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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 180. 28 Juny 1828.

Havanna.[1]


Die Ansicht der Stadt Havanna, beim Einlaufen in den Hafen, ist eine der lachendsten und malerischesten der Küstenländer des tropischen Amerikas. Diese Lage, gepriesen von den Reisenden aller Nationen, hat zwar nicht die Schönheit der üppigen Vegetation, welche die Ufer des Guayaquil schmückt, noch die wilde Herrlichkeit des Felsenstrandes von Rio Janeiro; aber der sanfte Reiz, den die Kultur über die Naturscenen unsrer Klimate verbreitet, verbindet sich auf Kuba mit der kraftvollen Thätigkeit der Pflanzenwelt und deren Großartigkeit in den Formen, wie sie der heißen Zone eigenthümlich ist. Unter dem Zuströmen so lieblicher Eindrücke vergißt der Europäer die Gefahr, die ihn im Schoße volkreicher Städte der Antillen bedroht: ein entzückendes Gemälde – diese immer blühende Landschaft, diese festen Schlösser im Osten des Hafens, dieser Hafen selbst, umgeben von Dörfern und Pachthöfen, endlich diese hinter dem Wald der Mastbäume und dem Vorhang der Segel halb sichtbare Stadt!

Die Einfahrt in den Hafen, 170 bis 200 Toisen breit und 3/5 Meile lang, führt zwischen dem Morro (Castillo de los Santos Reyes) und der kleinen Schanze Salvador de la Punta hindurch. Nach zurückgelegter Einfahrt gelangt man, indem das schöne Schloß San Carlos de la Cabanna nebst Casa blanca südlich liegen bleibt, in das Becken: es hat die Form eines Kleeblattes, dessen große Achse von SSW nach NNO 2½ Meilen in die Länge sich erstreckt. Das Becken steht in Verbindung mit drei Buchten, der von Regla, Guanavacoa und Atarès, wovon letztere einige Quellen süßen Wassers enthält. Die mit Mauern umgebene Stadt erhebt sich auf einem Vorgebirg, das im Süden von dem Arsenal, im Norden von der Schanze de la Punta begrenzt wird. Ueber die Gegend, wo einige versunkene Schiffe auf dem Grund liegen und über die Untiefen von la Luz hinaus, findet man nicht mehr als 8 bis 10, aber doch noch überall 5 bis 6 Faden Tiefe. Die Schlößer Santo Domingo de Atarès und San Carlos del Principe vertheidigen die Stadt im Westen, von deren innerer Mauer auf der Landseite das erstere 660, das letztere 1240 Toisen entfernt ist. Die Zwischenräume nehmen die Vorstädte (arrabales, barrios extra muros) Horcon, Jesus Maria, Guadalupe und Sennor de la Salud ein, welche von Jahr zu Jahr das Marsfeld mehr beschränken.

Die großen Gebäude Havanna’s, die Kathedrale, der Regierungspalast (casa del govierno), die Admiralität, das Arsenal, das Posthaus (correo), die Tabacksfaktorie, zeichnen sich weniger durch Schönheit als durch feste Bauart aus, die Straßen weder in der einen, noch in der andern Hinsicht, denn sie sind meistentheils eng und ungepflastert. Da die Steine von Veracruz gebracht werden und ihr Transport äußerst kostspielig ist, so hatte man den seltsamen Einfall, statt mit Steinen, mit Holz zu pflastern, in der Art, wie man durch Sumpfgegenden in Deutschland und Rußland Dämme baut. Man gab jedoch die Sache bald wieder auf, so daß der Reisende jetzt mit Verwunderung die schönsten Cahobastämme (Nierenbäume) in den Koth eingesenkt sieht. Es gab vor nicht langer Zeit keine Stadt im spanischen Amerika, die, so absolut aller Polizei ermangelnd, ungeachtet der anmuthigsten Außenseite, in der Nähe einen scheußlicheren Anblick dargeboten hätte. Man ging im Koth bis an die Knie; der Gestank von schlechtgedörrtem Fleische (Tasajo) erfüllt die krummen Gassen und qualmte aus jedem Haus hervor, so daß, wenn man so sehr Ursache hatte, seine Schritte zu beflügeln, man um so ärgerlicher war, wenn man nicht von der Stelle kam: denn um sich ganz in die jammervolle Lage eines Fußgängers daselbst zu versetzen, denke man sich die Menge der Volantes, (einer Art Kaleschen, die man sonst nirgends trifft), der Zuckerkarren, der Lastträger, die sich mit dem Ellbogen Platz machen u. s. w. Indessen ist in der neuesten Zeit Manches für die öffentliche Reinlichkeit geschehen: die Häuser sind luftiger gemacht worden und die Calle de los Mercadores gereicht der Stadt zur wahren Zierde. Aber hier, wie in allen altspanischen Städten, läßt sich die fehlerhafte Anlage nur allmälig verbessern.

Havanna besitzt zwei schöne öffentliche Spaziergänge: der eine (la Almada) befindet sich zwischen dem Theater, welches im J. 1803 durch den italienischen Künstler Peruani geschmackvolle Verzierungen erhalten hat, und dem Paulaspital; der andere (el passeo extra muros) zwischen dem Castillo de la Punta und der Puerta de la Muralla: hier versammelt sich nach Sonnenuntergang die große und kleine Welt der Stadt, um der erquickenden Kühle zu genießen. Der Marquis de la Torre, überhaupt der erste von allen Governadoren, der für die Verbesserung der Polizei und der Municipalverfassung mit Glück thätig

  1. Essai politique sur l’île de Cuba. Par Alexandre de Humboldt. Avec une carte, Tom. I–II. Paris, 1826
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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 717. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_743.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)