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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 179. 27 Juny 1828.

Die sieben Kirchen Asiens.[1]


Von sieben christlichen Kirchen der Offenbarung, welche durch die Apostel in Asien gegründet wurden, ist kaum noch eine Spur übrig. Smyrna, Ephesus, Pergamus, Sardes, Thyatira, Laodicea und Philadelphia (siehe Offenbarung Kap. 2. 3.), mit all ihrer Macht und Herrlichkeit, sind in fast gänzlichen Verfall gerathen. Nur die erst erwähnte Stadt macht wegen ihrer commerziellen Wichtigkeit als Seehafen eine Ausnahme. Ephesus ist eine bloße Ruine; Pergamus hat eine Bevölkerung von 1500 Griechen mitten unser 13,000 Türken. Sardes, einst die glänzende Königsstadt von Lydien, besteht jetzt aus wenigen Lehmhütten; Thyatira (jetzt Ak-hissar) hat blos eine einzige armselige griechische Kirche; Laodicea, (jetzt Eski-hissar) ist ein türkisches Dorf in der Nähe von Schutthaufen und Bruchstücken alter Baukunst und Bildhauerei; und Philadelphia (jetzt Allah Scher) liegt in Folge von Kriegen und Erdbeben in Trümmern. Wir theilen einige Bruchstücke aus der Reise mit.

Ephesus.

Ein schmerzliches Gefühl für den Christen ist der Anblick einer Stadt, welche die Wiege des Christenthums war und jetzt keine Kirche mehr hat, keine Stadt mehr ist, sondern ein Haufen der Zerstörung, ein unfruchtbar Land, eine Wildniß, wo kein Mensch darin wohnt, und keines Menschen Sohn darüber geht! Einst stand hier jener Tempel, berühmt durch seine Pracht als eines der Wunder der Welt und die Berge Korissus und Prion hallten wieder von dem tausendstimmigen Rufe: Groß ist die Diana der Epheser! Einst waren hier christliche Tempel, die an Pracht mit dem heidnischen wetteiferten, wo das Jupitersbild zu den Füßen des Kreuzes lag, und gleich viele Stimmen, vom heiligen Geiste getrieben, riefen: Groß ist Jesus Christus! Einst hatte Ephesus einen Bischof, den Engel der Kirche, Timotheus, den geliebten Jünger des heiligen Johannes; und die Sage berichtet, daß beide großen Männer, so wie die Mutter des Herrn, ihre letzten Tage dort verlebten. Einige Jahrhunderte vergingen und die Altäre des Herrn wurden umgestürzt, um der trüglichen Lehre Mahommeds zu weichen. Das Kreuz verschwand von dem Dom der Kirche, als der Halbmond auf die Zinnen sich erhob, als das Keble’ an die Stelle des Altares trat! Und in wenig Jahren ist es vielleicht in der Moschee eben so stumm wie in der Kirche. Einige Ruinen und wenige unbewohnte Lehmhütten – Alles, was der Sturm der Zeit von Ephesus übrig gelassen hat. Deine Reichen und deine Schönen, dein Handelsvolk, deine Seeleute, deine Pilote, Kalfater, Lastträger, deine Kriegsleute – sind dahin. Das Summen der Volksmenge ist in Todesstelle verwandelt! Selbst das Meer hat sich von dieser wüsten Scene zurückgezogen und ein giftiger Sumpf, mit Schlamm und Binsen bedeckt, nimmt die Stelle der Wasser ein, welche mit den Waaren aller Länder befrachtete Schiffe unter die Mauern der Stadt trugen.

Ich war im Januar 1824 in Ephesus; ein Türke, dessen Hütte wir einnahmen, sein arabischer Diener und ein einziger Grieche – einige Turkomanen, deren schwarze Gezelte zwischen den Ruinen aufgeschlagen waren, nicht mit gerechnet – machten die Bevölkerung aus. Die griechische Revolution und die räuberischen Streifzüge der Samioten haben großen Theils diese gänzliche Verödung herbeigeführt. Es liegt jedoch in der Nähe ein Dorf mit vierhundert griechischen Häusern.

Pergamus.

Die vor der Stadt liegende Landschaft ist sehr unfreundlich, felsig, kahl und muß im Winter äußerst unwohnlich seyn, da der größte Theil der Niederung unter Wasser steht. Nachdem wir jedoch unter dem Bogen einer Brücke hindurch und hierauf über einen Todtenacker gegangen waren, wurde die Umgebung zusehends schöner, da nun eine Menge Zypressen, Pappeln und andere Bäume zum Vorschein kamen. Bei meinem Eintritte in die Stadt, als es beinah schon dunkel war, fielen mir einige ungeheure Massen von Mauern auf: ich erfuhr, daß es die Trümmer der Kirche des Ἀγιος Θεολογος oder der St. Johanneskirche seien.

Ich begleitete einen griechischen Priester nach seiner Kirche, der damals einzigen in Pergamus; sie liegt am Fuß des Schloßberges, und ist eine armselige, mit Stroh bedeckte Hütte. Obgleich die Sonne in ihrem vollen Glanz die ganze Gegend umher beleuchtete, so war es doch in diesem Gotteshaus so finster, daß ich selbst bei dem flimmernden Lichte kaum die Figuren darin unterscheiden konnte. Auf der einen Seite der Kirche hielt ein anderer Priester mit etwa vierzig Knaben eine kleine Schule. Ich schenkte

  1. Visit to the Seven Churches of Asia; with an Excursion into Pisidia; By the Rev. F. V. I. Arundell, British Chaplain at Smyrna. 8vo pp. 339. London 1828. I. Bodwell. Leake’s Reisen in Kleinasien scheinen die Arundell’s veranlaßt zu haben; jener hat durch Erläuterung .. den Werth des arundellischen Werkes bedeutend erhöht.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 713. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_739.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)