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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

indessen irgend einen Theil des Königreichs gibt, wo die Bildung der arbeitenden Klassen von größerer Wichtigkeit ist, als in andern, so ist es Ireland. Ich habe daher mit ungemeinem Vergnügen vernommen, daß das System bereits auch dort Wurzel gefaßt hat. In Dublin wurde ein Institut für Mechaniker nach den richtigsten Ansichten gestiftet und das große Grundgesetz anerkannt, daß der Verwaltungsrath aus zwei Drittheilen Arbeitern bestehen müsse. Auch zu Cork ist eine solche Anstalt im Werk, und ich habe die gegründete Hoffnung, daß Limerick und Belfast einem so guten Beispiel folgen werden.

Der Zweck dieser Details ist gewesen, durch klare Thatsachen wohlwollende Männer in diesen edeln Bestrebungen zu ermuthigen, die Gleichgültigen anzuregen und den Kleinmüthigen Zuversicht zu geben. Die Sache ist von einer solchen unberechbaren Wichtigkeit, daß ich keine Apologie nöthig habe, wenn ich mich mit meinen eifrigen Wünschen an alle Männer von erleuchteten Ansichten wende, welche die wahre Veredlung ihrer Mitmenschen und die besten Interessen ihres Vaterlandes zu würdigen wissen. Unsere Pflicht ist es, diese wichtige Materie überall und zu jeder Zeit zur Sprache zu bringen. Ich rede nicht blos von Seminarien, worin Mechaniker in den Principien der mathematischen und physikalischen Wissenschaften unterrichtet werden sollen, sondern von Bildungsanstalten, in welchen die arbeitenden Klassen überhaupt diejenigen Kenntnisse zu erwerben Gelegenheit erhalten, die sie durch Privatstudien sich nicht aneignen können. Eine Stadt müßte in der That sehr unbedeutend seyn, in welcher eine nützliche Vorlesung nicht bei einiger Anstrengung und Aufmunterung, mittelst der vierteljährigen Beiträge der Zuhörer für immer begründet werden könnte. Wo auch kein Wirkungskreis für Lehrer der Chemie und Mechanik ist, da dürften moralische und politische Gegenstände immer willkommen seyn, und wo Vorlesungen überhaupt nicht zu Stande gebracht werden können, muß man wenigstens für eine Büchersammlung sorgen, und eine nützliche Lektüre befördern. Wir hören beständig von Volksfreunden reden, die den Armen und den arbeitenden Klassen wohl wollen; von liberalgesinnten Männern, die von Eifer für die Verbreitung von Kenntnissen und die Förderung intellektueller Bestrebungen beseelt sind. Aber keiner hat das Recht, sich diese Namen beizulegen oder auf seinen Eifer für die Sache der Bildung stolz zu seyn, wenn er in seiner eignen Umgebung Nichts gethan hat, um eine populäre Vorlesung zu Stande zu bringen oder sollte dazu der Kreis zu enge seyn, wenigstens einen Leseklub zu stiften, der in vielen Fällen sich mit einem Curs von Vorlesungen endigen wird. Für einen solchen Klub ist schwerlich ein Dorf in dem Königreich zu klein; und ich habe gezeigt, daß sehr unbeträchtliche Städte für Vorlesungen die nöthigen Mittel haben. Nachdem der Versuch bereits mit Erfolg gemacht worden ist, gereicht es wahrhaftig nicht zur Ehre, wenn irgend eine beträchtliche Stadt ohne eine Anstalt für populäre Bildung ist. Ich beziehe mich auf die angeführten Fälle, wenn ich behaupte, daß an jedem Orte, um das Gelingen des Plans zu verbürgen, nur Ein Mann erforderlich sey. Wo ein solcher Mann und eine hinlängliche Anzahl von Arbeitern vorhanden ist, sind alle Erforderniße beisammen. Er hat sich nur mit einigen Meistern zu besprechen, im Einverständnisse mit ihnen die Ankündigung einer Versammlung cirkuliren zu lassen, oder, wenn man dies vorzieht, auf andern Wegen auszumitteln, wie Viele einer Vorlesung beiwohnen wollen – und in einem Monat werden die nöthigen Anordnungen in Betreff des Hörsaales und des Individuums, das die Vorlesungen hält, gemacht seyn.

Ich schließe diese Bemerkungen mit dem freudigen Gefühl, daß es fernerhin nicht mehr nöthig ist, gegen die Verbreitung von Kenntnissen unter den arbeitenden Klassen Einwürfe, die aus politischen Betrachtungen entspringen, zu bekämpfen. Glücklicherweise ist die Zeit vorbei, wo Fanatiker das Menschengeschlecht überreden konnten, die Leuchte der Philosophie müsse ausgelöscht werden, weil sie der Religion gefährlich sey; und wo Tyrannen die Lehrer der Nationen ächten konnten, weil sie Feinde ihrer Macht seyen. Es ist widersinning zu denken, daß die Erweiterung unserer Bekanntschaft mit den Gesetzen, die das Weltall regieren, zum Unglauben leiten könnte. Sie mag dem Aberglauben wehren – gegen Intoleranz wird sie unfehlbar das beste Heilmittel werden; aber eine reine und wahre Religion hat Nichts zu fürchten von der größtmöglichen Ausbildung, welche das Studium der leblosen oder beseelten Natur dem menschlichen Verstand verleihen mag. Je weiter das Licht der Wissenschaft sich verbreitet, desto besser wird der Urheber aller Dinge erkannt, und desto weniger werden die Völker „hin und her getrieben von der Trugkunst der Menschen und ihrer verschlagenen Arglist, wobei sie im Hinterhalt liegen, um zu bestricken.“ [1] Tyrannen und bösen Herrschern ist das Voranschreiten der Wissenschaft unter der Masse der Nationen allerdings ein gerechter Gegenstand des Schreckens; es ist ihnen selbst und ihrem Beginnen Verderben bringend. Das wissen sie durch einen nie irrenden Instinkt, und hören daher nie auf, das Licht zu fürchten; aber sie werden leichter finden, es zu verwünschen, als es auszulöschen. Es breitet sich, ihnen zum Trotz, immer weiter aus, selbst in denjenigen Ländern, wo die Willkürherrschaft sich am Sichersten glaubt, und in England würde jeder Versuch, seinen Fortschritt zu hemmen, Nichts weiter, als den schleunigen Untergang dessen, der unsinnig genug wäre, einen solchen Versuch zu machen, zur Folge haben.

Den höhern Klassen der Gesellschaft möchte ich also zurufen, daß es nicht mehr länger die Frage ist, ob überhaupt das Volk unterrichtet werden soll oder nicht – denn diese Frage ist längst entschieden, und die Entscheidung ist unabänderlich – sondern ob es gut oder schlecht unterrichtet werden – ob es halb gebildet seyn soll, oder so gründlich als seine Umstände erlauben, und seine Bedürfnisse

  1. Eine Stelle der heil. Schrift.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 698. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_724.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2023)