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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Ireland und die Emancipation der Katholiken.


(Fortsetzung)

Früh war in Ireland das Christenthum verbreitet worden; der heilige Patrick, ein geborner Ire, der in dem Kloster des heil. Martinus zu Tours nach den Begriffen der damaligen Zeit gebildet worden war, vollendete um die Mitte des fünften Jahrhunderts die Bekehrung der Insel. Die religiösen Gemeinschaften, zu denen sich die Schüler des frommen Mannes vereinigten, hatten das doppelte Verdienst, ihre Landsleute mit dem Ackerbau bekannt zu machen und zu einer Zeit, als beinahe in dem ganzen übrigen Europa wilde Barbarenhorden selbst die Keime der Civilisation ausrotteten, den Wissenschaften eine Freistätte zu eröffnen. Auf allen Puncten der Insel, mitten in den entlegensten Wildnißen, in den unwegsamsten Sümpfen und Wäldern, erhoben sich Klöster; um sie her wurde das Land urbar gemacht, Dörfer und Städte erbaut und Schulen gestiftet, in denen bald auswärtige wie einheimische, Schüler in großer Anzahl Aufnahme und Unterricht fanden. Auf die allgemeine Bildung und die Sitten des Volkes hatte diese Veränderung indessen nur geringen Einfluß, da die Wissenschaften, mit der lateinischen Sprache, in der sie gelehrt wurden, auf den Umfang der Klostermauern beschränkt blieben. Nirgends erhielt sich die Geistlichkeit so frei von aller Einwirkung in weltliche Dinge; und dieser Mangel politischer Macht mag mehr, als die Abgeschiedenheit der Insel, der Grund gewesen seyn, weshalb die irische Kirche, in ihrem dürftigen und unscheinbaren Kleide, von der römischen Hierarchie zu der Zeit, als dieselbe ihre stolzen Fittige über alle Länder des Abendlandes ausbreitete, übersehen und vergessen wurde.

Mehrmals hatten irische Häuptlinge in den Fehden von Wales und in den Kriegen von England gefochten; nach der Schlacht bei Hastings setzten die Söhne Eduards des Bekenners, den Kampf gegen die normännischen Eroberer mit Hülfe irischer Heere fort; auch nachdem die Eroberung vollendet war, suchten häufig unzufriedene englische Große eine Zuflucht auf der Nachbarinsel. Nothwendig war dadurch die Aufmerksamkeit der Könige von England auf Ireland gezogen worden; der staatskluge Heinrich II war kaum auf den Thron gelangt, als er den Plan zur Eroberung der Insel faßte, und in Ermanglung besserer Rechtsgründe mußte die Unabhängigkeit, in welcher sich die irische Kirche vom römischen Stuhle befand, zum Vorwand dienen. Bereits im Jahre 1152 hatte ein apostolischer Nuncius, der Cardinal Paparone, den Clerus von Ireland zu einer Versammlung berufen, um die Abstellung der Mißbräuche zu verlangen, welche sich in die geistliche Disciplin und das kirchliche Ceremonienwesen, oder, was damals eben so viel sagen wollte, in die Religion eingeschlichen hätten. Auf einer Synode zu Drogheda, die aus 3000 Geistlichen bestand, ertheilte er im Namen des heil. Petrus den Bischöfen von Armagh, von Dublin, von Cashel und von Tuam das erzbischöfliche Pallium, bestimmte die Zeit der Osterfeier nach dem Gebrauche der übrigen abendländischen Kirchen und führte das Cölibat ein. Aber ob die Unterwerfung des irischen Clerus nicht allgemein genug, oder nur unvollständig war: zwei Jahre darauf machte der Pabst Adrian III von seinem Rechte, als Oberhaupt der gesammten Christenheit das Wohl der ihm anvertrauten Heerde zu besorgen, Gebrauch, indem er die ganze Insel dem Könige von England schenkte, „um auf derselben die Pflanzungen des Lasters auszurotten und den Samen des christlichen Glaubens auszusäen.“ Dagegen versprach der König, sobald er Ireland unterworfen haben würde, von jedem Hause jährlich eine Steuer von einem Pfennig an den heil. Petrus zu bezahlen.[1]

Innere Unruhen verhinderten lange die Ausführung dieses Eroberungsplanes; bis im Jahre 1168 ein vertriebener irischer Fürst nach England floh und den Schutz Heinrichs II ansprach. Dermod, König von Leinster, hatte sich durch seine Grausamkeit und Strenge den Haß der ihm untergebenen, so wie durch seine Gewaltthätigkeiten die Feindschaft der benachbarten Häuptlinge zugezogen, als der Oberkönig O’Lochlan von Ulster, der ihn beschützte, in einem Treffen fiel und Roderic O’Connor von Connaught, das Haupt der Gegenpartei, auf den Thron erhoben wurde. Sogleich wandte dieser die Waffen gegen Dermod, der von den Seinigen verlassen und außer Stande, seinen Feinden Widerstand zu leisten, sich genöthigt sah, seinen Staaten den Rücken zu kehren.

Heinrich II befand sich, als Dermod an seinem Hofe erschien, in Guienne und war zu sehr mit den inneren Angelegenheiten seines Reiches beschäftigt, als daß er sich auf auswärtige Unternehmungen hätte einlassen können; um indessen eine so günstige Gelegenheit zu der Erreichung seiner Absichten nicht ganz von der Hand zu weisen, versicherte er den verbannten Fürsten in offenen Briefen seines Schutzes und ertheilte allen englischen Baronen die Erlaubniß, ihm zu der Wiedereroberung seiner Staaten hülfreiche Hand zu bieten.

Im Anfang des Mai 1170 landete ein normännischer Ritter aus dem Fürstenthum Wales, Robert Fitzstephen mit dreißig Rittern, sechzig schwer bewaffneten Reitern und hundert Bogenschützen – der erste Engländer – in der Einfahrt von Bann, in der Nähe der Stadt Wexford, an der irischen Küste; unmittelbar darauf Moritz von Pendergast, ein tapfrer Walliser, an der Spitze von zehen Rittern und zweihundert Bogenschützen. Mit ihnen war Hervey von Mountmorres, ein Neffe des mächtigen Grafen Richard von Chepstow, von seiner Stärke im Bogenschießen genannt Starkbogen (Strongbow), um im Auftrage seines Oheims, dem Dermod die Hand seiner einzigen Tochter und die Nachfolge auf dem Throne von Leinster zugesagt hatte, das Land auszukundschaften. Dermod, der, vor der Ankunft seiner Bundesgenossen zurückgekehrt, einen Aufstand durch seine Anhänger erregt und durch die unzeitige Milde des Königs Roderic O’Connor zur

  1. De singulis domibus annuam unius denarii beato Petro velle solvere pensionem. Rymeri foedera, T. I p. 1 p 5.
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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 707. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_733.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)