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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

und sein jüngster Sohn waren von der Zahl, beide leicht verwundet. Eachin allein war durch die Aufmerksamkeit, mit der jeder gegen ihn geführte Hieb aufgefangen wurde, ohne Verletzung davon gekommen. Die Wuth beider Parteien war durch die Erschöpfung in dumpfe Verzweiflung gesunken. Sie gingen taumelnd, wie schlaftrunken, zwischen den Leichen der Erschlagenen umher und starrten sie an, als ob sie ihren Haß gegen ihre überlebenden Feinde durch den Anblick der Freunde, die sie verloren hatten, wieder aufschüren wollten.

Bald darauf sah die Menge die übrig gebliebenen Streiter gegen einander ziehen, um den Vertilgungskampf am Ufer des Flusses zu erneuen, da dieß der Platz war, der am Wenigsten schlüpfrig von Blut und am Wenigsten bedeckt mit Leichnamen war.

„Um Gottes Willen, um der Gnade willen, die wir täglich erflehen, sagte der gutherzige alte König zu dem Herzog von Albany: Laß dieß genug seyn! Warum sollen wir dulden, daß diese elenden Krüppel und Reste von Menschen ihre Schlachterei vollenden? – Gewiß werden sie sich jetzt meistern lassen und auf billige Bedingungen Frieden annehmen.“

„Beruhigt euch, mein Fürst, sagte sein Bruder. Diese Menschen sind die Pest des Flachlandes. Beide Häuptlinge leben noch – wenn sie unbeschädigt zurückkommen, so ist die Arbeit des ganzen Tages hinweggeworfen. Erinnert euch eures Versprechens im Rathe, daß ihr nicht Halt rufen wolltet.“

„Ihr zwingt mich zu einem großen Verbrechen, Albany, beides als ein König, der seine Unterthanen beschirmen sollte, und als Christ, der seinen Glaubensbruder achtet.“

„Ihr urtheilet falsch, mein Gebieter,“ sagte der Herzog; „dieß sind keine liebenden Unterthanen, sondern widerspenstige Empörer, wie Mylord von Crawford bezeugen kann, und noch weniger sind sie Christen, denn der Dominicanerprior ist mein Bürge, daß sie mehr als zur Hälfte Heiden sind.“

Der König seufzte tief: „Ihr mögt handeln nach eurem Gefallen, und seyd zu klug für mich, um mit euch zu streiten. Ich kann mich nur abwenden, und meine Augen gegen den Anblick eines Blutbades schließen, welcher mich krank macht. Aber wohl weiß ich, daß Gott mich strafen wird, auch nur Zeuge einer so unnützen Aufopferung des Menschenlebens gewesen zu seyn.“

„Blast, Trompeter!“ sagte Albany, „ihre Wunden werden steif, wenn sie länger warten!“

Während dieß vorging, war Torquil damit beschäftigt, seinen jungen Häuptling zu umarmen und aufzurichten.

„Widerstehe der Zauberkraft nur noch einige Minuten! sey gutes Muthes, du wirst davon kommen ohne Riß oder Ritz, Schramme oder Wunde. Sey gutes Muthes!“

„Wie könnte ich gutes Muthes seyn,“ antwortete Eachin, „da meine tapfern Blutsfreunde, einer nach dem andern, zu meinen Füßen gestorben sind? gestorben alle für mich, der so wenig diese Treue verdiente?“

„Und wozu waren sie geboren, als für ihren Häuptling zu sterben?“ sagte Torquil, gefaßt. „Warum klagen, daß der Pfeil nicht mehr in seinen Köcher zurückkehrt, wenn er das Ziel getroffen hat? Ermuthige dich noch! Hier sind wir beide, Tormod und ich, nur wenig verletzt, während die wilden Katzen sich über den Plan schleppen, als wenn sie halb zerrissen wären von den Hunden. Nur noch einen tapfern Stand, und der Tag ist unser; wenn es auch wohl seyn mag, daß du allein lebend übrig bleibst. – Minstrels, blast zum Kampfe!“

Die Pfeifer auf beiden Seiten bliesen zum Angriff und die Kämpfer fielen auf’s Neue einander an, zwar nicht mit derselben Kraft, aber gewiß mit ungeschwächtem Grimm. Sie wurden jetzt verstärkt durch die, deren Pflicht es war, parteilos zu bleiben, die sich jetzt aber außer Stande fanden, dieß zu thun. Die beiden alten Krieger, welche die Standarten trugen, waren allmälig von den äußersten Schranken herangekommen, und hatten sich der Scene des Gefechtes genähert. Als sie das Gemetzel mehr in der Nähe erblickten, wurden sie gegenseitig durch das Verlangen getrieben, ihre Brüder zu rächen, oder nicht zu überleben. Sie griffen einander wüthend mit den Lanzen an, an denen die Standarten befestigt waren, geriethen, nachdem sie einander mehrere tödtliche Stöße beigebracht hatten, in’s Handgemenge, rauften sich darauf in wildem Ringen, immer noch ihre Banner haltend, bis sie zuletzt in der Blindheit des Kampfes mit einander in den Tay fielen; und nach der Beendigung des Streites wurden sie, Einer fest von den Armen des Andern umschlossen, ertrunken gefunden. – Zuletzt ergriff die Kampfwuth und die Raserei des Zorns und der Verzweiflung auch die Minstrels. Die beiden Pfeifer, die während des Gefechts ihr Aueßerstes gethan hatten, den Muth ihrer Brüder aufrecht zu erhalten, sahen jetzt den Streit beinahe zu Ende gebracht durch den Mangel an Männern, die ihn hätten fortführen können. Sie warfen ihre Instrumente hinweg, stürzten verzweifelt auf einander mit ihren Dolchen; und da jeder mehr darauf bedacht war, seinen Gegner aus der Welt zu schaffen, als sich selbst zu vertheidigen, war in einem Augenblicke der Pfeifer des Clans Quhele erschlagen, und der des Clans Chattan tödtlich verwundet. Der letztere ergriff dennoch wieder sein Instrument und der Pibroch des Clans strömte seine verhallenden Töne noch so lange über den Clan Chattan hin, als der sterbende Minstrel Athem hatte, ihn zu beleben. Das Instrument, dessen er sich bediente, oder wenigstens der Theil desselben, welchen man den Pfeifer nennt, wird noch bis auf diesen Tag in dem Hause eines hochländischen Häuptlings bewahrt und mit dem Ehrennamen des Federan Dhu oder schwarzen Pfeifers bezeichnet.

(Schluß folgt.)
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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 706. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_732.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)