Seite:Das Ausland (1828) 741.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

vornehm gekleideter Türke zu uns, dem die andern große Ehrfurcht bezeigten, so daß ich mir dachte, er sey der Aga des Orts, und wahrscheinlich war er es auch. Er bemerkte mir, daß er eine sehr alte Münze besitze. Es zeigte sich, daß es eine Münze von den sarazenischen Kaliphen war, die auf einer Seite eine kufische Inschrift hatte. Er bat mich um Auskunft über sie. Ich erwiederte ihm, daß die Münze von keinem Werthe sey, die Buchstaben seyen kufisch, eskiarabisch, ich könne sie nicht lesen und nur sehr Wenige können es, z. B. gewiß Niemand in Demisch. Der Türke entgegnete, ich will Ihnen zeigen, daß Sie sich hierin irren, und übergab sie sogleich einem graubärtigen Iman, sie zu lesen. Der alte Mann setzte seine Brille zurecht, kratzte den Schmutz mit dem Finger weg, und las nun zu allgemeiner Befriedigung Wort für Wort. Ich erinnere mich nur noch der Jahreszahl 1262 oder 1267 und des Wortes Melec.[1]



Ireland und die Emancipation der Katholiken.


(Fortsetzung.)

Die Unterwerfung von Ireland war jetzt scheinbar vollendet; aber auf der einen Seite war das Ansehen und die Gewalt Roderic’s zu gering, als daß die irischen Häuptlinge sich verpflichtet gehalten hätten, einen von ihm geschlossenen Vertrag zu vollziehen, so weit derselbe nicht ihrem eigenen Vortheile entsprach; auf der anderen besaß auch die englische Regierung nicht die Macht, ihre übermüthigen Barone von Erpressungen und Handlungen der Gewalt gegen die irischen Nachbarn derselben abzuhalten. Der Krieg hatte daher durch Roderics Unterwerfung nicht aufgehört, sondern nur einen anderen Charakter angenommen; er hatte aufgehört, Nationalkrieg der Iren gegen die Engländer zu seyn und wurde in eine ununterbrochene Folge vereinzelter Fehden, Empörungen, Raubzüge und Unterdrückungen verwandelt. So unternahm Johann von Courcey mitten im Frieden, mit einer Schaar verwegener Abentheurer, einen Einfall in Ulster; er bemächtigte sich der Stadt Down und vertrieb daraus den irischen Fürsten, dem sie gehörte. Vergebens berief sich dieser auf den von König Roderic eingegangenen Vertrag; Courcey blieb im Besitze seiner Eroberung und behauptete sich darin, den Vorstellungen, welche der päbstliche Legat, der sich zu Down befand, ihm über die Ungerechtigkeit seines Verfahrens machte, so wie den Anstrengungen der Iren, ihm seine Beute zu entreissen, zum Trotz. Ein anderer englischer Ritter nahm die Unruhen, die Murrough, ein Sohn König Roderic’s in Connaught erregte, zum Vorwand, um diese Provinz mit Heeresmacht zu überziehen und mit Feuer und Schwert zu verwüsten. Dagegen erhoben die Iren in Meath, durch die Gewaltthaten der Engländer zur Verzweiflung gebracht, sich gegen ihre Unterdrücker und ermordeten oder vertrieben sie. Aehnliche Scenen kehrten in allen Provinzen wieder. Aber König Heinrich hatte, wie es scheint, vor seinen Verträgen selbst nicht größere Achtung als seine Barone. Er übertrug seinem Sohne Johann die Herrschaft der Insel, und zu gleicher Zeit ertheilte er Milo von Cogan und Robert Fitzstephen die Lehen über den Theil von Munster, den man das Königreich Cork nannte, Herbert Fitz-Herbert über das Königreich Limerick und William Fitz-Adelm über den größten Theil von Connaught. Die irischen Fürsten, die sich im friedlichen Besitz dieser Landschaften befanden, waren erstaunt, als sie eine Anzahl ihnen zum Theil nicht einmal dem Namen nach bekannter Fremdlinge ankommen sahen, welche die Abtretung ihrer Güter verlangten und zum Beweise ihres Rechtes auf dieselben die Schenkungsbriefe eines Königs aufwiesen, der kürzlich erst seinen Frieden mit ihnen, mehr wie mit unabhängigen Fürsten, als wie mit Vasallen geschlossen hatte. Das Besitzergreifen fand sich indessen schwieriger, als das Ausstellen der Schenkung; die Iren zogen es vor, ihr Land selbst zu verwüsten, als es den Engländern einzuräumen, und diese waren zuletzt zufrieden, wenn ihre Ansprüche auf das Ganze von den Besitzern durch einen Theil desselben abgekauft wurden.

Die Geschichte dieser Thaten der Willkür und Gewalt, bald in kleinerem, bald in größerem Maßstabe, ist ein treues Bild der Schicksale, welche Ireland von der ersten Landung der Engländer an seiner Küste bis auf die gegenwärtige Zeit erfahren hat: Fehden der irischen Häuptlinge und der englischen Barone untereinander, Unterdrückung des irischen Volkes durch heimatlose Abenteurer, Erpressungen der Beamten, theilweise Aufstände und allgemeine Empörungen, Zurückführung zum Gehorsam durch Blut, Brand und Hunger.

Die irischen Fürsten, die sich Heinrich II unterworfen hatten, trugen auf ihr Verhältniß zu den englischen Herrschern natürlich die Begriffe über, welche sie von der Gewalt ihrer einheimischen Oberkönige gehabt hatten. Als Prinz Johann im J. 1185 zu Waterford landete, um die Herrschaft auszuüben, die ihm sein Vater verliehen hatte, strömten die Häuptlinge und die Fürsten der Iren von allen Seiten herbei, ihm ihre Huldigungen darzubringen. In ihrer sonderbaren Tracht, die Haare in viele Zöpfe geflochten, den Bart lang und breit auf die Brust herabfallend, drangen sie, mit festem Schritt und ernstem Blick, durch den glänzenden Kreis, der den Prinzen umgab, um ihren Fürsten nach der Sitte ihres Landes zu umarmen. Der junge Prinz, ganz erschrocken über diese Verletzung des Anstandes, ließ sie durch seine Höflinge zurückstoßen, und ihre Ungeschliffenheit wurde zum allgemeinen Gelächter. Man zupfte sie bei den Bärten und beging tausend Unwürdigkeiten, um ihre Einfalt zu verhöhnen. Ergrimmt über diese Mißhandlungen verließen

  1. Für die Freunde der asiatischen Antiquitäten dürfte die Erscheinung der Sammlung des Herzogs von Blacas interessant seyn; Description des monumens Muselmans du Cabinet de M. le Duc de Blacas, ou recueil de pierres gravé esarabes, persannes et turques, de medailles, vases, coupes, miroirs, par M. Reinaud, T. I–II avec dix planches, Paris 1828.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 715. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_741.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)