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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Kinn gespalten waren, Wunden, tief durch die Schulter in die Brust, bewiesen zugleich die Wuth des Kampfes, die fürchterliche Gewalt der gebrauchten Waffen und die ungeheure Kraft der Arme, welche sie führten. Der Häuptling des Clans Chattan hatte sich mit dem entschiedensten Muthe benommen und war leicht verwundet. Auch Eachin hatte, umgeben von seiner Leibwache, herzhaft gefochten. Sein Schwert war blutig, seine Gebehrde kühn und kriegerisch; und er lächelte, als der alte Torquil ihn in seine Arme schloß und mit Lobsprüchen und Segnungen überhäufte.

Die beiden Häuptlinge stellten, nachdem sie ihren Leuten etwa zehn Minuten Zeit gegeben hatten, um Athem zu schöpfen, aufs Neue ihre Reihen, die ungefähr ein Drittel von ihrer ursprünglichen Zahl eingebüßt hatten, in Schlachtordnung. Sie wählten jetzt ihren Kampfplatz näher am Flusse, weil die Stätte, auf der sie zuerst zusammengetroffen waren, mit Erschlagenen und Schwerverwundeten bedeckt war. Einige von den Letzteren sah man von Zeit zu Zeit sich emporrichten, um einen Blick auf die Ihrigen zu werfen, aber sogleich wieder zurück sinken, die meisten davon, um durch den Verlust des Blutes, das den schrecklichen Wunden des Claymore[1] entströmte, zu sterben.

Heinrich, der Schmid, war durch seine niederländische Tracht sowohl, als durch seinen Stand, leicht von allen Anderen zu unterscheiden; indem er auf dem Platze, wo sie zuerst gefochten hatten, auf sein Schwert gestützt stehen blieb neben dem Leichnam, dessen Haupt, durch die Kraft des Streiches, der es abgehauen hatte, zehn Ellen weit fortgeschleudert, auf seiner hochländischen Mütze noch das Eichenlaub zeigte, mit welchem die Leibwache von Eachin Mac Ian geziert war. Seit er diesen Mann erschlagen, hatte Heinrich keinen Hieb mehr geführt, sondern sich damit begnügt, die Streiche zu pariren, die auf ihn selbst oder auf den Häuptling gerichtet waren. Mac Gillie Chattanach wurde unruhig, als er sah, nachdem er das Zeichen für seine Leute gegeben hatte, sich zusammen zu ziehen, daß sein kraftvoller Bundesgenosse von den Reihen entfernt blieb, und wenig Neigung zeigte, sich denselben anzuschließen.

„Was fehlt dir, Mann?“ sagte der Häuptling. „Kann ein so starker Leib einen schwachen und feigen Geist haben? Komm’ und rücke ein zum Kampfe!“

„Ihr habt mich eben erst, so gut als einen Söldling genannt,“ antwortete Heinrich; „wenn ich das bin – auf den hauptlosen Leichnam zeigend – so habe ich genug gethan für meinen Tagelohn.“

„Wer mir dient, ohne die Stunden zu zählen,“ erwiederte der Häuptling, „den bezahle ich, ohne seinen Lohn zu rechnen.“

„Dann,“ sagte der Schmid, „fechte ich als Freiwilliger und auf dem Posten, der mir am Besten gefällt.“

„Das steht ganz in eurer Wahl,“ entgegnete Mac Gillie Chattanach, „der einsah, daß es klug sey, einem so vielversprechenden Streiter seine Launen zu lassen.“

„Es ist genug,“ sagte Heinrich, und schloß sich, seine schwere Waffe auf die Schulter werfend, munter den übrigen Kämpfern an, indem er sich dem Häuptling des Clans Quhele gegenüberstellte.

Jetzt war es, wo Eachin zum ersten Male einige Unsicherheit zeigte. Er hatte lange Heinrich als den besten Fechter angesehen, den Perth und seine Nachbarschaft in die Reihen zu bringen hatte. Sein Haß gegen ihn, als Nebenbuhler, war mit der Erinnerung an die Leichtigkeit gemischt, mit welcher er einst, obwohl unbewaffnet, seinen plötzlichen verzweifelten Anfall vereitelt hatte; und als er ihn erblickte, seine Augen fest ihm zu gerichtet, das triefende Schwert in der Hand, und augenscheinlich zu einem persönlichen Angriff auf ihn entschlossen, so wich sein Muth und er gab Zeichen der Unschlüssigkeit, die seinem Pflegevater nicht entgingen.

Es war ein Glück für Eachin, daß Torquil, im Bewußtseyn seiner eignen Gemüthsart und des Naturells von Allen, mit denen er zusammen gelebt hatte, unfähig war, den Gedanken zu fassen, daß es Einem aus seinem eigenen Stamme, viel weniger seinem Häuptling und Pflegesohn, an physischen Muth fehlen könne. Wenn er sich dieß hätte einbilden können, so würde sein Schmerz und seine Wuth ihn zu dem Aeußersten getrieben haben, Eachin das Leben zu nehmen, um ihn vor den Verluste seiner Ehre zu retten. Aber sein Geist verwarf den Gedanken, daß sein Dault ein Feigling sey, als etwas Ungeheures und Widernatürliches. Die nächste Erklärung, die sein Aberglaube ihm eingab, war, daß er unter dem Einflusse einer Bezauberung stehe, und er fragte ängstlich, aber nur halblaut; Fängt der Zauber jetzt an, deinen Geist zu verdunkeln, Eachin?

„Ja – Elender, der ich bin!“ antwortete der unglückliche Jüngling, dort steht der grimme Zauberer!“

„Wie!“ rief Torquil aus, „und du trägst eine Rüstung, die er gemacht hat? – Norman, alberner Bursch, warum hast du diesen verfluchten Panzer gebracht?

„Wenn mein Pfeil fehl geflogen ist, kann ich nur mein Leben ihm nachschießen,“ antwortete Norman-nan-Ord. „Stehe fest, du sollst mich den Zauber brechen sehen.“

„Ja, stehe fest,“ sagte Torquil. „Er mag ein grimmer Zauberer seyn, aber mein Ohr hat es gehört und meine Zunge hat es gesagt, daß Eachin aus dem Kampf gehen soll ganz, frei und unverwundet; ich will den sächsischen Zauberer sehen, der dieß widersprechen kann. Er mag ein starker Mann seyn, aber der schöne Eichwald soll fallen, mit Stumpf und Stiel, ehe er einen Finger an meinen Dault legt. Reiht euch um ihn, meine Söhne: – Bas air son Eachin!

Torquils Söhne riefen laut diese Worte zurück, die bedeuten: den Tod für Hector!

Ermannt durch diese Ergebenheit, faßte Eachin neuen Muth und rief kühn den Minstrels seines Clan’s zu: Seid suas! d. i. spielt auf!

(Forts. folgt.)

Berichtigung.

Im Blatt Nr. 173, S. 691, Sp. 2, Z. 13 v. o. statt ein Vater mit zwei Söhnen, lies: der Vater mit den zwei letzten Söhnen.

  1. Das große schottische Schlachtschwert.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 700. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_726.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)