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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Entschädigung für den Verlust seines Reiches einen kleinen District an der Küste zum unabhängigen Besitz erhalten hatte, vernahm nicht sobald die Nachricht von der Landung der Engländer, als er seinen natürlichen Sohn Donald mit fünfhundert Mann zu ihnen stoßen ließ und kurze Zeit darauf sich selbst mit ihnen vereinigte. –

Wexford, ein von den Ostmannen erbauter Ort, ergab sich nach kurzem Widerstande, Fitzstephen wurde zum Herrn desselben und des dazu gehörigen Gebietes erklärt; Hervey von Mountmorres erhielt die Herrschaft über einen ansehnlichen Landstrich zwischen Wexford und Waterford, einer anderen, gleich Wexford, von den Ostmannen gegründeten Stadt. Dieß war die erste brittische Niederlassung in Ireland; und die Einwohner derselben, die aus den Dienstleuten der beiden Ritter bestanden, jedoch bald durch Abentheurer aus allen Theilen von England verstärkt wurden, waren viele Jahre durch ihre Sprache und Sitten von den Eingebornen geschieden und haben sich auch jetzt nach allen den Umwälzungen, welche seitdem die Insel betroffen haben, noch nicht völlig mit denselben vermischt.

Ungeachtet des hartnäckigen Widerstandes, den einzelne irische Häuptlinge boten, und des Abfalles von Moritz von Pendergast, der – durch Dermod beleidigt – zu den Feinden überging, war, nach einer geringen Anzahl von meist unbedeutenden Gefechten, der größte Theil von Leinster unter die Botmäßigkeit seines alten Fürsten zurückgeführt. Moritz von Pendergast kehrte nach England zurück, und die Lücke, die sein Abfall verursacht hatte, wurde durch die Ankunft eines Halbbruders von Fitzstephen, Moritz Fitzgerald, der bald darauf mit einer Heerschaar von zehn Rittern, dreißig Reisigen und hundert Bogenschützen landete, mehr als ausgefüllt. Roderic O’Connor, der Oberkönig der Insel, statt sich den ersten Fortschritten der Fremden mit Kraft entgegenzusetzen und sie durch seine Uebermacht zu erdrücken, ließ ihnen Zeit, sich in ihren Eroberungen zu befestigen, und durch die Anhänger, die Dermod besonders unter dem niedern Volke und der Geistlichkeit seines Königreiches zählte, zu verstärken. Endlich war ein allgemeines Aufgebot erlassen worden; zu Tarah, dem alten irischen Königssitze, wurden die Schaaren, die von allen Seiten herbeiströmten, gemustert; ein zahlreiches Heer der tapfersten Krieger hatte sich gesammelt. Aber Roderic wagte nicht, den Häuptlingen des Nordens, durch frühereVerbindungen mit Dermod verdächtig, zu vertrauen; und da er durch die Entfernung geschwächt, sich dem Feinde nicht mehr gewachsen hielt, zog er vor – statt das Glück der Waffen zu versuchen – Dermod durch friedlichen Vertrag als König von Leinster anzuerkennen. Dieser gab ihm dagegen seinen Sohn zum Geisel für seine Treue und versprach, sobald er Leinster zum Gehorsam zurückgeführt haben würde, seine fremden Krieger in ihre Heimath zurückzuschicken. [1]

(Fortsetzung folgt.)

Lissabon.[2]

Die Aussicht von Buenos Ayres ist prachtvoll; man übersieht Almada und die ganze Hügelkette am Tajo hinab, bis über Belem hinaus und fast bis zu dem Punkte von Traffraria, einen beträchtlichen Theil Lissabons, und einen Wald von Masten, Schiffe von jeder Art und Größe, an dem majestätischen Strom: gegen Osten über den breitern Theil des Tajo, in der Richtung von Aldea Gallega und Moita, auf einer anmuthigen Höhe die Stadt Vendas de Palmela, in der Nähe Serra de Arrabida, – rings eine durch ihre Weinberge und Pomeranzenhaine berühmte Landschaft; gegen Westen das Stadtviertel von Belem, Gärten, Klöster, Kirchen und Paläste in bunter Mischung bis zu dem stolzen, obgleich noch nicht ausgebauten, Palaste auf der Höhe von Ajuda, wo die königliche Residenz ist.

