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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

erfordern. Daß Keiner fürchte, der große Haufe möge so vervollkommnet werden, daß das Verhältniß der Unterordnung unter die Oberen darunter leide! Wird die Masse der Gesellschaft gebildeter, als bisher, und kenntnißreicher selbst in den höchsten Zweigen der Wissenschaft – was sie wohl werden kann – so wird die schlimmste Folge davon für ihre Oberen seyn, daß auch sie, um wahrhaft auf einen Vorzug Anspruch machen zu können, sich mehr, als bisher, auf die Erwerbung gründlicher und höherer Kenntnisse legen müssen; die gegenwärtigen öffentlichen Seminarien müssen erweitert und einige der größern Städte des Königreichs, vorzüglich die Hauptstadt, dürfen nicht ferner hin innerhalb ihrer eignen Mauern der erforderlichen Anstalten für wissenschaftliche Erziehung beraubt seyn.

Den arbeitenden Klassen aber möchte ich zurufen, daß jetzt die Zeit ist, wo sie sich durch eine große, gemeinsame Bestrebung für immer die unschätzbaren Segnungen wissenschaftlicher Bildung sichern können. Nie war unter den Reichen eine allgemeinere Bereitwilligkeit, ihnen den erforderlichen Beistand zu leisten, um den großen Hebel des Unterrichts in Bewegung zu setzen; aber sie müssen hervortreten, und die angebotene Gelegenheit benutzen und den einmal gegebenen Impuls durch eigne Bemühung dauernd erhalten. Diejenigen, welche bereits in dem Streben nach Wissenschaft schon einen Anfang gemacht und ihre Süßigkeiten schon geschmeckt haben, bedürfen keiner Ermahnung, um fortzufahren. Sollten aber diese Blätter in die Hände eines Arbeiters fallen, der zum erstenmal seiner benöthigten Ruhe nach vollbrachtem Tagewerk eine Stunde entwendet hat, um zu lesen, so bitt ich ihn, mich, der ich sie zu seinem Besten in denselben Stunden geschrieben habe, dadurch zu belohnen, daß er während der nächsten vierzehn Tage drei Pence erspart, sich damit Franklins Leben kauft und die erste Seite liest. Ich bin überzeugt, er wird fortfahren zu lesen; ich bin überzeugt, er wird Zeit und Geld ersparen, um sich diejenige Art von Kenntnissen zu erwerben, die jenen großen Mann aus einem Buchdruckersjungen zum ersten Philosophen und zu einem der ersten Staatsmänner seines Jahrhunderts machten. Wenige sind von der Natur bestimmt, so weit zu kommen, wie er kam; auch ist es nicht nöthig, in der Entsagung aller Lebensgenüsse und in der Sparsamkeit mit jedem Zeitmoment so strenge zu seyn, wie er war. Aber Alle mögen ihm eine gute Strecke nachfolgen, und Keiner kann, ehe er den Versuch gemacht hat, sagen, wie weit er im Stande seyn werde, sich ihm zu nähern.“



Der Valentins Tag.


(Fortsetzung.)

In diesem Momente der Entscheidung wurde Torquil, der nie für sich selbst gefürchtet hatte, von Furcht und Besorgniß um seinen Dault[1] befallen, doch beruhigte es ihn, als er sah, daß Eachin eine feste Stellung behauptete und daß die wenigen Worte, die er an seinen Clan richtete, keck und herzhaft und wohl berechnet waren, seine Leute zum Kampfe zu ermuthigen, indem sie den Entschluß aussprachen, ihr Schicksal im Siege oder im Tode zu theilen. Aber es war keine Zeit zu weiteren Bemerkungen. Die Trompeten des Königs bliesen zum Angriff; die Sackpfeifen spielten ihre kreischenden, tollen Weisen auf und die Streiter stürzten vorwärts in regelmäßiger Ordnung, ihren Schritt allmälig verdoppelnd, bis sie zum schnellsten Anlauf kamen und in der Mitte des Kampfplatzes, wie ein wüthender Strom, welcher der schwellenden Fluth begegnet, auf einander stießen.

Einen oder zwei Augenblicke schienen die Vorderreihen, wie sie mit ihren langen Schwertern auf einander hieben, in eine Folge von Einzelnkämpfen verwickelt; aber bald hielten auf beiden Seiten die hintern Glieder sich nicht länger zurück, drängten, gleich heftig von der Wuth des Hasses und dem Durst des Ruhmes ergriffen, sich durch die Zwischenräume und verwandelten den Schauplatz in ein wildes Gewirre, über welchem nur die gewaltigen Schwerter wechselnd emporstiegen und nieder sanken, einige noch glänzend, andere strömend von Blut, aber alle mit so reissender Schnelligkeit geschwungen, daß sie eher durch eine verwickelte Maschinerie, als durch Menschenhände in Bewegung gesetzt zu seyn schienen. Einige der Kämpfenden, zu dicht an einandergedrängt, um von diesen langen Waffen noch Gebrauch machen zu können, hatten bereits zu ihren Messern gegriffen, und versuchten die Schwerthiebe ihrer Gegner zu unterlaufen. Das Blut floß inzwischen stromweise, und das Gestöhn der Gefallenen begann sich unter das Gellen der Streitenden zu mischen; denn das Geschrei, das sie nach der alten Sitte der Hochländer erhoben, konnte man nicht so wohl einen Schlachtruf, als ein Geheul nennen. Diejenigen der Zuschauer, deren Augen am Besten an solche Scenen des Blutes und der Verwirrung gewöhnt waren, konnten dennoch keinen Vortheil entdecken, den eine von beiden Parteien errungen hätte. Der Kampf schwankte zwar verschiedene Male vorwärts und rückwärts, aber es war immer nur eine vorübergehende Ueberlegenheit, welche die Partei, die sie errang, in dem nächsten Augenblicke durch eine erhöhte Anstrengung von der andern Seite wieder verlor. Die wilden Töne der Pfeifen wurden auch über diesem Getös gehört und spornten die Wuth der Kämpfenden zu neuen Anstrengungen an.

Auf einmal indessen und, wie durch gegenseitige Uebereinkunft, bliesen die Instrumente zum Rückzuge; eine traurige Melodie, welche eine Klage für die Gefallenen auszudrücken schien, gab dieß Signal. Die beiden Parteien ließen von einander ab, um einige Minuten Athem zu schöpfen. Die Augen der Zuschauer durchliefen begierig die zerstreute Schaar der Streiter, wie sie von dem Kampfe abzogen, aber sie fanden es noch immer unmöglich zu entscheiden, welche Partei den größten Verlust erlitten habe. Es schien, als wenn der Clan Chattan weniger Leute verloren hätte, als seine Gegner; aber auf der andern Seite zeigten die blutigen Plaids und Hemden seiner Angehörigen (denn mehrere von beiden Seiten hatten ihre Mäntel hinweggeworfen), mehr Verwundete als der Clan Quhele. Ungefähr zwanzig von beiden Seiten lagen auf der Wahlstadt todt, oder sterbend; Arme und Beine, die abgehauen, Häupter, die bis auf das

  1. Pflegesohn.
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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 699. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_725.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)