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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

war, hatte die Anlage des passeo extra muros begonnen, Don Luis de las Lasas und der Graf de Santa Clara sie vollendet. Hier steht das marmorne Standbild Carls III. Der Platz war anfänglich zu einem Denkmal für Christoph Columbus bestimmt, dessen Asche, bei der Abtretung des spanischen Theils von Domingo, hieher geführt worden war. – In demselben Jahr wurde auch in Mexiko Fernando Cortez Asche nach einer andern Kirche gebracht und von Neuem beigesetzt. – In der Nähe liegt der botanische Garten, ein Gegenstand, der mit Recht die Aufmerksamkeit der Regierung in Anspruch nimmt, und – der Sklavenmarkt. Was der Landschaft um Havanna einen ganz eigenthümlichen Charakter gibt, ist die Königspalme (palma real). Ihr schlanker, gegen die Mitte etwas anschwellender, Stamm erhebt sich zu einer Höhe von 60 bis 80 Fuß; der untere Theil hat eine weißliche aufgerissene Rinde, wogegen das zarte Hellgrün des obern Theils, der wie Säule auf Säule, neue Schößlinge bildet, seltsam absticht. Die Palma real der Insel Cuba mit ihren gestreiften, gerade aufwärts stehenden, nur am Ende etwas gekrümmten, Blättern, ja mit ihrem ganzen Wuchs erinnert an die Vadgiai-Palme, welche die Wasserfälle des Orenoko bedeckt und ihre langen Spitzen über einem Nebel von Schaum wiegt. Mit dem Zunehmen der Bevölkerung zeigt sich auf Cuba, wie überall, eine Abnahme der Vegetation. Sümpfe, die eine Masse Leben erzeugen und nähren, werden ausgetrocknet und angebaut; die Erde wird ihrer Pflanzenhülle entkleidet und zeigt kaum noch Spuren ihrer vormaligen wilden Ueppigkeit. Von La Punta bis San Lazaro, von Cabanna bis Regla, von Regla bis Atarès ist Alles mit Häusern bedeckt; die längs der Bay sind von leichter und eleganter Bauart. Man entwirft den Plan zu einem solchen Haus und bestellt es in den Vereinigten Staaten, wie man ein Möbel bestellt. Während des gelben Fiebers begeben sich die Familien nach ihren Landhäusern zwischen Regla und Guanavacoa, wo bessere Luft ist. Ein entzückender Anblick von diesen Höhen herab, wenn des Nachts die Fahrzeuge die Bay durchschiffen und bei der Phosphorescenz des Wassers lange Lichtstreifen nach sich ziehen. Um die Fortschritte der Kultur zu beurtheilen, braucht der Reisende Nichts als die häufigen kleinen Mais-Pflanzungen, als die schnurgeraden Ananasalleen in den Feldern de la Cruz de Piedra, als den bischöflichen Garten zu betrachten.

Die eigentliche Stadt ist nicht über 900 Toisen lang, nicht über 500 breit: in diesem engen Raum drängt sich eine Bevölkerung von 44,000 Seelen, worunter 26,000 Neger und Mulatten. Die Bevölkerung der beiden großen Vorstädte Jesus Maria und Salud mag nicht viel schwächer seyn. Die letztere verdient den schönen Namen, den sie trägt, nicht ganz: die Hitze ist daselbst ohne Zweifel nicht so drückend, als in der Stadt, aber die Gassen sollten breiter und gebahnter seyn. Seit dreißig Jahren leben die spanischen Ingenieure mit den Bewohnern der Vorstädte in erklärter Fehde; nach ihrer Meinung stünden die Häuser den Festungswerken zu nahe, so daß sich der Feind daselbst ungestraft festsetzen könnte. Man hat aber nicht den Muth, die Vorstädte nieder zu reißen und eine solche Menge von Menschen (28,000 z. B. allein in la Salud) auszutreiben. Nach der letzten Feuersbrunst 1802 wurde la Salud beträchtlich erweitert; denn aus den Baracken, die man im ersten Augenblicke der Noth aufschlug, wurden nach und nach Häuser.

Die Bewohner der Vorstädte, um ihre Existenz, die bis jetzt bloß geduldet ist, gesetzlich zu machen, haben der Regierung mehrere Entwürfe vorgelegt, wie man sie in die Befestigungslinie mit aufnehmen könnte. Man dürfte nur einen breiten Graben von Puente de Chaves, bei Matadero, nach San Lazaro ziehen und so Havanna zu Insel machen. Die Entfernung beträgt etwa 1200 Toisen und schon jetzt endigt sich die Bay zwischen dem Arsenal und dem Castillo de Atarès in einen natürlichen Kanal. In diesem Fall bekäme die Stadt auf der Landseite im Westen eine dreifache Befestigungsreihe: nämlich die sehr starken Werke von Atarès und del Principe auf den Anhöhen, hierauf den projektirten Graben, endlich die Mauer und den alten bedeckten Weg des Grafen Santa Clara, der 700,000 Piaster gekostet hat. Die Vertheidigung der Stadt von dieser Seite ist von der höchsten Wichtigkeit: denn so lange man sich im Besitz der eigentlichen Stadt und des südlichen Theils der Bay behauptet, sind der Morro und die Cabanna uneinnehmbar, weil man diesen Plätzen, wovon der eine 800, der andere 2000 Vertheidiger braucht, von Havanna aus Lebensmittel und Verstärkungen zukommen laßen kann. Französische Ingenieure, die gut unterrichtet waren, versicherten mich, daß der Feind, um die Cabanna zu beschießen, wo sich indessen die Garnison, in den Kasematten eingeschlossen, bei der Ungesundheit des Klimas nicht lange halten könnte, vorerst die Stadt weggenommen haben müßte. Die Engländer haben zwar, ohne Herren der Stadt zu seyn, den Morro erobert, aber damals war die Cabanna und das Fort Nro 4, welche den Moreo beherrschen, noch nicht vorhanden. – Die politische Bedeutung [1] der Insel Cuba gründet sich nicht bloß auf die Ausdehung

  1. Diese Wichtigkeit wurde von Spanien in dem Grade anerkannt, daß bis 1808 eine jährliche Summe von mehr als 1,800,000 Piastern aus dem mexikanischen Schatz auf die Bedürfnisse von Cuba und Havanna verwendet wurde. Durch das Wachsen des innern Reichthums sind jedoch diese Zuschüsse nach und nach überflüßig geworden. In der That ist von allen spanischen Besitzungen Cuba diejenige, die am Besten gediehen ist. Die jährliche Ausfuhr des Zuckers allein beträgt 70 Millionen Kilogr.; in diesem Artikel steht also Cuba blos Brasilien mit 125 Mill. und Jamaica mit 80 Mill. nach. (Die Gesammtproduktion des Zuckers jährlich = 503 Mill. angenommen, so kommen auf die übrigen engl. Antillen 85, auf die franz. 42, auf die holländ., dän., schwed. 18, auf ganz Guyana 40, auf Louisiana 13, auf Ostindien, Ile de Frace und Bourbon 30 Mill.; davon werden 456 Mill. in Europa eingeführt; 204½ Mill. in Frankreich und Großbritannien, 152 Mill. in den Niederlanden, Deutschland, der Schweiz, Italien, Spanien, Protugall, Dänemark und Schweden verzehrt und 100½ Mill. bleiben für den Bedarf von Rußland, Kleinasien, Nordafrika u. s. w.)
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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 718. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_744.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)