Auf unserem Weg durch die schlechtgepflasterten und engen Gassen nach der Rua do Prior waren Kuttenträger, Bettler und Hunde fast die einzigen lebenden Wesen, denen wir begegneten, dafür kamen wir aber an einer Menge abscheulicher Kothhaufen vorbei, und nicht weit von unserem Gasthof lag der Leichnam eines Pferdes, welches die Nacht zuvor gefallen war, und seine Pestgerüche verbreitete. Sieht man dieß und das Heer schmutziger Bettler, die, um Mitleiden zu erregen, auf allen öffentlichen Plätzen ihre Krankheiten auf die ekelhafteste Art zu Schau stellen, so möchte man Lissabon für ein lebendiges anatomisches Theater halten. Umsonst suchten wir Blumen, um unsere Geruchssinne zu erfrischen: wir konnten uns keine verschaffen.



Gannarets Schreiben an den Präsidenten Lamoignon[3].

Ich gebe mir die Ehre, Ihnen den Artikel, Monseigneur, zu senden, der den Tartüfe betrifft, worüber Sie mir, nämlich bei der Darstellung dieser Thatsache, wie mir Fontenelle sagt, nicht genug Diskretion und Zurückhaltung zutrauen. Ihnen, Monseigneur, sind alle abentheuerlichen Geschichtchen bekannt, die man bei dieser Gelegenheit dem guten Moliere aufbürdete. Ich habe das Ungegründete dieser Geschichtchen hinlänglich erkannt; mehr als zwanzig Personen haben mich versichert, daß die Sache sich so zugetragen hat, wie ich sie erzählte, und ich glaube es um so mehr, da es auch in den Menagiana, die 1698 mit Privilegium gedruckt wurden, ausdrücklich heißt: Ich, Menage, sagte dem Präsidenten Lamoignon, als er den Tartüfe nicht geben lassen wollte, daß die Moral des Stückes ganz vortrefflich sey und daß es dem Publikum sehr nützlich seyn werde. Sie sehen, Monseigneur, daß ich den berühmten Namen weggelassen habe, und daß ich das Urtheil über den Tartüfe so viel als möglich mit Gründen unterstützte. Fontenelle, der Monseigneur eben so schätzt wie ich, glaubt, daß ich die Stelle ganz gut behandelt habe, er billigt mein Buch, welches beinah ganz gedruckt ist. Wenn Monseigneur aber das Gegentheil glauben sollten, so bitte ich mir nur die Worte anzugeben, ich werde ein Carton hineinschieben; die außerordentliche Achtung die ich für Monseigneur und seine ganze Familie hege, erlaubt mir nicht, hierin nach eignem Willen zu handeln u. s. w.

  1. Wir sehen uns genöthigt, uns weitläufiger über diese Periode der irischen Geschichte zu verbreiten, als Anfangs in unserer Absicht lag. Aber Hegewisch, der Einzige, der bisher in deutscher Sprache eine Geschichte von Ireland zu schreiben versucht hat, macht in der Darstellung der Verhältnisse, welche zu der Eroberung der Insel führten, so unbegreifliche Mißgriffe, daß wir es für Pflicht halten, seinem eben so planlosen, als nachläßigen und oberflächlichen Werke eine gewissenhaftere Arbeit gegenüber zu stellen.
  2. Portugal Illustrated. By the Rev. W. M. Kisney, B. D. London 1828.
  3. Vie de Moliere etc. Aus diesem Schreiben kann man sehen mit welcher Wahrhaftigkeit die Geschichtschreiber des großen Jahrhunderts d. h. des Siècle de Louis XIV zu Werke gegangen sind.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 708. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_734.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)