihm von den untergeordneten Königen ausgesetzt wurden, weder größere Macht, noch ausgedehnteren Einfluß, als irgend einer von diesen genoß. Jeder dieser Fürsten war völlig unabhängig von dem anderen, sowohl in der inneren Verwaltung seines Reiches, als in dem Rechte mit seinen Nachbarn nach Willkür Kriege zu führen oder Frieden zu halten. Unter ihnen standen, mit beinahe gleicher Unabhängigkeit, die Häuptlinge der Stämme oder Clans, in welche das Volk zerfiel, und unter diesen die Häupter der Familien, die über die Ihrigen wieder eine eben so unumschränkte Gewalt behaupteten, als der Häuptling über den ganzen Clan.

Alle Glieder eines Clans führten denselben Namen, indem sie sich als Verwandte und Nachkommen eines gemeinschaftlichen Stammvaters ansahen und nach dem Namen desselben – mit Hinzufügung der Worte O oder Mac (Sohn oder Abkömmling) – nannten. Der Häuptling (Flath) wurde aus den ältesten und würdigsten desselben Blutes erwählt. Seine Einkünfte bestanden in Geschenken aus den Producten des Landes und in einem Antheil an den Strafgeldern, die für gewisse Verbrechen erlegt werden mußten; seine Gewalt war unumschränkt, beruhte aber mehr auf dem persönlichen Ansehen, welches ihm die Meinung beilegte, als auf wirklicher Macht. Das ganze Land war ein großer Weideplatz; Viehzucht und Jagd die einzige Beschäftigung. Unter einem milden Clima befriedigten die zahlreichen Heerden, die während des Sommers im Gebirg, während des Winters in der Ebene von Ort zu Ort zogen, alle Bedürfnisse. Aus der schwarzen Wolle des irischen Schafes bereiteten die Weiber Mäntel von grobem Tuch, die einzige Kleidung aller Stände. Der Grund und Boden war gemeinschaftliches Eigenthum, und bei dem Tode eines Familienvaters wurde daher nicht der Antheil, den er besessen hatte, an seine Kinder, sondern der ganze Rath – das Gebiet des ganzen Stammes – auf’s Neue unter alle Mitglieder desselben vertheilt. [2]

Wie die Mitglieder eines Clans im engeren Kreise, so betrachteten im weiteren die verschiedenen Clans eines jeden Reiches und im weitesten alle Iren sich als Nachkommen einer und derselben Familie. Daher bestand die ausgedehnteste Gastfreundschaft; jeder Ire hatte das Recht Aufnahme in jedem Hause zu fordern, dessen Schwelle er betrat: auch war es Gesetz, daß nie ein Rath ganz zerstört oder verlassen werde dürfe: „damit der Wanderer nicht des Nachts eines Lagers entbehre.“ Eine Sitte, die mehr als alle andern beitrug, die Bande der Verwandtschaft bis auf die entferntesten Grade hinab unauflöslich zu erhalten, war der Gebrauch, die Söhne nicht im elterlichen Hause aufwachsen zu lassen, sondern – sobald sie ein gewisses Alter erreicht hatten – einem Freunde zur Erziehung zu übergeben. [3]

    nas (Tod)      " θανατ–ος, θ–νησ–κω
    neadh (Nest) nid-us      "
    neamh (Nebel) neb-ula νεφ–ος
    ni (nicht) ne      "
    no (neu) no-vus νε–ος
    noc-t (Nacht) nox νυκ–τος
    o (Ohr) au-ris ου–ς
    oir (Gold) aur-um      "
    oir (Ost) or-iens      "
    radh-im (rede)      " ῤε–ω
    radh-tair (Redner)      " ῤηθ–ωρ
    red (Sache) res      "
    ruadh (roth)      " ἐ–ρυθ–ρος
    sail (Salz) sal      "
    saimh (süß) suav-is      "
    sam-al (ähnlich) sim-ilis      "
    sean (alt) sen-ex      "
    sic (trocken) sicc-us      "
    sioc-aim (trockne) sicc-o      "
    sith-im (setze) sed-o      "
    suith-im (sitze) sed-eo      "
    son (Schall) son-us      "
    sron (Nase)      " ῤιν
    staid-aim (stehe)      " ἰ-ση-μι
    stan (Zinn) stann-um      "
    sugh-aim (sauge) sug-o      "
    sul (Sonne) sol      "
    tar-b (Stier) taur-us ταυρ-ος
    teac (Hütte) tec-tum τεγ-ος
    toil (Wille)      " θελ-ω
    treab (Stamm) trib-us      "
    tur (Erde) terr-a      "
    uaghn (Lamm) agn-us      "
    uair (Stunde) hor-a ὠρ-α
    uimbh (um)      " ἀμφ-ι
    ur (Feuer) ur-o π-υρ

    Was die Uebereinstimmung in den grammatischen Formen betrifft, so fällt schon in dem eben gegebenen Verzeichnis die Analogie der 1 P. P. der Verba in im, aim mit der griechischen Conjugation von μι in die Augen. Eine ausführliche Vergleichung behalten wir einer anderen Gelegenheit vor.

  1. Leland, history of Ireland I. p. LVII und p. 29 ff. vergl. Snorri Sturluson, ed. Havn. T. III. pag. 226 ff.
  2. Hallam, in seiner Constitutional History of England (Par. 1827. 8.) T IV p. 189 bemerkt: it seems impossible to conceive, that these partitions were renewed on every death of one the sept; aber er scheint vergessen zu haben, daß die Iren Nomaden waren, und daher eine solche Vertheilung nur darin bestand, daß jedem selbstständigen Mitglied des Stammes ein Weideplatz für seine Heerden angewiesen wurde. Einen ähnlichen Gebrauch erwähnt Tacitus bei den Sueven. Vergl. Leges Walliae ed. Wotton p. 139.
  3. Ehen, in unserem Sinne, scheinen zur Zeit des Heidenthums unbekannt gewesen zu seyn; die nächsten Verwandten lebten miteinander in Gemeinschaft der Weiber. Cäsar, Bell. Gall. V c. sagt von den Britten: uxores habent deni duodenique inter se communes et maxime fratres cum fratribus, parentes cum liberis. Selbst die irischen Sagen des Mittelalters enthalten noch Erinnerungen an diesen Gebrauch. Als Calma auswanderte, heißt es: und er wählte neunmal neun Jünglinge, und jeder von
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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 695. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_721.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2023)