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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

ihm ein Testament. Der Kontrast der prachtvollen Ueberreste der St. Johanneskirche und ihrer elenden Stellvertreterin ist eben so groß, als der Kontrast des gegenwärtigen Zustands der Religion unter den dortigen Griechen mit dem vollen Lichte des Evangeliums, das einst in den Mauern des Ἀγιος Θεολογος leuchtete.

Gegen eine kleine Belohnung ward mir erlaubt, in das Bad zu gehen, wo sich die berühmte Vase befindet. Ich hatte schon die Hoffnung, letztere zu sehen, aufgegeben, da das Bad am Morgen von Frauen, und darauf von Männern besucht wird; nur am Abend, hörte ich, könne man zukommen. Allein wenig Geld öffnete mir die Thüre des Bades, und ich ward eingelassen, während eine Anzahl Frauen auf den Marmorbänken um die Vase lagen. Der Badaufseher gibt die übertriebenste Summen an, welche von englischen Lords für die Vase geboten worden seyen: z. B. von einem vierzig tausend Piaster, von einem andern so viel Zechinen, bis die Vase voll sey.

Sardes.

Identifizirt mit den Namen Krösus, Cyrus und Alexander, seine Ebene mit Tausenden von Bewohnern und Tausenden von Gezelten der Kriegsleute bedeckend – Sardes, noch groß in den Tagen Augusts – durch Erdbeben zerstört, und zu seinem frühern Glanze wieder erhoben durch die Freigebigkeit Tibers – das christliche Sardes, das für seine Befreiung von heidnischer Verfolgung in den prachtvollen Tempeln der Jungfrau und des Apostels seine Danklieder darbrachte – Sardes, wieder unter das Joch eines falschen Glaubens gefallen, aber immer noch mächtig bevölkert, in dem besten Vertheidigungsstand vor fünfhundert Jahren – was ist Sardes jetzt? – Seine Grundfesten sind erschüttert, und seine Mauern niedergestürzt. – In Finsterniß sitzt sie und heißt nicht mehr die Herrin der Königreiche. Wie stehet so einsam die Stadt, die vordem so voll von Bewohnern war? Wenige Lehmhütten, von türkischen Hirten bewohnt, und ein paar Mühlen schließen das ganze Volk von Sardes in sich, und die einzigen Glieder der Kirche von Sardes sind zwei griechische Knechte im Dienst des türkischen Müllers!

Von dem Tempel der Cybele stehn bloß noch zwei Pfeiler; die Türken hatten vor Kurzem das Uebrige zerstört, um das Blei zu gewinnen, das die Steinblöcke zusammen hielt. Man kann diese prächtigen Säulen, von denen die Hauptsäule alle noch vorhandenen Stücke jonischer Bauart, die ich je gesehen, in der Vollendung der Anlage, und der Ausführung, übertrifft, nicht ohne Rührung betrachten. Obrist Leake glaubt, daß sich diese Ueberbleibsel aus den Zeiten vor der Einnahme der Stadt durch Cyrus herschreiben, und doch sind die Säulen noch so vollkommen erhalten, als ob sie erst gestern aufgerichtet worden wären! Der interessanteste Gegenstand für den christlichen Reisenden sind die Ruinen der zwei Kirchen: die eine hinter der Mühle soll die Kirche der Panagia, und eine zweite vor derselben die St. Johanneskirche gewesen seyn. Von der erstern sieht man noch beträchtliche Ueberreste, sie ist beinah ganz aus den prachtvollen Bruchstücken früherer Gebäude erbaut; und von ihr spricht, nach Allem zu schließen, Obrist Leake, wenn er bemerkt, daß sie die einzige der sieben Kirchen sey, von der sich noch sichtbare Ueberreste vorfinden; allein man findet auch noch, wie schon bemerkt worden ist, Ueberreste von der Kirche zu Pergamus. Bei der andern sieht man noch mehrere steinerne Pfeiler, worüber Bogen aus Backstein sich wölben.

Philadelphia.

Wir betraten die Stadt durch Oeffnungen in der alten Mauer; welche aber, aus kleinen Steinen gebaut, nicht viel älter oder kaum so alt schien, als die ersten Jahre der neuern Herrschaft. Die Straßen waren äußerst schmutzig; aus einiger Entfernung jedoch ist die Ansicht der Stadt höchst anziehend, und sie verdient wohl den Namen der schönen Stadt. Ich hatte von dem Oberzollaufseher Suleiman Aga in Smyrna einen Brief an den Moslem. Der Moslem sandte nicht nur auf der Stelle seinen Kassirer, um uns, so wir es bedürften, mit dem nöthigen Geld zu versehen, sondern ersuchte uns auch, nach dem Palast des griechischen Bischofs zu gehen, der den Befehl hatte, uns bei sich auf zu nehmen und aufs Beste zu bewirthen.

Wir gingen durch die Stadt auf den Berg, auf welchem früher die Akropolis stand. Die Häuser waren unansehnlich, und oben sahen wir Nichts als einige Mauern, sichtbar aus viel späterer Zeit, als der römischen. Auf einem andern Hügel in der Nähe, der von dem ersten durch einen tiefen Graben oder eine enge Schlucht getrennt war, fanden sich ähnliche Mauerstücke, so wie auch einige Fragmente von großen Quadersteinen, die zerstreut auf der Erde lagen. Von diesem erhabenen Punkte aus sieht man, so weit das Auge reicht, Nichts als wohlangebaute Gärten und Weinpflanzungen, die eine der weitesten und fruchtbarsten Ebenen Asiens bedecken. Der türkische Name Allah Scher, Stadt Gottes, erinnerte mich an die Worte des Psalmisten; schön liegst du, Berg Zion. Die gegenwärtige Lage dieser einst so hoch begünstigten Städte Gottes gleicht sich sehr; die Glorie des Tempels ist aus ihnen gewichen; und obgleich der Leuchter des Christs nie aus Philadelphia entfernt ward, verbreitet er doch nur ein kärgliches Licht; denn lange entbehrte er des reinen Oels aus dem Heiligthum. Wir kehrten durch einen andern Theil der Stadt zurück, und wurden, obgleich der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit, mit Artigkeit behandelt, und müssen gestehen, daß die Philadelphier ein höfliches Volk sind. Neu war uns der Anblick von Turteltauben auf den Dächern der Häuser; sie passen so gut zu dem Namen Philadelphia. Die Störche sind immer noch im Besitze der Stadtmauern, so wie vieler Dächer.

Ueber das Benehmen der Türken sowohl hier als auf unserer Reise überhaupt konnten wir uns nicht beklagen; in manchen Stücken fanden wir Gelegenheit unsere Begriffe über sie zu berichtigen.

In dem Dorfe Demisch, unfern Smyrna, kam ein

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 714. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_740.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)